Sonntag, November 11, 2012

Gabriele Wolff zum Kachelmann-Prozess: Wie Alice Schwarzer gerade Opfer ihres eigenen Dogmas wird

Das ist doch seltsam, wie viele Medien verkennen, worum es in dem Buch "Recht und Gerechtigkeit" wie auch in dem zur Zeit anhängigen Zivilverfahren gegen die Anzeigeerstatterin Claudia D. geht: da wird von Rache, Nachtreten, Buchreklame, Jammerei deliriert – niemand von diesen Schnellschuß-Journalisten hat das Buch, das einen veritablen Justiz- und Medienskandal offenlegt, gründlich gelesen, oder sich mit der Beweislage, wie sie sich nach den öffentlichen Teilen der Hauptverhandlung und den öffentlich gewordenen Akteninhalten darstellt, befaßt.


Die ehemalige Oberstaatsanwältin Gabriele Wolff hat sich allerdings diese Mühe gemacht und so in ihrem Blog einen enorm langen, aber für jeden, der sich für dieses Thema interessiert, auch enorm lesenswerten neuen Beitrag veröffentlicht. Darin gelangt sie zu dem Schluss, dass der neue Kachelmann-Prozess die feministische Fraktion weiter in die Bredouille bringen dürfte:

Alice Schwarzer & Co. sind Opfer ihres eigenen falschen feministischen Dogmas geworden, daß es so gut wie keine Frauen gäbe, die falsche Anschuldigungen machten. Da dieses Dogma wesentlicher Teil ihrer bevormundenden und einträglichen Geschäftsgrundlage ist, werden sie von der falschen Solidarität zu dem juristisch bereits erwiesenem Nicht-Opfer Claudia D. nicht ablassen, und damit dessen Schicksal selbst erleiden. Daß sie dennoch wähnen, sich für wahre Opfer einzusetzen, ist rational nicht mehr begreifbar. Denn die Entlarvung falscher Opfer nützt den echten. Je eher jene detektiert und verurteilt werden, desto mehr haben echte Opfer eine Chance, Gehör zu finden.


Dabei spreche das Buch von Jörg und Miriam Kachelmann ein Problem an, das von juristischen Experten bereits seit einiger Zeit diskutiert wird:

Es ist Miriam Kachelmanns großes Verdienst, diese in Fachkreisen schon länger geführten Diskussionen auf verständliche Art und Weise auch dem Laienleser nahegebracht zu haben, dem diese Dinge fremd sind. Der aber, falls männlich, jederzeit, in Ehekrisen, Trennungsauseinandersetzungen, Sorgerechts- und Umgangsstreitigkeiten, in dieselbe Situation des unbegründeten Vorwurfs eines Sexualdelikts geraten kann. Und dann in eine opferzentrierte Justiz hineingerät, in dem seine Aussage nichts wert ist, sondern von vorneherein als Schutzbehauptung abqualifiziert wird.


Auch zur Streitfrage, wie hoch denn nun die Rate der Falschbeschuldigungen bei angeblichen sexuellen Übergriffen sei, äußert sich Gabriele Wolff sachkundig:

Gegen den Vorwurf der Mehrheit der Falschbeschuldigungen werden gebetsmühlenhaft Zahlen ins Feld geführt, die eine 3%-Quote, europaweit eine von 1 – 9%, von Falschbeschuldigungen bei Sexualdelikten, und damit eine zu vernachlässigende Größe, insinuieren. Dieses ›Argument‹ ist leicht widerlegbar. Grundlage dieser Behauptungen ist nämlich eine Studie hauptberuflicher Feministinnen in einer akademischen Soziologen-Nische, auf die sich auch Alice Schwarzer gern bezieht.

(...) Nach Einschätzungen der Praktiker bewegt sich die Falschbeschuldigungsquote (...) zwischen 30% – 80% (wobei es sich auch um nicht-intentionale Falschbeschuldigungen aufgrund psychischer Erkrankung oder wegen Alkohol- und Drogenmißbrauchs, Fremd- oder Autosuggestion handeln kann; nicht selten werden auch Sachverhalte als Vergewaltigung angezeigt, die keinen Straftatbestand erfüllen). Wie zutreffend diese Einschätzungen sind, läßt sich nicht verifizieren. Daß diese Zahlen jedenfalls plausibler sind als die feministischen Einschätzungen (1-9%), ergibt sich aus der korrespondierenden Zahl der mangels Tatnachweis eingestellten Verfahren bei den Staatsanwaltschaften.


Wer die nötige Zeit dafür aufbringen kann: Gabriele Wolffs Artikel, in dem übrigens erfreulicherweise auch AGENS e.V. zitiert wird, ist in Gänze lesenswert. Sehr erfreulich sind nicht zuletzt die Hinweise auf weitere juristische Konflikte, die Jörg Kachelmann in den letzten Tagen gewonnen hat.

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