"Fast 40 Prozent der 18- bis 30-Jährigen sagen, dass sie Frauen verstehen, die Männer hassen"
1. "Die Welt" hat den Gesellschaftstheoretiker Vincent Cocquebert dazu interviewt, wie sich die Geschlechter derzeit auseinander bewegen.
WELT: Ihren Erkenntnissen zufolge gibt es eine noch nie dagewesene affektive und beziehungsorientierte Polarisierung zwischen Männern und Frauen. Wird das Zusammenleben der Geschlechter grundlegend neu definiert wird? Und wie äußert sich das?
Vincent Cocquebert: Nach mehreren Jahrzehnten einer relativen Annäherung der Wertvorstellungen zwischen Männern und Frauen (in den Siebzigerjahren bis Mitte der 2000er-Jahre) erleben wir jetzt eine entgegengesetzte Entwicklung: Eine affektive, kulturelle und politische Polarisierung. Mittlerweile wird das andere Geschlecht immer häufiger als eine Art Bedrohung angesehen und nicht als Partner. Fast 40 Prozent der 18- bis 30-jährigen in Frankreich sagen (laut dem französischen Meinungsforschungs- und Marktforschungsinstituts IFOP), dass sie "Frauen verstehen können, die Männer hassen". Verführung ist ihnen suspekt, eine wirkliche Verbindung riskant, und so entschließen sich viele, Beziehungen gänzlich zu vermeiden.
Dieses mangelnde Vertrauen ist auch daran zu erkennen, dass immer mehr Sezessionsbewegungen auftauchen, wie die Incels, eine in den USA entstandene Internet-Subkultur heterosexueller Männer, die keinen Geschlechtsverkehr und keine romantische Beziehung haben; oder auch 4B in Südkorea, eine feministische Bewegung, in der Frauen weder heiraten, noch Kinder bekommen, daten oder eine sexuelle Beziehung zu einem Mann eingehen wollen. Andere zeigen ein Desinteresse für die Dialektik von Intimität: Was früher als romantisch bezeichnet wurde, gilt jetzt als pathologisch oder wird mit einer Dimension des sozialen Kampfes behaftet.
Auch Freundschaften gibt es immer weniger, es bilden sich weniger Paare, die Geburtenrate befindet sich im freien Fall und in sämtlichen westlichen Gesellschaften haben junge Erwachsene immer weniger sexuelle Beziehungen. All das drückt sich immer häufiger in den vollkommen unterschiedlichen Werten und manchmal auch den ganz anderen Wahlentscheidungen von Männern und Frauen aus, in stark polarisierten kulturellen Debatten und durch die unterschiedlichen digitalen Welten der Geschlechter. Um es einfach zu sagen: Was in den Schlafzimmern passiert (oder eben nicht mehr passiert), das wirkt sich auch an den Wahlurnen aus und umgekehrt. Dabei lässt sich übrigens ein erstaunliches Spiegelbild-Phänomen erkennen: Während die Intimität politisch geworden ist, nimmt die Enthaltung oder Abstinenz gleichzeitig auch an den Wahlurnen und in den Beziehungen zu, was beides auf ein Gefühl der Blockade und des mangelnden Vertrauens zurückzuführen ist.
(…) Bei Debatten in der Öffentlichkeit wird die Terminologie der Genderstudien oft als abstrakt empfunden, wie mir scheint, als realitätsfern und für manche sogar feindselig. Das führt letztlich dazu, dass man sich eher wieder auf die traditionellen Strukturen zurückzieht, und das manchmal sogar bis hin zu extremen politischen Formen. Dabei lässt sich vor allem eine wahre Metapolitisierung von Sex feststellen: Die Beziehungen zwischen Männern und Frauen wird nicht mehr nur in der intimen Privatsphäre gelebt, sondern werden zu politischen Indikatoren. Die Entscheidung für eine Liebesbeziehung, die Darstellung von Männlichkeit und Weiblichkeit, die Diskussionen über Einvernehmlichkeit oder Verführung werden als ideologische Positionen interpretiert, fast wie bei einer Wahl.
