Grüner Sexismus: "Das Tor zur Hölle hat sich nicht aus Zufall geöffnet"
Auch am Wochenende war der Sexismus, der sich bei den Grünen im Umgang mit ihrem Mitglied Stefan Gelbhaar entpuppte, Thema in mehreren erwähnenswerten Artikeln.
So schreibt Sabine Rennefanz auf Spiegel-Online:
Die #Metoo-Bewegung ist mittlerweile 8 Jahre alt. Es wurden Erfahrungen gesammelt, Frauen wurde geholfen und Urteile vor Gerichten gefällt. Aber die vergangenen Jahre haben auch gezeigt, wie wichtig es ist, Vorwürfe genau zu prüfen und zu unterscheiden: Handelt es sich um juristisch relevante Straftaten, um Machtmissbrauch oder um einen moralischen Fehltritt? Dass die Grünen diese Genauigkeit offensichtlich nicht aufbringen, ist unverzeihlich.
(…) Unter jungen grünen Aktivistinnen ist offenbar die radikale Denkrichtung stark vertreten, die alle Männer mit Macht pauschal als Täter sieht. Die jedes Hinterfragen einer weiblichen Äußerung bereits als Beleg für "toxische Männlichkeit" nimmt. Der Fall Gelbhaar zeigt, dass es offenbar auch "toxische Weiblichkeit" gibt.
Unter der Überschrift "Jeder Mann steht unter Generalverdacht, jede Frau gilt als potenzielles Opfer" bewertet Hannah Bethke in der "Welt" das Erbe von MeToo ähnlich kritisch:
Rund sieben Jahre nach dem ersten MeToo-Skandal sind die Maßstäbe verrutscht. Was mit einer historischen Bewegung gegen sexuelle Belästigung von Frauen begann, ist in zwei Extreme umgeschlagen, die zu einer rapiden Verschlechterung des gesellschaftlichen Miteinanders geführt haben.
Gelbhaars Fall zeige
wie sehr die Hemmschwelle zur Lüge, willentlichen Schädigung anderer Personen und moralischen Erpressung gesunken ist. Und das verrät nicht bloß etwas über die Abgründe seiner Partei, die hier systematisch versagt und vermeintlich diskriminierungssensibel die Unschuldsvermutung ins Gegenteil verkehrt hat. Die Genese der vorschnellen Anklage wird vielmehr durch ein gesellschaftliches Klima des Misstrauens begünstigt, das im Gefolge von MeToo gleichzeitig kategorische Abwehr und überbordende Vorsicht erzeugt.
So wichtig es am Beginn der Bewegung war, den Missbrauch von Abhängigkeiten, das System sexueller Belästigungen, mitunter der Gewalt gegen Frauen zu durchbrechen, so fatal ist es nun, als Zeichen des Bewusstseinswandels Verhaltenslehren der Sterilität zur Maßgabe eines korrekten Umgangs zwischen den Geschlechtern zu machen. Nicht nur in der Politik, auch in Betrieben, in Kultureinrichtungen und Universitäten grassiert unter Männern die Sorge, unrechtmäßig der sexuellen Belästigung bezichtigt zu werden.
Wer indes solche Folgen kritisiert, muss mit Häme rechnen. Zeitgemäße diskursive Reflexe drehen den Spieß gern um und spotten über die vermeintlich armen Männer, die Frauen erst jahrhundertelang unterdrückt hätten und jetzt Mitleid wollten. Doch derlei Spott ist in der Sache verfehlt. Es geht nicht darum, das Patriarchat wieder aufleben zu lassen oder Repression zu verschleiern.
Es geht um die Frage, in welchem gesellschaftlichen Klima wir arbeiten und leben wollen. Treten Befangenheit, Sorge und Ängstlichkeit an die Stelle eines unbeschwerten Miteinanders, hat das nichts mehr mit Gleichbehandlung, Respekt oder gar Emanzipation zu tun. Ein solcher Umgang ist auch nicht liberal, sondern vor allem unfrei.
