Beschneidung: Ignoranz und Sexismus
Einen der besten Artikel zur Beschneidungsdebatte lieferte vor mehreren Wochen bereits Harald Stöcker. Ein Leser machte mich gerade darauf aufmerksam. Einige ausgewählte Auszüge des Artikels habe ich jeweils kurz kommentiert:
Bis zum Kölner Beschneidungsurteil war ich wie fast jeder der Überzeugung, dass die weibliche Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, FGM) eine schwere Menschenrechtsverletzung sei, die männliche "Beschneidung" (Male Genital Mutilation, MGM) jedoch eigentlich kein Problem darstelle. Die Debatte der letzten Wochen und die Flut an Informationen über männliche "Beschneidung" haben das gründlich geändert. Informationen im Übrigen, die für alle frei zugänglich sind.
Nun ja, viele Informationen zu den Anliegen der Männerbewegung sind "frei zugänglich". Aber da sich weder die Machthaber in diesem Land, noch die meisten unserer Journalisten dafür interessieren, gehen sie unter. Von selbst kommt zum Beispiel kaum jemand auf den Gedanken "Och, ich könnte doch heute mal nachrecherchieren, wie die Täterschaft bei häuslicher Gewalt zwischen den Geschlechtern verteilt ist." Sobald wir einmal eine offene Debatte zu all diesen Themen hätten, gäbe es auch dort einen deutlichen Ruck in der Bevölkerung. Wobei zwar kein regelrechter Ruck, wohl aber eine zunehmende Verschiebung seit Beginn des Internetzeitalters ohnehin stattfindet. Die journalistischen Gatekeeper sind nicht mehr in der Lage, diese Informationen außen vor zu halten. Die Beschneidungsdebatte macht dieses System derzeit nur so verdichtet anschaulich wie keine andere.
Der Intaktivist und erklärte Feminist Travis Wisdom spricht sich in seinem Artikel "Questioning Circumcisionism" dafür aus, auch die männliche Genitalverstümmelung als feministisches Anliegen zu begreifen, insofern der Feminismus keine Bewegung gegen Männer, sondern eine Menschenrechtsbewegung gegen Sexismus ist.
Yep. Und wenn der Nationalsozialismus keine menschenverachtende Ideologie, sondern eine Bewegung für Menschenrechte wäre, wäre eine - antisemitismusfreie - Bekämpfung der Genitalverstümmelung sogar ein Anliegen für Nationalsozialisten. Mit anderen Worten: Wir können uns leider keinen Feminismus backen, wie wir ihn gerne hätten, sondern müssen wohl den nehmen, der im Lande herumtobt.
Die Ungleichbehandlung von Kindern allein aufgrund des Geschlechts ist ein klarer Fall von Sexismus. (...) In den jüdisch-christlich geprägten USA trifft es Jungen, in anderen Kulturen Mädchen. Der Unterschied besteht vor allem darin, dass es gegen FGM weltweit Gesetze gibt, sogar in den Staaten, in denen die Tradition verbreitet ist, während MGM gesellschaftlich akzeptierte Praxis ist.
Muss wohl daran liegen, dass wir im frauenunterdrückenden Patriarchat leben.
Travis Wisdom erinnert daran, dass gerade feministische Aktivistinnen sehr viel Erfahrung mit struktureller Gewalt haben, die durch herrschende Diskurse konstruiert, banalisiert und verfestigt wird, und dass gerade sie die nötige Sensibilität haben sollten, um gegen gesellschaftlich akzeptierte und bagatellisierte Diskriminierungen und sexistische Ungerechtigkeiten aktiv zu werden.
Arne Hoffmann hingegen erinnert daran, dass gerade feministische Aktivistinnen sehr viel Erfahrung mit der Ausübung struktureller Gewalt haben und ihre Sensibilität praktisch durchgehend auf Angehörige ihres eigenen Geschlechtes begrenzt ist. Gegen "gesellschaftlich akzeptierte und bagatellisierte Diskriminierungen und sexistische Ungerechtigkeiten", die zu Lasten von Männern gehen, sind noch die wenigsten von ihnen aktiv geworden.
Viele Aktivistinnen in der Bewegung gegen männliche Beschneidung in den USA sind traumatisierte Mütter, die an ihrer Ignoranz verzweifeln, weil sie erst nach der Routinebeschneidung ihrer Söhne auf die entscheidenden Informationen stießen (Dazu zählt auch Marylin Faire Milos, die Gründerin von NoCirc.) Oft sagen sie: "Hätte ich damals gewusst, was ich heute weiß, dann hätte ich niemals zugestimmt."
Na, dann haben wir ja gute Chancen, dass in ein paar Jahrzehnten auch das männerfeindliche Pack in der Wikipedia an seiner Ignoranz verzweifelt und erklärt: "Hätte ich damals gewusst, was ich heute weiß, hätte ich bei der Dämonisierung der Männerrechtsbewegung niemals mitgemacht." Sich vorher ein paar Gedanken zu machen schadet nie.
Wir erwarten normalerweise, dass die Frontlinie des Feminismus zwischen den Geschlechtern verläuft. Aber in diesem Fall ist der Mann ein Säugling oder ein Kind, und er ist kein Feind.
Zum Feind wird er aber dann schon, sobald er kein Kind mehr ist?
Die hanebüchenste Begründung dafür, beide Formen der Genitalverstümmelung unterschiedlich zu behandeln, habe ich in einer Erklärung des Zentralrats der Juden gelesen: "Es sollte nicht übersehen werden, dass die Beschneidung einer Frau nicht auf religiösen Gründen basiert, sondern auf kulturellen Traditionen und Mythen." Die Implikation dieser nackten Unverschämtheit anderen "kulturellen Traditionen und Mythen" gegenüber dürfte den Kämpfern gegen die FGM kaum gefallen: Wären die Traditionen keine bloß "kulturellen", sondern ebenfalls "religiöse", so wäre die Verstümmelung der weiblichen Geschlechtsteile genauso in Ordnung wie die der männlichen!
Diese Sätze stellen die moralische Bankrotterklärung des Zentralrats der Juden dermaßen bloß, dass man davon eigentlich nur noch ablenken kann, indem man ganz laut "Antisemitismus!" krakeelt.
Wer den vollständigen Artikel lesen möchte, ohne dass ständig jemand dazwischenlabert, findet ihn hier. Meinen sarkastischen Kommentare unbenommen ist es tatsächlich einer der besten Artikel gegen Genitalverstümmelung, die ich in den letzten Wochen gelesen habe. Das Blog enthält auch ansonsten lesenswerte Artikel; der aktuellste Beitrag ist Auf die Straße, Muslime!
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