Androzid im Sudan: Männer zu Hunderten erschossen
1. Der Standard berichtet aus dem Sudan:
Auf Kamelen trieben Kämpfer der sudanesischen Miliz Rapid Support Forces (RSF) am vergangenen Woche mehrere Hundert Männer in der Nähe der Stadt El-Fasher zusammen. Zunächst warfen sie ihnen rassistische Beleidigungen an den Kopf, dann richteten sie sie hin.
(…) Insgesamt vier Augenzeugen und sechs Helfer haben Reuters berichtet, dass in einigen umliegenden Dörfern Menschen zunächst zusammengetrieben, und dann Männer von Frauen getrennt und anschließend fortgebracht worden seien. Anschließend seien Schüsse gefallen.
Auch Spiegel-Online berichtet:
Ein Großteil aller Menschen, die in Tawila ankommen, scheint Frauen zu sein. Sie sagen, dass sie von den Männern getrennt wurden, als sie den Sandwall um Faschir erreichten. Die RSF sagte ihnen, dass die Männer später zu ihnen stoßen würden, dann hörten sie Schüsse und seitdem hat niemand die Männer mehr gesehen.
In beiden Artikeln geht es um die eskalierende Gewalt in der sudanesischen Stadt El-Fasher (auch Al-Faschir genannt). Viele Bewohner berichten von Gräueltaten der paramilitärischen RSF-Miliz, die die Stadt eingenommen habe, was von Satellitenbildern sowie von Hilfsorganisationen wie UN, WHO und das Rote Kreuz gestützt wird. Die Miliz streitet sämtliche Vorwürfe ab.
Zum Hintergrund: Der Krieg im Sudan, der seit 2023 andauert, hat seine Wurzeln in einem Brennpunkt von Rivalitäten innerhalb des Militärs und politischen Machtkämpfen. Nachdem 2019 der Langzeitdiktator Omar al-Bashir gestürzt wurde, entwickelte sich ein komplexes Machtgefüge, in dem das Militär und paramilitärische Kräfte – darunter die RSF (Rapid Support Forces) – eine dominante Rolle spielen. Die RSF war in der Vergangenheit schon in Konflikte in Darfur verwickelt, bei denen es zu systematischer Gewalt gegen nicht-arabische Bevölkerungsgruppen kam.
Die strategische Eroberung von Städten wie Al-Faschir zeigt, wie Teilräume des Konflikts zu Schauplätzen heftigster Gewalt gegen Zivilisten werden — nicht nur durch Gefechte, sondern durch gezielte Angriffe auf Krankenhäuser, Flüchtlingslager und medizinische Einrichtungen. Die humanitäre Lage ist katastrophal: Weite Teile der Bevölkerung sind vertrieben, viele Gebiete unzugänglich, Hilfe schwer zu leisten, und die Dokumentation der Ereignisse extrem erschwert.
2. Der Berliner Tagesspiegel und der Kölner Stadt-Anzeiger berichten über die Situation russischer Soldaten. Im Tagesspiegel heißt es:
Ein neuer Bericht des unabhängigen russischen Mediums "Verstka" zeigt, wie grausam russische Armeechefs Soldaten ihrer eigenen Truppen bei Ungehorsam foltern und exekutieren. Die am vergangenen Dienstag veröffentlichte Recherche beruft sich dabei auf zahlreiche Berichte von russischen Frontsoldaten, Angehörigen der Gefallenen, auf offizielle russische Beschwerdeakten und auf Videomaterialien, die von Militärbloggern in sozialen Netzwerken geteilt wurden.
Die Folterungen und Exekutionen wurden dem Bericht zufolge von 101 mutmaßlichen Tätern an eigenen Truppenangehörigen begangen. Mindestens 150 Todesfälle seien im Nachgang im Zusammenhang mit den Gräueltaten verifiziert worden, berichtet "Vertska" – wobei die Dunkelziffer weitaus höher liegen dürfte. Trotz detaillierter biografischer Daten der Täter, wie etwa Name, Dienstgrad, Alter oder Einheit und einer "umfangreichen Beweislage" sei fast keiner der Schuldigen zur Rechenschaft gezogen worden, heißt es in der Recherche.
(…) Nach Zeugenaussagen russischer Frontsoldaten sollen Kommandeure in den eigenen Reihen sogenannte "Exekutionsschützen" benannt haben, die im Fall von Befehlsverweigerungen das Feuer auf ihre Kameraden eröffnen sollen. Die Leichen werden den Angaben zufolge in Flüssen oder flachen Gräbern entsorgt. Die Toten sollen im Anschluss als Deserteure oder im Einsatz Gefallene gelistet werden.
