Freitag, März 29, 2019

Julia Redas Abgang: "So jemand darf nicht gewählt werden"- News vom 29. März 2019

1. Julia Reda, erfolglose Kämpferin gegen die umstrittene Reform des europäischen Urheberrechts, verlässt nicht nur ihre Partei, die Piraten, sondern fordert in einem Youtube-Video sogar auf, diese Partei nicht mehr zu wählen. Viele Medien berichten, darunter die Süddeutsche Zeitung:

Als Grund für ihren Appell nennt sie, dass auf Platz zwei der Piraten-Wahlliste zur Europawahl ein ehemaliger Mitarbeiter von ihr stehe, dem sexuelle Belästigung vorgeworfen werde: "Das ist für mich absolut inakzeptabel. So jemand darf nicht gewählt werden." Aus der Partei trete sie aus, weil "die Piraten nicht alles getan haben, was sie hätten tun können", um die Aufstellung des Kandidaten zu verhindern, nachdem die Vorwürfe gegen ihn bekannt geworden waren.


Jede Stimme für die Piratenpartei, so Reda, könne die Stimme sein, dank der Redas ehemaliger Mitarbeiter, Gilles Bordelais, ins Parlament einziehe. Das dürfe nicht sein. Dabei bleiben die konkreten Vorwürfe nebulös.

Bei der "taz" bedauert Astrid Ehrenhauser, dass "moralische Argumente" erfolglos seien, wenn es um die Zulassung eines Kandidaten zur Europawahl gehe. Bei den Ruhrbaronen stellt man Redas Abgang in eine längere Tradition:

Hinzu kommt, dass einige der klügsten Köpfe der Partei den Kampf gegen Rechte, Verschwörungstheoretiker und Antifeministen in den eigenen Reihen entnervt aufgaben und austraten. Anne Helm, Oliver Höfinghoff und Anke Domscheit-Berg gingen zur Linkspartei, Sebastian Nerz und Bernd Schlömer zur FDP, Marina Weisband zu den Grünen und Christopher Lauer zur SPD.


(Liebe Leser, kann mir einer von euch auch nur einen einzigen "Antifeministen" in der Piratenpartei nennen?)

Was in all den gesichteten Artikeln über Redas Abgang kurioserweise nicht erwähnt wird, ist das Statement von Redas ehemaligem Mitarbeiter Bordelais zu den Vorwürfen. Für die Anklage ist viel Raum vorhanden, für de Verteidigung keiner.



2. Lucas Schoppe analysiert, wie Julian Dörr in der Süddeutschen Zeitung versucht, mit Männerbashing aus dem Massenmord in Christchurch politisch Kapitel zu schlagen, und fragt, wie eine politische Bewegung wie der Feminismus "so in Klischees münden kann, die doch ihrem eigenen Anspruch offen widersprechen". Dabei berichtet er, wie sein lange Zeit stark profeministisches Bild durch die #Aufschrei-Bewegung massiv ins Wanken geraten worden war.

Der Beitrag ist in Gänze lesenswert.

In einem der Kommentare darunter heißt es zum von Schoppe kritisierten vorherrschenden Feminismus der Gegenwart:

Ich nenne das den "Treitschke-Feminismus": Mittlerweile ist diese Ideologie auf einem Level der Verallgemeinerung und Verflachung angekommen, auf der sie sich mit dem Satz "Die Männer sind unser Unglück!" vollständig zusammenfassen lässt. Was immer in unserer Zivilisation schiefläuft, kann als "männlich" charakterisiert und Männern zugeschrieben werden. Das ist ziemlich genau die Funktion, die auch der Antisemitismus am Ende des 19. Jahrhunderts hatte: ob "Kapitalismus", "Rationalismus", "Materialismus" oder sexuelle Liberalisierung – das alles ließ sich in der einen oder anderen Weise einem "jüdischen Geist" zuschreiben – heute wird alles das als "männlich" und/oder "patriarchal" charakterisiert, und kaum jemand scheint sich an der Banalität und Ressentimenthaftigkeit dieser Zuschreibungen zu stören.




3. In Österreich richten die Veranstalter eines Rockkonzerts einen Campingplatz ein, der nur für Frauen reserviert ist, da sich einige Besucherinnen auf dem bisherigen Campingplatz "nicht durchgehend wohlgefühlt" haben.



4. Ebenfalls in Österreich fordert eine Stadträtin der FPÖ, dass der erste Wagen jeder U-Bahn nur für Frauen reserviert sein solle.



5. Am Brexit-Chaos in Großbritannien ist die "Hyper-Männlichkeit" schuld, erklärt uns eine Professorin für Equality, Diversity and Inclusion.



6. Der Europarat hat eine "erste internationale Definition von Sexismus" vorgelegt, die ironischerweise selbst grotesk sexistisch ist, da sie sich allein auf Sexismus zu Lasten von Mädchen und Frauen beschränkt. Für so manche Feministin gibt es Dutzende von Geschlechtern, für den Europarat nur eines.



