"Meine Tage im Hass"
Die Debattenkultur in den Kommentarspalten unter Online-Artikeln wird immer noch intensiv diskutiert. So schildert heute Andrea Diener in der Frankfurter Allgemeinen einen Eindruck, der auch meinem eigenen entspricht:
Dazu kommt, dass die meisten Beleidigungen aus einer politischen Richtung kommen, die man früher einmal als "konservativ" klassifiziert hätte, das angesichts neuester Ausprägungen aber nur noch widerwillig tut. Konservative nahmen für sich in Anspruch, die Form zu wahren, dazu korrekt und höflich zu sein. Der Konservative früherer Tage legte Wert auf Konventionen und Umgangsformen und warf dem linken Langhaarigen vor, genau das nicht zu tun.
Mittlerweile haben sich die Verhältnisse umgedreht. Höflichkeit gilt dem konservativen Kommentartroll als "Gutmenschengetue", jegliche Standards gepflegten Umgangs lehnt er ab. Eine Gemeinschaft gilt ihm nur dann etwas, wenn sie aus Gleichgesinnten besteht, alles Abweichende wird ausgeschlossen. Er ist von einem enormen Sendungsbewusstsein getrieben, fühlt sich als Sprachrohr einer schweigenden Mehrheit, als radikal ehrlich. Er beleidigt schonungslos, besonders gerne Minderheiten, und wer ihn zurechtweist, wird als "Zensor" diffamiert. Er wähnt sich unterdrückt, gegängelt, von einem linken Medienmainstream mundtot gemacht und kompensiert seine vermeintliche Hilflosigkeit mit Unflat. Sein Vokabular ist ein psychopathologisches: An zeitgenössische Themen werden die Suffixe -wahn, -hysterie, -lüge und -keule angehängt, um sie als Massenpsychose zu diskreditieren. So leben wir nach seiner Wahrnehmung in Zeiten des Genderwahns, der Klimalüge, der Multikultihysterie und der Populismuskeule.
Nicht erst seit Akif Pirincci hat man den Eindruck, "rechts" und einigermaßen sachlich passt heutzutage in keiner Weise mehr zusammen. Die auch sprachlich-stilistisch durchgeknalltesten Mails habe ich immer aus dem rechten Lager erhalten. Von wüsten Beschimpfungen bis zu seitenlanger Empörung, wie ich es wagen könne, meine Lebenszeit nicht zu opfern, um die Lieblingsängste eines Wildfremden mit ihm ausführlich auf Facebook zu diskutieren, war alles dabei. Ohne Geifer geht es in diesem Lager nur noch bei wenigen, und man sieht sich selbst als Mittelpunkt der Welt, um den sich gefälligst alles zu drehen hat.
Auf der anderen Seite hält Benjamin Birkenhake dem entgegen, dass die "Gleichschaltung" unserer Leitmedien tatsächlich bedenklich geworden ist (und wer wüsste das besser als wir Männerrechtler). Birkenhake macht das an zwei Beispielen fest, Computerspielen und dem Jugoslawienkrieg:
Bis vor wenigen Jahren konnte man praktisch nichts lesen, was die Tages- und Wochenpresse über Computerspiele geschrieben hat. Erst jetzt, wo diejenigen, die mit Playstation und Counterstrike großgeworden sind, in den Redaktionen sitzen, ändert sich das etwas. 30 Jahre lang musste ich mir erzählen lassen, dass ich meine Freizeit mit Killerspielen verbringe und dabei mein Gehirn in ein weiches, fernsteuerbares Brötchen verwandele. Sowas macht einen nicht nur wütend, sondern wirft ja auch die Frage auf, wie es denn um die Berichterstattung um alle jene Bereiche bestellt ist, in denen ich nicht Experte oder Betroffener bin?
(...) Ich weiß noch, dass ich während des Balkankrieges mit einem Serben zusammengelebt habe und mit einem Kosovo-Albaner zusammen gearbeitet habe. Und nach dem Krieg hat ein paar Wochen lang ein Bekannter bei uns in der WG gewohnt, der auf dem Balkan im Einsatz war. Alle drei haben Dinge erzählt, die es nie in die großen Medien geschafft haben und die mich schon dazu gebracht haben, den ganzen Konflik in deutlich anderem Licht zu sehen. Wobei ganz klar ist, dass die Position, die die Medien vor und nach dem Krieg vertreten haben, stets eine einseitige war, und jene, die unserer Regierung hat am besten aussehen lassen. Auch das wirft Fragen auf, wo da nicht Mechanismen der Selbstregulierung am Werk sind. Von den seltsamen Eliten, die an der Spitze der Verlagshäuser am Werke sind, mal ganz zu schweigen.
Ich persönlich finde ja, man hat gegen die mediale Gleichschaltung noch die besten Chancen, wenn man sich nicht wie ein entsprungener Irrer aufführt, der unserer gesamten Gesellschaft ab den sechziger Jahren nur noch Hass und Abscheu entgegenbringen kann. Aber ich bin ja auch nur einer dieser verachtenswürdigen Linken, was weiß ich schon darüber.
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