WELT: Sie schreiben diesen Bruch weniger der #MeToo-Bewegung zu als dem Boom von digitalen Technologien, die "revanchistische Subjektivierungen" verstärken. Inwiefern intensivieren denn die Medien diese wechselseitige Empfindung, dass sowohl Männer als auch Frauen der Meinung sind, ihr Leben sei schwieriger als das der anderen?
Cocquebert: Das ist richtig, denn #MeToo ist schließlich nicht ohne Grund aufgetaucht, sondern Teil einer sehr viel tiefergehenden Dynamik: aus einem wachsenden digitalen Feminismus, durch die Politisierung der Intimität, einer durch soziale Netzwerke gesteigerten Empörungskultur und letztlich auch einer Vertrauenskrise gegenüber den Institutionen. Wenn sie den Bruch auch nicht selbst kreiert haben, so wurde er durch die digitalen Tools doch verschärft, da die Algorithmen vor allem Wut und Vergleiche mit anderen fördern und dabei den Gedanken verstärken, dass das andere Geschlecht es viel leichter hat im Leben. Junge Männer finden online Diskussionen, in denen man die Schuld für ihr Unbehagen fälschlicherweise der Emanzipation der Frau zuschreibt. Junge Frauen dagegen lesen Berichte, in denen Männer als grundsätzlich feindselig dargestellt werden. Auf diese Weise bekommen beide den Eindruck, dass der andere ihn oder sie benachteiligt, woraus eine Rivalität der Gefühle entsteht, die die "Sexcession" anheizt. Und was es so schwierig macht, dieses Phänomen wieder umzukehren: Es wird von einer tiefgreifenden Veränderung unserer Lebensweise und unserer Vorstellungen unterstützt.
WELT: Ist der Rechtsruck junger Männer (vor allem der weißen) darauf zurückzuführen, dass die progressiven Kräfte ihrer Bevölkerungsgruppe aufgegeben haben? Und ist auf der anderen Seite die Tatsache, dass sich Frauen viel mehr von "progressiven" Argumenten angesprochen fühlen, vielleicht eine Folge ihrer Marginalisierung durch die Konservativen?
Cocquebert: Den Rechtsruck eines Teils der jungen Männer kann man nur dann verstehen, wenn man erkennt, dass diese progressiven Kräfte sie praktisch im Stich gelassen haben. Im Allgemeinen betrachtet man sie nur durch eine Art Filter von Privilegien oder Dominanz, als würden sie sich auf eine "negative Identität" beschränken. In dieses Vakuum haben sich dann die reaktionären und maskulinistischen Diskussionen gedrängt, die einem den Eindruck vermitteln, es handle sich um eine Gemeinschaft und eine hochgeschätzte Identität. Auf der anderen Seite haben Frauen bei den Konservativen nur sehr selten einen Rahmen gefunden, in dem man ihre Forderungen anerkannt hat, weshalb sie sich sehr viel mehr für den Progressivismus engagieren. Diese so gegensätzliche Bewegung – Unmut der Männer auf der einen Seite, feminine Mobilisierung auf der anderen – sorgt dann für den ideologischen, kulturellen und intimen Graben zwischen den Geschlechtern.
2. Die "taz" tut ihr Bestes, um den Hass auf Männer am Lodern zu halten. "Männer sind ein Risiko" ist dort die Überschrift des neuesten Artikels von Thomas Gesterkamp. Diesmal geht es um den Straßenverkehr; bebildert isst der Artikel mit einem offenbar durchdrehenden Mann, der sich in sein Lenkrad verbeißt.
