Ex-Bundespräsident Christian Wulff: "Mein Sohn sagt, ich soll dem Männerhass entgegentreten"
1. Die Volkswagen-Stiftung berichtet in einem Artikel, der auf ihrer Website nicht mehr zu finden ist, den ich aber rechtzeitig archiviert habe, über eine feministische Veranstaltung:
"Retro ist wieder in, nur nicht der Feminismus!" Der werde als Gefahr beschimpft – so hieß es in einem von drei Poetry-Slam-Beiträgen, mit denen Schülerinnen der IGS Roderbruch die Diskussion unter dem Titel "Starke Männer braucht das Land? Frauen zwischen Aufbruch und Rollback" am 11. Oktober 2025 einleiteten.
Und damit war man gleich mittendrin im Thema. Christian Wulff, Bundespräsident a. D., bestätigte ein Erstarken eines autoritären Männerbildes als weltweiten Trend. Ein Trend, bei dem Empathie als Schwäche ausgelegt werde. Mit den Beiträgen der Schülerinnen dagegen hatte der CDU-Politiker so seine Probleme. Sein 17-jähriger Sohn habe ihm mit auf den Weg gegeben, dem Männerhass entgegenzutreten, den der Schüler nach eigenen Aussagen selbst erlebe. Moderne, aufgeschlossene Männer wie sein Sohn empfänden die "Generalisierung als extrem radikale Herausforderung", so Wulff.
Er selbst kämpfe gegen Formulierungen, wie "die Katholiken, die Muslime, die Frauen, die Männer". Die größte Errungenschaft Europas in den zurückliegenden 20 Jahrhunderten, argumentierte der Politiker, sei die Erfindung des Individuums. Und dafür habe auch Hannah Arendt immer gestanden. Ein Freund-Feind-Denken – insbesondere beim Thema Geschlechter – würde nur den Rechtsextremisten in die Hände spielen.
Bevor man sich mit diesem wichtigen Thema ausführlicher beschäftigen kann, grätscht rechtzeitig der Männerberater Björn Süfke dazwischen, der dem Bundesforum Männer nahesteht, und erklärt, dass der Sohn des ehemaligen Bundespräsidenten lediglich halluziniere: "Es gebe keinen Männerhass, sondern eine ganz klare Kritik an einer traditionellen Form von Männlichkeit. Und darunter würden ja auch Männer selbst leiden." Das ist zweifelhaft, aber daran kann die folgende feministische Diskussion besser anschließen. Dabei vertritt Christian Wulff weiter seine Position:
"Keiner ist verpflichtet, Feminist zu sein", entgegnete Wulff, und verwehrte sich dagegen, dem konservativen ein rechtes Männerbild entgegenzusetzen: "Ich kenne keine Konservativen, die nicht für Gleichstellung sind." Er kenne aber genügend unter ihnen, die sich gegen ein Freund-Feind-Schema aussprechen würden – und sich nicht vorschreiben ließen, wie sie zu schreiben oder zu reden haben.
Die feministische Professorin Ulrike Lembke hält dagegen:
Anti-Feminismus und Anti-Gendern seien Kernpolitikfelder der Rechtsextremen, untrennbar verbunden mit Rassismus, Behindertenfeindlichkeit und Antisemitismus. Man müsse sich – egal, ob konservativ oder links – klar entscheiden auf welchem Feld man mitspiele.
Auch Björn Süfke mischt in der Debatte weiter mit:
"Es braucht überhaupt keine Männlichkeit", so Süfke. Männlichkeit und auch Weiblichkeit seien soziale Konstruktionen, willkürliche Anforderungsprofile, "die wir Leuten aufzwingen".
Es ist vorhersehbar, wohin dieser Gesprächskreis führt:
Deutlich wurde am Ende der Veranstaltung, dass es gar nicht so einfach ist, über Geschlechterrollen und Feminismus zu diskutieren. Christian Wulff sprach von einer rechthaberischen Gesprächskultur, Ulrike Lembke schilderte, dass sie seit einiger Zeit die Erfahrung gemacht haben, dass konservative Kolleg:innen nicht mehr den Austausch suchen würden.
Das wundert Frau Lembke tatsächlich? Nachdem sie zuvor die Ablehnung der Gendersprache, die von drei Vierteln der Deutschen geteilt wird, ins rechtsextreme Lager geschoben und gefordert hat, man müsse sich "klar entscheiden auf welchem Feld man mitspiele"? Ich bin nicht einmal konservativ, aber in einer Unterhaltung mit Frau Lembke würde ich angesichts derartiger Polemik auch keinen Sinn sehen.
2. "Die Deutschen fühlen sich sprachlich unter Druck gesetzt" berichtete gestern "Die Welt":
In einer neuen repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Sprachlernplattform Babbel ist das Gefühl, nicht immer so reden zu können, wie einem der Schnabel gewachsen ist, auch in Zahlen belegt. Die Umfrage liegt WELT vor.
Danach haben 46 Prozent der Deutschen das Gefühl, dass Deutschland sprachlich unter Druck steht oder Sprache zu stark reguliert wird, vor allem die Älteren. Jeder Zweite sagt, Sprachsensibilität wird übertrieben. 43 Prozent sind überzeugt, dass sich in Deutschland eine Cancel Culture entwickelt hat. Auch hat jeder Vierte (26 Prozent) schon mal eine Diskussion gemieden – aus Angst, etwas Falsches zu sagen.