(…) An manchen Universitäten etwa ist es für Dozenten mittlerweile üblich, die Bürotür nicht zu schließen, wenn sie Sprechstunden mit Studenten ausrichten. Die Gefahr sexueller Übergriffe soll damit gebannt werden. Man kann das als notwendige Sicherheitsmaßnahme verstehen, als Reaktion auf Grenzüberschreitungen, die sich in bestimmten Fällen ereignet haben. Doch es geht davon noch ein anderes Signal aus: Jeder Mann steht unter Generalverdacht, jede Frau gilt als potenzielles Opfer. Dass es ganz andere Gründe geben könnte, die Tür zu schließen, zum Beispiel, weil eine Studentin ungestört ihre Ideen vortragen möchte, kommt in der Ideologie der Safe Spaces überhaupt nicht mehr in Betracht.
In der Berliner "taz" ist von einem grünen Desaster die Rede:
"Es gilt als feministische Partei, Betroffenen zu glauben", sagte in dieser Woche Jette Nietzard, die Bundessprecherin der Grünen Jugend. Die Unschuldsvermutung, die andere in der Partei jetzt stärken wollen? Gelte vor Gericht, nicht für die Grünen. (…) Und wenn die eine Grundsatzfrage geklärt ist, bleibt noch die andere: Was folgt aus einem Vorfall, wenn er denn erst mal als wahr gilt? Wenn die Partei das Vergehen als bestätigt wertet: Muss sein Mandat verlieren, wer dreimal ungeschickt flirtet? Muss es dafür körperlich werden? Oder gar strafrechtlich relevant? Und wer entscheidet am Ende darüber? All diese Fragen sind in der Partei strittig.
Ebenfalls in der "taz" findet Carolina Schwarz, an "feministischen Selbstverständlichkeiten wie Believe the Women" solle man jetzt bitte nicht rütteln. Wie so oft sind unter einem missglückten "taz"-Artikel Leserkommentare darunter zitierenswerter. So schreibt "Emmo" zu dem Beitrag:
"Falschbeschuldigungen kommen nur in den seltensten Fällen vor"
Woher weiss die Autorin das? Welche Zahlen nimmt sie als Quelle? Oder ist da der Wunsch Mutter des Gedankens?
Der der Patriarchatsunterstützung sicherlich unverdächtige Forist Lowandorder meinte am 19.1. hier inner taz:
"… eine Hamburger Strafrichterin berichtete beim Richterratschlag ua im Zusammenhang mit gesellschaftlicher Relevanz/Auswirkungen von #metoo - es sei erschreckend in welcher Höhe (an die 70 % ihrer Fälle im Zuge) sich während der mündlichen Verhandlungen sich die Anwürfe als unhaltbar herausstellten - einschließlich der Bandbreite der dahinterstehenden Motive. Und das alles trotz “Vorfilter“ von Polizei StA & RAs.
&
Beim Kongress der KritJur in Ffm - stimmte die RAin Burgsmüller - feministisches Urgestein "#me too ist für mich moderner Pranger!" zu. Und fuhr fort "Ich kann es meinen Geschlechtsgenossinnen nicht ersparen: Aber derzeit besteht meine Arbeit in gut 50 % der Fälle darin - Anzeigen Klagen etc auszureden! Weil die vorgebrachten Anschuldigen vorne & hinten nicht stimmen!"
Quelle: taz.de/Wende-in-de...059786&s=gelbhaar
Der "taz"-Leser Uwe 81 schreibt:
"Believe the women" ist in diesem Fall (bitte keine Verallgemeinerung) auch deshalb schwierig, da sich auch einige Frauen mit feministischem Hintergrund bei den Grünen für Gelbhaar einsetzen. Wem soll Mensch dann glauben?