7.
Die Feminismusdarstellerin Margarete Stokowski will wegen eines klugen Textes von Thea Dorn die "Zeit" säubern, bis nur mehr Rezepte und Kreuzworträtsel übrig bleiben.


Ulf Poschardt berichtet in der "Welt" unter der Überschrift "Von Umerziehungsgelüsten zu Auslöschungsfantasien".



8. In der Aargauer Zeitung schreibt der Ordinarius für Wirtschaftsrecht Peter Kunz über die Diskussion um Frauendiskriminierungen und Männerverschwörungen – nicht ohne eine Triggerwarnung voranzusetzen: "Diese Kolumne wurde von einem 54-Jährigen verfasst, der nicht wirklich viel hält vom aktuellen Zeitgeistthema der politischen Korrektheit, somit ein prototypischer Vertreter der 'weißen alten Männer' ist."



9. Die Zeitschrift "Eltern" beschäftigt sich mit einem typischen Männerproblem: "Meine Frau lässt mich nicht an unser Kind!"



10. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir zu der "Pille für Männer":

Dass Männer kein Interesse an einem sicheren Verhütungsmittel haben, ist doch Schwachsinn. Zumindest in meinen Kreisen (Gutverdiener in den Fünfzigern mit Jahreseinkommen, die gerne auch mal sechsstellig ausfallen) ist Vasektomie weit verbreitet (mich eingeschlossen). Es wäre doch geradezu verrückt, für ein bisschen Sex Unterhaltsforderungen von gut und gerne 200.000 Euro zu riskieren (Düsseldorfer Tabelle Höchstsatz für bis zu 25 Jahre), indem man sich auf das Wort einer Frau verlässt. Und Kondome sind erstens unsicher und mindern zweitens das Vergnügen recht deutlich.

Das die Pharmaindustrie kein Interesse hat, glaube ich dagegen unbesehen. Das Geschäft mit der Pille läuft prima und somit gibt es keinen Anreiz für zusätzlichen Forschungsaufwand.


Ein anderer Leser schreibt mir zu den Sexismus-Vorwürfen gegen die NASA:

Natürlich habe auch ich die Sache mit der "Meinungsänderung" der einen Astronautin mitbekommen. Weißt du, was in der Debatte untergegangen ist?

Die Dame ist schon einige Zeit da oben und hatte bereits einen Außenbordeinsatz ("Weltraumspaziergang") absolviert - in einem Anzug Größe L. Dies entspricht der Größe, in der sie auf der Erde trainiert hat. Auch weiß die Astronautin, dass ein Anzug in Betrieb genommen werden muss und das einige Zeit dauert.

Nun werden Missionen JAHRE im Voraus geplant, auch welche Anzuggröße die Astronaut*Innen tragen wollen etc. Mit den alten Russen-Anzügen ("one size fits all") wäre eine Größenänderung in letzter Minute kein Problem gewesen, aber US-Anzüge seien soviel besser da modular. Aber die modularen Anzüge benötigen ein paar Tage, um zusammengesteckt, aktiviert und geprüft zu werden. Auch hätte es keine Probleme gegeben, wenn vor ein paar Jahren die Mindestgröße für Astronaut*Innen nicht abgeschafft worden wäre und alle L oder XL (welches es mehr auf der ISS gibt) benötigen würden.

Hillary Clinton basht auf Männer, andere auf die "frauenfeindliche NASA"... Man kennt es ja - Mann ist schließlich an allem schuld.

Aber niemand hat sich gefragt, warum diese trainierte Astronautin nach JAHREN der Vorbereitung auf den Raumflug (dazu gehörend: Vorbereiten auf Außenbordeinsätze in den Raumanzügen), nach einem bereits erfolgten Einsatz (der etwas länger her war), vier Tage vor der Mission entschied, eine andere Größe zu tragen - was es nicht mehr möglich machte, den zweiten "Medium-Anzug" einzusetzen.

Eventuell war ja doch das böse Patriarchat schuld - denn es hat einer Frau erlaubt, in einer falschen Größe zu trainieren, sich in der letzten Minute vor der anstrengenden Mission zu drücken ... ähem ... die Größe des Anzuges zu ändern, UND wir haben Schuld, dass die anderen Astronauten auf der ISS es nicht voraus gesehen haben, dass die Dame nun doch das kleinere Modell tragen will.

Es scheint wie immer: Frauen sind in der heutigen Zeit nicht für ihre Entscheidungen zur Verantwortung zu ziehen - speziel nicht, wenn man für die weibliche Entscheidung einem Mann die Schuld zuschieben kann.

Ginge es hier nicht um das Leben von Astronauten, das Fortbestehen der ISS (Akku-Wechsel), Milliarden von Steuergeldern und den wissenschaftlichen Fortschritt, könnte man herzhaft darüber lachen. Aber so bleibt nur der fade Nachgeschmack, dass selbst kleine Kinder (zumindest Jungen) bereits für ihre Entscheidung und deren Folgen verantwortlich sind - aber eine Astronautin im All nicht.

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