Dienstag, April 23, 2013

Grüne: Berliner Platz darf nicht Name eines Juden tragen

In den Mails, die mir meine Leser schreiben, drücken manche ihre Verwunderung darüber aus, dass ich auch über den größten Irrsinn in der Geschlechterpolitik noch in einem relativ lakonischen Stil schreiben kann. Vielleicht ist das die Haupterfordernis für diesen Job: Man muss zumindest zum Teil seinen Frieden damit gemacht haben, dass wir politisch in einer komplett absurden Welt leben. Eine besondere Verrücktheit trägt sich inzwischen mal wieder in Berlin zu.

Dort soll der Platz vor dem Jüdischen Museum nach dem deutsch-jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn benannt werden. Dagegen jedoch sperren sich vor allem die Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg, da aufgrund eines Beschlusses ihrer Fraktion keine öffentlichen Plätze und Straßen mehr nach Männern benannt werden sollen, sondern nur noch nach Frauen.

Besonders pikant dabei: Bei der Rudi-Dutschke-Straße und einer nach dem Hausbesetzer Silvio Meier benannten Straße konnten sich die Kreuzberger Grünen sehr wohl überwinden und gegen die Frauenquote im Straßenbild verstoßen. Aber ein Jude? So weit geht es nun wirklich nicht! Vermutlich haben Juden einfach zu wenig für die einzig wahre Religion der Gegenwart geleistet.

Götz Aly kommentiert den Irrwitz in einem Artikel über die "grünen Spießer" so:

In den vergangenen 200 Jahren wurde dem Berliner Aufklärer Moses Mendelssohn (1729–1786) keine Straße zuteil, weil er Jude war. Derzeit scheitert die Benennung eines neu geschaffenen Platzes nach ihm in der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg, weil der zu Ehrende gegen die Frauenquote verstößt. So wechseln die Gründe – das Ergebnis bleibt gleich.

Die kleingeistige Posse spielt vor der Tür des weltweit bekannten Jüdischen Museums. Die Hauptakteure hocken in der mit Abstand stärksten Fraktion des Bezirks: Es sind die Grünen. Sie schämen sich nicht, "das leider falsche Geschlecht" Mendelssohns in einem Satz mit dem "Projekt Unisextoiletten" abzuhandeln. (...)

Die Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg erweisen sich als antiurban und geistig eingleisig; im Zweifelsfall agieren sie halbstalinistisch. So wie die CSU ihre Herdprämie durchsetzt, pauken sie ihre Frauennamen durch. Argumente zählen für sie nicht, Rücksichten auf andere gelten ihnen als Schwäche. Die Grünen berufen sich auf ihren Beschluss, demgemäß so lange nur Frauennamen für Straßen vergeben werden sollen, bis ebenso viele Straßen nach Frauen wie nach Männern benannt sind. Basta!? Aber nein, die Partei durchbricht ihre Prinzipien dann, wenn linksradikale Männer wie Rudi Dutschke oder Silvio Mayer auf den Straßenschildern des Bezirks verewigt werden. Ein markiger Agitator bedeutet ihnen viel, ein geistesstarker jüdischer Philosoph nichts.


Als möglicher Kompromiss wird nun ernsthaft vorgeschlagen, neben Mendelssohn auch seine Frau zu ehren und den Platz in Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz oder auch in Eheleute-Mendelssohn-Platz zu benennen. Götz Aly merkt dazu an:

Sollte unser neuer Flughafen je eröffnen, werden sie den vorgesehenen Namen wahrscheinlich so erweitern: Ruth-und-Brigitte-Seebacher-und Willy-Brandt-Flughafen-Berlin-Brandenburg. Fromet war die gebildete, hochrespektable Tochter der Hamburger Kaufmannsfamilie Gugenheim. Sie heiratete Moses 1762 und gebar zehn Kinder. Aber sie war nicht die Mutter der jüdisch-deutschen Aufklärung. Dafür steht Moses Mendelssohn.


Würde ich eine Satire über die Konsequenzen des Gender-Irrsinns in Deutschland schreiben; sie könnte nicht hanebüchener und zugleich galliger sein als das, was sich da gerade in Berlin abspielt.

Wer nun allerdings glaubt, nur die Grünen seien mal wieder mit dem Klammerbeutel gepudert: Bei den Berliner Piraten ist es nicht anders. Deren Fraktionsgeschäftsführer Rolf Schümer bezeichnete die Benennung des Platzes nach Moses Mendelssohn dem Tagesspiegel zufolge als "hervorragende Idee, einziges Problem: Er war keine Frau." Beschlussempfehlungen vom Ausschuss "Frauen und Queer" in der Piratenpartei zufolge sei der Quotenregel (Frauennamen bis 50 Prozent erreicht sind) streng zu folgen; auch solle es künftig ohne Mitwirkung von "Frauen und Queer" keine Namenswahl mehr geben.

In der Tat: der deutsche Spießer, wie er leibt und lebt.

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