Lesermail (Gute Jungen, böse Männer?)
Genderma-Leser R.S. teilt mir seine Wertschätzung für das in meinem Blog verfolgte Anliegen mit und fährt fort:
Ein Anliegen, das ich übrigens für eine höchst komplexe Angelegenheit halte. Diese Komplexität zeigt sich vielleicht auch in dem folgenden Einwand, den ich für ein folgenschweres Ungemach in der Dabatte halte! Dies bezieht sich auf den Blogbeitrag "Böse Jungs? Arme Jungs?", in welchem auf Statements von Herrn Prof. Ulf Preuss-Lausitz verwiesen wird.
Der werte Professor bringt dort eine auffällige Dualität zum Ausdruck indem er sagt: "Zudem werde in manchen Familien und auch von Lehrern die Jungenrolle zu sehr auf das Männliche und somit Schwierige verengt."
Das Männliche wird also hier mit dem Schwierigen konnotiert.
Eine solche Ausage halte ich für ungeheuerlich. Hier wird rigide zwischen Junge und Mann, und damit letztlich zwischen Kind und Erwachsenen ausgespielt. Der Junge taucht hier als eine Form des Männlichen auf, die gesellschaftlich idealisiert bzw. phantasmatisch überhöht wird. Der Mann, als Perspektive des Jungen, bleibt das Reich des Bösen. Der Mann ist aber letztlich die Zukunft eines Jungen. Sie wird ein immanenter Teil seiner Biographie werden.
Ich befürchte, das sich in solch einer Idealisierung eine regressiv narzisstische Pathologie zeigt, die auf eine Infantilisierung unserer Gesellschaft verweist. Ich sehe hier eine Gefahr, die in der ganzen Jungendebatte gefährlich unterschätzt wird.
Wer Jungen auf solch eine Weise von ihrem zukünftigen Mannsein abtrennt, stiehlt ihnen ihre Perspektive, Zukunft Entwicklung und Raum für ihre Emanzipation. Ihnen wird letztlich der Kernpunkt ihrer Gesundheit vorenthalten, nämlich Kohärenz.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf ein gut eingeübtes Vorurteil der pädagogischen Rationalität eingehen. Ich möchte daher an dieser Stelle kurz erwähnen, dass ich als Kinderkrankenpfleger, der seit Jahrzehnten im klinisch sozialpädiatrischen Bereich arbeitet und für die Belange und das Wohlergehen der mir anvertrauten Kinder und Jugendlichen direkt und unmittelbar mit verantwortlich ist, nicht bestätigen kann, dass Jungen zu ihren Ängsten, Gefühlen und Befindlichkeiten keinen Bezug hätten und diese nicht zum Ausdruck bringen könnten. Ich halte diese Behauptung für eine perfide Lebenslüge einer feministisch orientierten pädagogischen Ideologie die sich in unserer Gesellschaft auf fatale Weise zementiert hat. Jungen haben wie auch die Mädchen einen außerordentlichen intensiven Bezug zu ihrem Körper, ihrem Geist und ihrer Seele. Man muss die Bereitschaft entwickeln, dies auf eine geschlechtsspezifische Weise erkennen zu wollen. Indem man Jungen sugeriert dass sie dies nicht beherrschen, stiehlt man ihnen vorsätzlich einen wesentlichen Teil ihrer persönlichen Integrität.
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