Mittwoch, Januar 21, 2015

Leserbriefe (Guantanamo)

Zum gestern auf Genderama verlinkten Spiegel-Online-Beitrag Guantanamo: Wärterinnen zwangen Häftlinge zum Sex schreiben mir zwei meiner Leser. Der erste berichtet:

Ich habe mich ca. durch die Hälfte des handgeschriebenen Berichts von Mohamedou Ould Slahi gearbeitet und habe nicht vor den Rest auch noch zu beackern, das Material ist belastend.

Unzählige Kommentatoren im Internet sagen Sachen wie "wenn man das in Guantanamo erlebt, möchte ich auch dorthin" oder streiten dem Bericht schlicht die Glaubwürdigkeit ab. Herr Ould Slahi habe eine "dreckige Fantasie" und den sexuellen Missbrauch "phantasiert".

Ist das Material glaubwürdig? Meine Eindrücke dazu:

+ Wäre alles Unfug, hätten die Behörden nicht so viel zensieren müssen.

+ Der Bericht ist voller realistischer Interaktionen und Dialoge.

+ Der Autor stellt sich selbst nicht als Übermenschen dar und dämonisiert weder Wärter noch Verhörpersonal. Er beschreibt das Personal differenziert und erwähnt manchmal auch positive Aspekte.

+ Er versteht die Mechanismen denen das (ausführende) Personal unterworfen ist und die dazu führen, dass er elementarster Grundrechte beraubt wird (z.B. betreffend seine Religionsausübung) und hofft das die dafür verantwortlichen Personen zur Rechenschaft gezogen werden.

+ Der Bericht ist frei von Hass und von irgendwelcher Propaganda gegen die USA oder sonstige Staaten. Keine Anzeichen von Hass gegen andere Nationalitäten oder Ethnien.

+ Der Autor zeigt ein Grundverständnis für Menschenrechte und rechtsstaatliche Prinzipien.

+ Keine Effekthascherei. Die Passagen wo der sexuelle Missbrauch vorkommt wirken nicht aufgebauscht und stellen nur einen kleinen Teil des gesamten Programms an Folter und Demütigung. Sie sind in sich konsistent.

+ Ich bin mir nicht ganz sicher: Der sexuelle Missbrauch durch weibliches Personal war nur ein Aspekt des sexuellen Missbrauchs. U.A. wurde auch Vergewaltigung durch Männer ("den Ägypter") angedroht, bzw. impliziert.

+ Der Autor versteht, dass das Verhör- und Folterpersonal sich durch bestimmte Handlungen an ihm selbst entwürdigt.

+ Besonders grausame Handlungen passieren unter besonderen Umständen, speziell räumlicher Abtrennung, und werden durch besondere "Spezialisten" ausgeführt. Es gibt also auch innerhalb des Lagers/der Lager noch einmal "Normalbetrieb" und "Steigerungsstufen". Das macht (schrecklichen) Sinn.

Das Material ist also grundsätzlich glaubwürdig. Und ganz sicher ist es überprüfbar, wenn man je eine Überprüfung zulässt.


Ein anderer Leser schreibt mir:

Ich habe einen Bericht im TV zu dem Buch des Opfers von Guantanamo gesehen. Der Reporter erklärte, das Opfer hätte sich Gedanken über die armen Wärter(innen) gemacht. Frauen hätten ihre Brüste vor ihm entblössen müssen und Männer hätten ihn in Halloweenkostümen befragen und foltern müssen. M.E. ging es wieder um das Opfer "Frau". Nur deshalb wurde in dieser Art darüber berichtet. Wie auch schon Goldhagen über die KZs schrieb, haben junge Frauen keine Probleme zu foltern und tun es aus Überzeugung, nicht weil sie dazu gezwungen werden (Männer auch).

(...) Ihr Buch "Sind Frauen bessere Menschen?" hat mir die Augen geöffnet. (...) Zweimal, als ich es Freunden zeigen wollte, musste ich es jeweils vor ihren Frauen verstecken, wenn die den Raum betraten. Das verrät viel über die heutige "Gleichberechtigung".


Auf seiner Facebookseite kommentiert der Verein MANNdat diese Nachricht beziehungsweise ihr Verschweigen in weiten Teilen der deutschen Presse. Immerhin landete der Spiegel-Online-Artikel in den Top 50 der gestern am meisten geteilten Newsbeiträge.

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