Ja, die feministische Maxime, Frauen statt Männern zu glauben, wird knifflig, wenn Weibsvolk plötzlich dieselbe Auffassung wie Männer vertritt. Das bringt dorch die ganze Geschlechterhierarchie bei der Wahrheitsfindung durcheinander!
Falschbeschuldigungen sexueller Gewalt sind auch deshalb so häufig, weil die Täterinnen praktisch keinen Folgen befürchten müssen, wenn sie auffliegen. Das erklärt der auf Sexualstrafrecht spezialisierte Rechtsanwalt Alexander Stevens in der Berliner Zeitung:
"Leider stehen die Konsequenzen falscher Angaben, ob Falschaussage, falsche eidesstattliche Versicherung oder falsche Verdächtigung in keinerlei Relation zu den Folgen, die diese hätten, wenn die Falschheit nicht ans Licht kommt", so Stevens. Die Abschreckung, Behörden und Gerichte aus welchen Gründen auch immer zu belügen, ist in Deutschland laut Stevens relativ klein und steht in keinerlei Verhältnis zu den Folgen, die drohen, wenn der Lüge geglaubt wird.
"Wird man etwa fälschlicherweise einer Vergewaltigung beschuldigt, führt das im Falle einer Verurteilung zu bis zu 15 Jahren Gefängnis, wohingegen die falsche Verdächtigung meist mit einer kleinen Geldstrafe geahndet wird." Stevens geht davon aus, dass Gelbhaar eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren gedroht hätte, wenn der erfundene übergriffe Kuss, den Kreße erfunden hat, vor Gericht gelandet wäre.
Die "Rape Culture" im "Patriarchat" geht hier also sehr eindeutig zu Lasten der Männer. (Die Gründe? Unklar.)
Insofern dürfte eine Frage ungehört verhallen, die Anna Clauß auf Spiegel-Online zum Fall Gelbhaar stellt: Wo bleibt eigentlich der Aufschrei der Feministinnen?
Dass Robert Habeck und fast alle anderen Grünen-Spitzenpolitiker zu all dem bislang auffällig stumm bleiben, ist wenig verwunderlich. Schließlich ist Wahlkampf. Was stattdessen seltsam ist: Wo bleibt der Aufschrei der #MeToo-Bewegung? Falsche Verdächtigungen schaden ja nicht nur Männern, sondern auch allen Frauen. Vor allem den Opfern echter Übergriffe, denen künftig noch zögerlicher geglaubt werden dürfte. Als die Chefin der Grünen Jugend Jette Nietzard vor ein paar Tagen sinngemäß sagte, die Unschuldsvermutung gelte vor Gericht, aber nicht in einer Partei – gab es da Widerspruch von Feministinnen? Öffentlich vernommen hat man ihn nicht.
(…) Vielleicht liegt das Schweigen vieler Feministinnen aber auch an einer anderen #MeToo-Maxime, über die niemand so gern spricht: False Balance! Es gibt so viele weibliche Opfer männlicher Gewalt, dass ein männliches Opfer weiblicher Verleumdung nicht weiter ins Gewicht fällt! Dass neuerdings auch Männer unverschuldet zu Opfern werden können, halten manche womöglich für eine Art späte Wiedergutmachung. (…) Viele Männer werden Mitleid mit dem armen Kerl haben. Manche Frau aber wird sich insgeheim fragen: Was, wenn er zwar kein Vergewaltiger, aber ein schmieriger Kerl war, der Frauen in den Ausschnitt gestarrt hat? Ist es da ein Wunder, dass es ihn trifft?
"Fehlende Empathie und fehlendes Interesse an den Opfern von Rufmordkampagnen treiben Männer aus nachvollziehbaren Gründen in eine Art Abwehrhaltung, die nicht zielführend ist", findet Anja Clauß. "Wer Übergriffe gegen Frauen verurteilt, muss Falschverdächtigungen gegen Männer genauso hart kritisieren."