3. Wie heute viele Medien berichten, hat Elon Musk gerade eine erste Version seiner KI-generierten Online-Enzyklopädie Grokipedia gestartet. Sie soll ein "wahrheitsgetreueres und unabhängigeres" Gegenstück zur Wikipedia darstellen, die nicht nur von Musk wegen ihrer redaktionellen Voreingenommenheit und enormen politischen Einseitigkeit kritisiert wird. Diese Schlagseite auch gegenüber der Männerrechtsbewegung, einschließlich mir selbst, war häufig Thema auf Genderama; Links zu entsprechenden Artikeln finden sich auf der Blogroll ganz unten.
Vor diesem Hintergrund ist klar, dass mich vor allem interessiert, ob die Grokipedia die Männerrechtsbewegung realistischer darstellt, als die Wikipedia dies tut. In beiden Enzyklopädien sind die Einträge über diese Emanzipationsbewegung viel zu lang, um sie hier einander gegenüberstellen zu können, aber schon die ersten Absätze sind anschaulich. Beide Enzyklopädien stützen ihre Darstellung zuhauf mit Quellenangaben.
Darstellung der Männerrechtsbewegung in der Wikipedia (Einleitung)
Die Männerrechtsbewegung (MRM) ist ein Zweig der Männerbewegung. Die MRM besteht insbesondere aus einer Vielzahl von Gruppen und Einzelpersonen, die als Männerrechtsaktivisten (MRAs) bekannt sind und sich auf soziale Themen konzentrieren, wie z. B. bestimmte staatliche Dienstleistungen, die ihrer Meinung nach Männer und Jungen benachteiligen oder in einigen Fällen strukturell diskriminieren. Zu den häufig diskutierten Themen innerhalb der Männerrechtsbewegung gehören Familienrecht, wie Sorgerecht, Unterhalt und Aufteilung des ehelichen Vermögens, Fortpflanzung, Selbstmord, häusliche Gewalt gegen Männer, falsche Vergewaltigungsvorwürfe, Beschneidung, Bildung, Wehrpflicht, soziale Sicherheitsnetze und Gesundheitspolitik. Die Männerrechtsbewegung spaltete sich Anfang der 1970er Jahre von der Männerbefreiungsbewegung ab, wobei beide Gruppen Teil der größeren Männerbewegung sind.
Viele Wissenschaftler beschreiben die Bewegung oder Teile davon als Gegenreaktion auf den Feminismus. Teile der Männerrechtsbewegung werden von Wissenschaftlern und Kommentatoren als frauenfeindlich, hasserfüllt und in einigen Fällen als Befürworter von Gewalt gegen Frauen beschrieben. Im Jahr 2018 stufte das Southern Poverty Law Center einige Männerrechtsgruppen als Teil einer Hassideologie unter dem Dach der männlichen Vorherrschaft ein, während andere sich „auf legitime Beschwerden konzentrierten”. Im Jahr 2024 behauptete UN Women, dass Männerrechtsbewegungen insgesamt Bewegungen seien, die sich gegen Menschen- und Bürgerrechte richten.
Hier wird die Arbeitsweise der Wikipedia bereits gut klar: Man sammelt manisch sämtliche Äußerungen von Menschen, die eine verhasste Bewegung kritisiert haben, und kloppt sie gleich in die ersten Absätze, die diese Bewegung darstellen. Das Resultat wird dann als "neutral point of view" verkauft, der ja wohl durch Quellen belegt sei. Es geht um Propaganda und Indoktrination.
Darstellung der Männerrechtsbewegung in der Grokipedia (Einleitung)
Die Männerrechtsbewegung (MRM) ist eine dezentrale soziale und politische Initiative. Sie setzt sich aus Aktivisten, Autoren und Organisationen zusammensetzt, die sich für Reformen einsetzen, die sich mit rechtlichen, institutionellen und kulturellen Benachteiligungen befassen, von denen Männer unverhältnismäßig stark betroffen sind, wie z. B. Vorurteile im Familienrecht, Lücken in der Unterstützung für männliche Opfer von Gewalt und eine höhere Sterblichkeit von Männern durch Selbstmord, Arbeitsunfälle und Inhaftierung. Sie entstand in den 1970er Jahren aus dem Männerbefreiungszweig der breiteren Männerbewegung und kritisierte Aspekte des Einflusses der zweiten Welle des Feminismus auf politische Maßnahmen wie die einvernehmliche Scheidung und die Unterhaltsvermutungen zugunsten von Müttern. Dabei positionierte sie sich als Vorreiterin für echte Geschlechtergerechtigkeit und nicht als Gegnerin der Frauenförderung.