Besonders deutlich zeigt sich dieser Druck bei der sogenannten "geschlechtergerechten" Sprache mit Partizipien wie Lesende, Binnen-I oder Gendersternchen. Grundannahme der Vertreter dieser Sprachvarianten ist, dass das "generische" oder "genderneutrale" Maskulinum Frauen nicht ausreichend inkludiert oder sichtbar macht. Der Rat für deutsche Rechtschreibung rät vom Gendern mit Sonderzeichen ausdrücklich ab. In vielen Behörden, Bildungseinrichtungen oder Unternehmen ist es aber dennoch verbreitet.
(…) Die Ursachen für die als auferlegt empfundene sprachliche Korrektheit sehen viele in der medialen Berichterstattung (51 Prozent), im Wirken von Aktivisten (50 Prozent) und durch politische Debatten (44 Prozent). Der Freundes- und Bekanntenkreis wird nur von zehn Prozent der Befragten genannt. Jeder Zweite sagt, er achte im privaten Umfeld weniger auf sprachliche Korrektheit. Zuhause oder im Vereinsheim – gewissermaßen in einem "safe space" – sprechen die Deutschen also noch freier.
3. Heute Nacht war die ehemalige Grünen-Chefin Ricarda Lang zu Gast bei Markus Lanz. Lang versucht seit einiger Zeit sichtlich, zumindest ein wenig aus dem ideologischen Bunker der Grünen auszubrechen. Männerpolitisch spannend wird die Diskussion ab Minute 44, als Lanz berichtet, wie angefressen er über die inflationsmäßig herabsetzende Verwendung des Begriffs "alter weißer Mann" sei:
"Ich frage mich bis heute: Wer kam irgendwann auf die Idee, alte weiße Männer als das ultimative Feindbild grundsätzlich zu beschreiben, wenn man doch darum bemüht ist, möglichst nicht diskriminierend durch die Welt zu laufen – und dann diskriminierst du jemanden aufgrund seines Geschlechts: Mann, Alter: alter weißer Mann, und seiner Hautfarbe. Das ist die perfekte Definition von Rassismus und Diskriminierung. Mehr geht nicht."
Ricarda Lang lächelt beschämt und versucht abzuwiegeln, unter anderem indem sie einen verengten Rassismusbegriff anlegt (nur strukturell verstärkter Rassismus zählt dabei als Rassismus), gibt aber zu, dass der von Lanz kritisierte Kampfbegriff die Gruppe der alten weißen Männer über denselben Kamm schere, beispielsweise als Menschen auf der Sonnenseite des Lebens. Wenn sie aber einem Mann, der unter sehr schwierigen Verhältnissen lebe, erzähle, er sei wegen seines Geschlechts auf der Gewinnerseite und müsse mal seine Privilegien abgeben,
"dann denkt der sich: Gott, es soll noch schlimmer werden als jetzt gerade. Darauf habe ich ja gar keinen Bock. Das heißt, die Leute gehen in die totale Abwehr."
Dieses Schubladendenken mache Mehrheiten kaputt, zumal es viele Männer gebe, die nicht auf der Gewinnerseite stünden.
Wir haben für ein paar Sekunden eine maskulistische Einsicht bei einer Grünen in einer vielgesehenen Talkshow. Mal schauen, ob das Spuren hinterlässt.
4. Nachdem in Luxemburg ein paar Tage lang auf den Abgordneten Dr. Gérard Schockmel eingeprügelt wurde, weil er einen feminismuskritischen Artikel veröffentlicht hatte (Genderama berichtete), distanziert er sich jetzt entschieden vom Antifeminismus. Die Behauptung, er selbst wäre antifeministisch, sei "völliger Blödsinn".
"Ich habe lediglich Gedanken und Sorgen geäußert, die mich beschäftigen. Ich finde, dass sich manche aktuellen feministischen Positionen weit von dem humanistischen Feminismus entfernt haben, mit dem ich mich identifiziere. Ich habe kein Problem mit dem Feminismus, aber Feminismus ist nicht gleich Feminismus. Manche Positionen sind sehr radikal. Ich bin Arzt, und auch in der Medizin gibt es Dinge, die ich kritisiere. Das bedeutet aber nicht, dass ich gegen Ärzte bin.
(…) Mir "Rückständigkeit" vorzuwerfen, ist substanzlos. Sobald man feministische Forderungen auch nur hinterfragt, kommen heftige und intolerante Reaktionen. Das finde ich problematisch. Politiker trauen sich kaum noch, offen zu sprechen. Es herrscht ein toxisches Klima, in dem man seine Reputation oder sogar sein Amt riskieren kann. Niemand kann diese Risiken eingehen und man legt sich selbst einen Maulkorb an. (…) Es heißt oft, Männer sollten zu Abtreibung oder feministischen Fragen lieber schweigen – das halte ich für problematisch. Man muss darüber ruhig sprechen können. Leider erinnert die mediale Aufbereitung inzwischen an soziale Netzwerke: Wir leben in einer Art Cancel Culture."
<< Home