Donnerstag, Juni 07, 2007

"Der Haken schmerzt jetzt schier unerträglich"

Für den folgenden Hinweis danke ich ganz herzlich Genderama-Leser C.K.: Er machte mich aufmerksam auf auf einen Artikel Prof. Dr.
Susanne Baers, Professorin für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität Berlin und ehemalige Vizepräsidentin dieser Hochschule. Der Beitrag ist aktuell in der Zeitschrift "Forschung und Lehre" des 22.000 Mitglieder umfassenden Deutschen Hochschulverbands erschienen.

Baer unterstützt in ihrem Artikel die Forderung, „Gleichstellung zu einem harten Kriterium bei der Stellenbesetzung oder bei der Mittelzuwendung zu machen“ und behauptet (ohne Belege), „dass talentierte Frauen zur wissenschaftlichen Arbeit – von der Studienwahl über das Studium bis zur Promotion und den post-docs – weniger gefördert werden als Männer“. In diesem Zusammenhang fragt sie: „Was tun wir auch gegen sexuelle Belästigung und Alltagssexismen, immer noch eher Tabu oder `Bagatelle´ an deutschen Hochschulen und in Forschungseinrichtungen?“ – wofür sie Beispiele, geschweige denn Belege erneut schuldig bleibt. Sie beklagt: „Der kognitive Widerstand gegenüber dem Befund der Ungleichbehandlung von Frauen und Männern ist gerade in der Wissenschaft immens.“ (Was kein Wunder ist, weil gerade Wissenschaftler für abenteuerliche Behauptungen doch gerne wenigstens den einen oder anderen Beleg hätten.)

Schließlich nennt Baer drei Gründe für eine Gleichstellungspolitik im akademischen Bereich: das Ideal der Chancengleichheit, die Vermutung, dass anderenfalls Talente verlorengingen, und schließlich die Behauptung, dass Akademikerinnen aufgrund von Vorurteilen ausgesiebt werden, wobei sie erstmals wenigstens in die Nähe eines Belegs gelangt: „Aber wenn heute sogar Journale wie Science und Nature Nachweise zum `gender bias´ publizieren oder nachgewiesen werden kann, dass ein Text mit Angabe eines als Mann identifizierbaren Autors deutlich besser beurteilt wird als ein Text einer nicht geschlechtsidentifizierbaren Person, und dieser immer noch besser als der einer als Frau identifizierbaren Autorin – dann ist es doch höchste Zeit, sich von dieser Illusion zu befreien.“ Eine etwas genauere Quellenangabe hätte man schon gerne gehabt, um sich mit diesen angeblichen Erkentnissen auseinandersetzen zu können. Aber selbst wenn sie zutreffen würden, widerlegt das natürlich nicht die von Baer rein rhetorisch ins Zwielicht gerückte Behauptung, Frauen würden aus Gründen der persönlichen Lebensplanung heraus weniger häufig akademische Karrieren einschlagen als Männer. Der Sprung zu einer nicht näher beschriebenen „Gleichstellungsoffensive“ erscheint erst recht sehr kühn.

Baer gelangt zu dem Fazit:

Forschung ohne Reflektion auf Gender, also auf die jeweilige Bedeutung von Geschlecht im Zusammenwirken mit anderen sozial relevanten Kategorien, ist schlicht defizitär. (...) Eine Gleichstellungsoffensive ist daher nicht nur eine Reaktion auf Fragen der Gerechtigkeit und ökonomisch notwendig – sie ist in der Wissenschaft auch eine Qualitätsoffensive. (...) Wer das thematisiert, macht sich nicht beliebt, denn hier geht es eben um die akademische Identität schlechthin. Die Öffnung der Wissenschaft für Frauen, die Veränderung der Wissenschaftskulturen und die Reflektion auf Geschlecht hängen zu eng miteinander zusammen.

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