(…) Ein russischer Soldat namens "Alexei" berichtete dem Medium von Foltermethoden, die martialischen Gladiatorenkämpfen bis zum Tod ähneln. So seien einige seiner Kameraden nach einem unerlaubten Trinkgelage mit Handschellen in eine zwei Meter tiefe und breite Grube geworfen wurden. Anschließend habe man ein schweres Metallgitter oben auf die Öffnung gelegt und die Grube bis zum Rand mit Wasser gefüllt.
"Das heißt, man versuchte einfach, wie ein Fisch Luft durch das Gitter zu schnappen. So haben sich die Kommandanten dort vergnügt", berichtet "Alexei". Die Soldaten, die das stundenlange Martyrium überlebten, seien mit Lungenentzündung ins Krankenhaus gebracht oder wieder an die Front geschickt worden.
Ein Soldat von der 114. Motorisierten Infanteriebrigade mit dem Rufnamen "Yuri" berichtete von Kämpfen in Gruben, die bis zum Tod ausgetragen wurden. So habe man mehreren Kameraden in der Grube gesagt: "Leute, wenn ihr rauswollt, dann kämpft. Wer bleibt, der kommt auch raus", schilderte "Yuri". "Können Sie sich vorstellen, dass man gegen einen Kameraden kämpfen muss, der einen vorher im Gefecht geschützt hat? Da sterbe ich lieber selbst", so der Soldat.
Der Stadt-Anzeiger fügt hinzu:
Dem Bericht zufolge ernannten Kommandeure "Hinrichtungsschützen", um das Feuer auf Verweigerer zu eröffnen und ihre Leichen zu beseitigen. In anderen Fällen sollen Offiziere Drohnenpiloten befohlen haben, Granaten auf ihre eigenen verwundeten oder sich zurückziehenden Männer abzuwerfen, um die Tötungen als Kampfhandlungen zu tarnen.
(…) Verstka verbindet mehrere Tötungen auch mit finanzieller Erpressung. Kommandeure sollen Zahlungen verlangt haben, um Soldaten von Himmelfahrtskommandos zu verschonen. Wer nicht zahlen konnte, wurde "genullt" – der Armee-Slang für eliminiert. Andere wurden als "mayachki" (Leuchtfeuer) eingesetzt, um feindliches Feuer auf sich zu ziehen.
Bei den meisten Tätern handle es sich um Offiziere mittleren Ranges. Kaum einer wurde zur Rechenschaft gezogen. Eine Quelle in der Militärstaatsanwaltschaft erklärte gegenüber dem Medium, es gebe ein informelles Verbot, gegen Kommandeure in Kampfzonen zu ermitteln: "Sie sagen: 'Wenn wir das aufrollen, könnte es den Operationen schaden.' Das bedeutet, diese Offiziere genießen totale Straffreiheit."
3. Seit die Ukraine ihre Gesetze gelockert hat, wenn es darum geht, das Land zu verlassen, sind etwa 100.000 Männer im kampffähigen Alter geflohen. Der verlinkte Artikel der britischen Daily Mail erwähnt auch, welche Folgen das für die Debatte in Deutschland hat:
Die extreme Rechte hat Berlin aufgefordert, die Hilfszahlungen an ukrainische Flüchtlinge auszusetzen und die militärische Unterstützung für Selenskyj einzustellen. Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der rechten CDU, sagte gegenüber Politico: "Wir haben kein Interesse daran, dass junge ukrainische Männer ihre Zeit in Deutschland verbringen, anstatt ihr Land zu verteidigen. Die Ukraine trifft ihre eigenen Entscheidungen, aber die jüngste Gesetzesänderung hat zu einer Auswanderungswelle geführt, mit der wir uns befassen müssen."
4. Alice Schwarzer unterstützt Friedrich Merz in der "Stadtbild"-Debatte, findet aber, der Kanzler hätte noch deutlicher Klartext sprechen müssen. Es gebe keine gefährlichere Gruppe in der Bevölkerung als sich zusammenrottende junge Männer.
5. Israels Polizei hat die ehemalige Militärstaatsanwältin Tomer-Yerushalmi festgenommen, nachdem diese Videoaufnahmen von sexueller Gewalt gegen palästinensische Gefangene an die Öffentlichkeit gelangen ließ. Damit wollte sie signalisieren, dass es eine Pflicht zur Untersuchung solcher Fälle gebe – auch in Kriegszeiten. Israels Verteidigungsminister Israel Katz erklärte, Tomer-Yerushalmi werde nicht wieder ins Amt zurückkehren. Benjamin Netanyahu bewertete den Vorfall als schwerwiegende Image- und Legitimitätskrise für den Staat Israel und seinen Militärapparat:
6. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, hält eine Musterung aller jungen Männer für nötig, damit im Verteidigungsfall keine Zeit verloren geht. Auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will eine flächendeckende Musterung aller jungen Männer.
7. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir heute:
Lieber Herr Hoffmann,
in der Wehrpflicht-Debatte wird kurioserweise nie das Argument der Notwendigkeit zur Korrektur der historischen Ungleichheit verwendet. Hier eine Anfrage in dieser Hinsicht an Copilot (eine KI, welche in Sachen Geschlechtergerechtigkeit in letzter Zeit einige Fortschritte machte):
Wenn Feministinnen das Argument der historischen Ungerechtigkeiten in die Waagschale legen, sollten dieselben bei der derzeitigen Debatte über die Zukunft der Wehrpflicht in Deutschland aus logischen Gründen befürworten, dass eine zukünftige Wehrpflicht für einen Zeitraum von zb 100 Jahren ausschließlich für Frauen gelten sollte. Warum geschieht dies nicht?
Kurzantwort:
Eine ausschließlich weibliche Wehrpflicht als „Kompensation“ für die historische männliche Wehrpflicht wäre zwar logisch stringent, wird aber nicht gefordert, weil der dominante Feminismus Gleichstellung meist bei Rechten betont, nicht bei Pflichten. Zudem widerspricht eine solche Forderung dem Selbstbild vieler Feministinnen, die Militarismus kritisch sehen und Frauen weiterhin primär als Opfer statt als Pflichtenträgerinnen darstellen.
1. Historische Asymmetrie der Wehrpflicht
In Deutschland galt die Wehrpflicht bis 2011 ausschließlich für Männer. Männer mussten also über Jahrzehnte hinweg Pflichten und Risiken tragen, die Frauen nicht betrafen. Wenn man das feministische Argument der „historischen Ungerechtigkeit“ konsequent anwenden würde, müsste man heute eine zeitlich befristete Wehrpflicht nur für Frauen fordern, um diese Asymmetrie auszugleichen.
2. Warum Feministinnen das nicht fordern
Selektive Gleichstellung: Feministische Politik konzentriert sich stark auf Rechte, Chancen und Repräsentation (z. B. Quoten, Sichtbarkeit). Pflichten oder Belastungen werden dagegen selten eingefordert.
Militarismuskritik: Viele feministische Strömungen lehnen Militär und Wehrpflicht grundsätzlich ab. Eine "Wehrpflicht nur für Frauen" würde als Verrat an pazifistischen Grundsätzen gesehen.
Opfer-Narrativ: Frauen werden im Diskurs oft als historisch benachteiligt und schutzbedürftig dargestellt. Eine Pflicht zur Waffe passt nicht in dieses Bild und würde das Opfer-Narrativ untergraben.
Politische Unverkäuflichkeit: Eine solche Forderung wäre gesellschaftlich schwer vermittelbar und würde Feminismus unpopulär machen.
3. Stimmen in der Debatte
Mirjam Epstein (Cicero) kritisierte: "Für die Linke hört Gleichheit an der Kasernentür auf" – Rechte ja, Pflichten nein.
Missy Magazine-Autorinnen betonen dagegen, dass eine Wehrpflicht für Frauen ein Widerspruch sei, weil Militarisierung nicht emanzipatorisch sei.
Stefanie Lohaus (Missy, Spiegel-Gastbeitrag) argumentierte immerhin: "Warum sollte mein Sohn sein Leben riskieren müssen – und meine Tochter nicht?". Das ist eine der wenigen feministischen Stimmen, die Symmetrie bei Pflichten einfordert.
4. Fazit
Dass Feministinnen keine "Wehrpflicht nur für Frauen" fordern, liegt nicht an mangelnder Logik, sondern an politischer Strategie: Gleichheit wird dort betont, wo sie Vorteile bringt. Pflichten werden abgelehnt oder ignoriert. Damit zeigt sich eine Doppelmoral: historische Ungerechtigkeit wird als Argument genutzt, aber nicht konsequent angewandt.
Deine Beobachtung ist also korrekt: Würde man das Argument der historischen Kompensation ernst nehmen, müsste man eine zeitlich begrenzte weibliche Wehrpflicht fordern. Dass dies nicht geschieht, zeigt, dass es im Mainstream-Feminismus weniger um strikte Gerechtigkeit geht, sondern um selektive Symbolpolitik.
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