Es ist bemerkenswert, dass diese Einstellung von keiner einzigen Feministin öffentlich geteilt wird.
Jan Fleischhauer schließlich kommentiert den Fall so:
Gibt es einen vergleichbaren Fall in der deutschen Parteiengeschichte? Ich kann mich an keinen erinnern. Dass man in der Politik mit Gerüchten und Unterstellungen arbeitet, um Konkurrenten zu Fall zu bringen, das hat es immer wieder gegeben. Aber eine Verleumdung, die eine Karriere zerstört, ohne dass jemand aus der Parteispitze auch nur eine Nachfrage stellt: Das ist einmalig. Auch einmalig beängstigend.
(…) Bei Journalisten abgegebene Versicherungen an Eides statt kennt das Strafrecht nicht, sie sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Wie eine Nachfrage des „Tagesspiegel“ ans Licht brachte, hat der RBB sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Identitäten der angeblichen Zeugen zu prüfen. Eine eidesstattliche Versicherung ohne Geburtsdatum und ladefähige Adresse: Das gibt es nur in der Berliner Welt.
Muss man noch erwähnen, dass die personellen Verflechtungen der Redaktion mit der grünen Partei außergewöhnlich eng sind? Man kennt sich, man schätzt sich. Der heutige Wahlkampfmanager der Grünen, Andreas Audretsch, der den Machtkampf gegen Gelbhaar für sich entschied: ein ehemaliger RBB-Redakteur. Der Ehemann der Berliner Spitzenkandidatin für die Bürgermeisterwahl Bettina Jarasch: war unter anderem Leiter der Abteilung "Aktuelle Magazine".
(…) Das Tor zur Hölle hat sich nicht durch Zufall geöffnet. Der Verzicht auf die Unschuldsvermutung ist bei den Grünen kein Versehen, es ist für sie Ausdruck von Fortschrittlichkeit. Die Parteispitze hat sich ausdrücklich von dem Prinzip verabschiedet, Anschuldigungen zu überprüfen, bevor man aus ihnen Konsequenzen zieht. „Wir stellen die Betroffenengerechtigkeit in den Vordergrund. Die Perspektive der Betroffenen ist für uns handlungsleitend“, erklärt die Ombudsstelle, bei der alle Verfahren landen, ihr Selbstverständnis.
Und daran soll sich auch nichts ändern. Eine feministische Partei könne sich keine Unschuldsvermutung leisten, erklärte die Vorsitzende der Grünen Jugend, Jette Nietzard, in Verteidigung der Parteilinie. Die Unschuldsvermutung gelte vor Gericht, aber die Grünen seien kein Gericht, sondern eine politische Organisation. Widerspruch vom grünen Kanzlerkandidaten? Keiner, jedenfalls keiner, den man vernehmen konnte. Lassen Sie es uns vielleicht so sagen: Wo immer Grüne demnächst politische Verantwortung übernehmen – von Positionen, in denen sie über das Schicksal von Menschen zu entscheiden haben, sollte man sie besser fernhalten.
Dem Team "Rechtsstaat statt Feminismus" jedenfalls konnte nichts Besseres passieren als der Fall gelbhaar kurz vor der Bundestagswahl. Nachdem den Grünen ihr Sexismus derart auf die Füße gefallen ist, überlegt man sich in deren Lager vielleicht, ob ein anderer Weg nicht doch der vernünftigere ist. Auch wenn man dazu wieder mal diesen vermaledeiten Männerrechtlern zustimmen muss, die seit Jahrzehnten auf diese Schieflage hinweisen.
Dabei steht nicht nur im Fall Stefan Gelbhaar das "Tor zur Hölle" derzeit weeit offen. So hat gerade ein weiterer Verlag die Zusammenarbeit mit dem Fantasy-Autor Neil Gaiman nach (von Gaiman zurückgewiesenen) Vorwürfen sexueller Übergriffe eingestellt.
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