Dienstag, März 17, 2015

Bettina Hammer berichtet über Hintergründe der Penistransplantation

Auch Bettina Hammer berichtet nun auf Telepolis über die erste erfolgreiche Penisverpflanzung:

Das Ritual namens Ulwaluko, das von dem Stamm der Xhosa praktiziert wird, ist das traditionelle Ritual für den Übergang zur Erwachsenenwelt. Die jungen Männer gehen in die Berge, dort fasten sie und werden schließlich von einem Ingcibi beschnitten, der sich auch um die Wundversorgung kümmert.

Doch für den Ingcibi gelten keinerlei Hygienevorschriften, oft sehen diese auch in dem Ritual eine Möglichkeit, auszutesten, wie stark und leidensfähig dieser sei, weshalb Schmerzen nicht ernstgenommen oder gar als Zeichen für Wehleidigkeit interpretiert werden. Dabei führen verunreinigte und veraltete, stumpfe Werkzeuge und mangelhaft sterilisierte Verbände aus Tierfell etc. oft zu Infektionen oder eben zu dem Verlust des Penis. (...) In den Jahren 1994 bis 2014 starben 885 junge Männer an Folgen des Ulwaluko, wobei auch Schock, Unterernährung und Wassermangel zu diesen Folgen zählen.


Zur Veranschaulichung der Folgen dieser Praxis verlinkt Bettina Hammer auf einen ausführlichen FAZ-Artikel zur Beschneidung in Südafrika vom Juli 2014 sowie zu einer südafrikanischen Intaktivistenwebsite, deren Betreiber (ein niederländischer Arzt, der bei den Xhosa zahllose Notamputationen vornehmen musste und dies öffentlich dokumentierte) laut FAZ mit der Zensur zu kämpfen hatte und schließlich mit Gewaltdrohungen verjagt wurde. (Sowohl der FAZ-Artikel als auch die Website der Gegner von Genitalverstümmelung waren letzten Sommer auch von Genderama verlinkt worden.)

Die Seite ist den südadfrikanischen Autoritäten ein Dorn im Auge, weil sie mit drastischen Fotos darlegt, wie der "harmlose und unkomplizierte Eingriff" in Wirklichkeit aussieht. Wer danach immer noch behauptet, dies könne man mit der Genitalverstümmelung von Mädchen nicht vergleichen, dem ist nicht mehr zu helfen.

Der "Ulwaluko" hat jedoch nicht nur traditionelle Ursachen - dahinter stecken auch handfeste Geschäftsinteressen. Bettina Hammer:

Für den Ingcibi ist dieses Ritual ein lohnendes Geschäft, was dadurch, dass diejenigen, die nicht am Ritual teilnehmen, geächtet werden, aufrechterhalten wird – ca. 25 Euro pro Eingriff erhält der Ingcibi.


In dem verlinkten FAZ-Artikel wird das noch wesentlich drastischer beschrieben:

Auch das erfuhr Asanda am eigenen Leib, als er seine Amputation und deren Hintergründe öffentlich anprangerte. Das war bei einem Treffen der traditionellen Chiefs, die in Gegenden wie Pondoland die höchste Autorität darstellen, noch vor Regierung oder Polizei. Die Chiefs wollten Asanda schon deshalb nicht zuhören, weil sie mit den traditionellen Beschneidungen Geld verdienen. Er wurde zuerst ausgelacht, dann auf dem Nachhauseweg von vier Typen fast totgeschlagen.

(…) Das vermeintliche Kulturgut Ulwaluko ist längst zu einem blutigen Geschäft geworden, in dem sich Scharlatane tummeln – junge Männer wie "Steve", der natürlich nicht wirklich so heißt. Steve ist 22 Jahre alt, seine eigene Initiation liegt gerade ein Jahr zurück. Steve kann weder lesen noch schreiben, die komplexe Geschichte der Xhosa-Königreiche ist ihm fremd, und dass er etwas von Medizin versteht, behauptet nicht mal er selbst. Trotzdem ist er vom Rat der Chiefs zum Ingcibi berufen worden. Dafür muss er dem Rat einen Teil seines Verdienstes abführen. Steve gehört zu der Art Verbrecher, die als Verbandszeug schon mal in Streifen geschnittene Plastiktüten benutzen. Ein schlechtes Gewissen plagt ihn nicht. "Mann, das ist ein Job, und davon gibt es hier nicht viele", sagt er. Seine Fahne ist selbst aus einem Meter Entfernung deutlich zu riechen.


Ein Genderama-Leser, der mich auf Bettina Hammers Artikel hinwies, merkt zu diesem Thema an:

An der Stelle sollte man ruhig mal wieder darauf hinweisen, daß auch in unserer "zivilisierten" Welt mit Beschneidungen ordentlich Kasse gemacht wird, was ein gerne verschwiegener Grund ist, warum es nach wie vor Ärzte gibt, die die Genitalverstümmelung von Jungen verharmlosen.

Bettina Hammer kommt schließlich auch auf die sozialen Folgen des "Ulwaluko" zu sprechen. Dabei wird, wie erst kürzlich von Karen Straughan angesprochen, einmal mehr deutlich, dass es kein exklusiv feministisches, sondern ein weltweites Phänomen ist, mit männlichen Opfern keinerlei Mitleid zu haben, ihnen die Schuld an ihrer Lage zuzuschieben und diese als "Verlierer" zu verhöhnen und auszustoßen.


Auch eine "geglückte" Beschneidung, merkt mein Leser an, bleibe schließlich "nach wie vor eine Genitalverstümmelung mit schweren körperlichen und seelischen Folgen, auch wenn diese immer noch verharmlost oder von Feministinnen mit dem üblichen Gelächter über 'male tears' ins Lächerliche gezogen werden".

Es fällt in der Tat auf, dass der Feminismus archaische Vorstellungen von Geschlechterrollen eben nicht so wie die Männerrechtsbewegung zu überwinden trachtet, sondern stattdessen ausbaut und einzementiert.

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