Zu den zentralen Themen gehören die Rechte der Väter, wobei empirische Daten zeigen, dass Mütter in etwa 80 bis 90 % der umstrittenen Fälle in den USA das alleinige Sorgerecht erhalten, was zu Kampagnen für eine vermutete gemeinsame Elternschaft führt; die Entbehrlichkeit von Männern in gefährlichen Berufen, wobei Männer über 90 % der Todesfälle am Arbeitsplatz ausmachen; und die schlechten Bildungsleistungen von Jungen, die mittlerweile bei den Einschreibungs- und Abschlussquoten an Hochschulen hinterherhinken. Die Bewegung hebt kausale Faktoren wie biologische Geschlechtsunterschiede in Bezug auf Risikobereitschaft und gesellschaftliche Erwartungen an die Versorgung durch Männer hervor und argumentiert, dass diese zur Überrepräsentation von Männern in Gefängnissen (93 % der US-Häftlinge) und Selbstmorden (viermal so hoch wie die Rate bei Frauen weltweit) beitragen.
Wichtige Persönlichkeiten wie Warren Farrell haben in Werken wie "The Myth of Male Power" (1993) Behauptungen über die "Machtlosigkeit der Männer" untermauert, indem sie dokumentierten, wie entbehrliche Rollen und rechtliche Vermutungen das Wohlergehen von Männern untergraben, und damit den globalen Diskurs über Geschlechterdynamiken beeinflusst. Zu den Errungenschaften zählen ein gesteigertes Bewusstsein, das zu gesetzgeberischen Initiativen für gerechtere Sorgerechtsgesetze in Ländern wie Australien und Großbritannien geführt hat, sowie Proteste von Gruppen wie "Fathers 4 Justice", die die Entfremdung von Vätern thematisiert haben.
Kontroversen entstehen durch die Charakterisierung der MRM als antifeministisch oder frauenfeindlich, oft durch Quellen mit institutionellen Vorurteilen gegenüber progressiven Geschlechternarrativen. Die Befürworter konzentrieren sich jedoch weiterhin auf nachweisbare Ungleichheiten, ohne die historischen Ungerechtigkeiten gegenüber Frauen zu leugnen, und betonen datengestützte Interessenvertretung gegenüber ideologischen Konflikten.
Die Grokipedia bezieht also ebenfalls eindeutig Partei, aber als jemand, der seit einem Vierteljahrhundert in der Männerrechtsbewegung tätig ist und ihre Entwicklung in Büchern und diesem Blog dokumentiert, muss ich sagen, dass die Darstellung der Grokipedia bei weitem realistischer ist. Es wäre schon einiges gewonne, wenn Journalisten begännen, sich beide Standpunkte anzuschauen, bevor sie ihren nächsten Artikel in die Tasten hämmern. Dass es sich bei der Männerrechtsbewegung fast immer um Schmäh-Artikel handelt, liegt auch daran, dass es sich die meisten Journalisten einfach machen und sich an der Wikipedia orientieren. (Es hatte schon gute Gründe, dass Ideologen sie sich als wertvolles Propagandainstrument erkämpft haben.) Das dürfte in Deutschland eher nicht geschehen, wo die Medien ihrem liebsten Rechercheinstrument unkritisch gegenüberstehen und dafür jetzt schon gegen die Grokipedia Stimmung machen. In den USA, wo der Meinungskorridor weniger verengt ist, halte ich das aber durchaus für denkbar. Womöglich führt das zu einer Verschiebung der Diskurse, von der auch die Jungen und Männer in Deutschland profitieren können.
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