Lesermail (Opfermythen?)
Genderama-Leser Hugo Waldem schreibt mir zu diesem Beitrag:
Der Inhalt und auch die Kommentare sind für mich Jammern auf hohem Niveau. Sowas kenne ich sonst nur von feministischen Seiten, wo sich die Mädels wegen der Unterdrückung durch das "Patriarchat" ausweinen. Und wegen Bikinireklame. Oder weil mal wieder ein älterer Herr den Anblick eine netten offenen Bluse bewundernd kommentiert ...
Der Artikel strotzt vor Links, die ins Nirwana führen. Ansonsten führen sie auf _ein_ Forum. Ich frage mich, warum der Blogeintrag nicht eingespart wurde und das Forum verlinkt, anstatt immer wieder aus einzelnen Beiträgen dort zu zitieren und diese dann zusätzlich zu verlinken. Sieht für mich wie der Versuch einer wissenschaftlichen Arbeit mit vielen Fußnoten im zweiten Semester aus. Da sind manche Studenten etwas übereifrig. Da aber alle nur aus einem Forum stammen, hätte das nicht genügt.
Mal ganz davon abgesehen, dass auch inhaltlich Mängel bei der Schilderung der Vorgänge bestehen.
Ich glaube dem jungen Mann, dass er sich unwohl fühlte. Aber er ist auch jemand, der die Musterung und das Verhalten der Leute dort sofort als Versuch, die jungen Männer "zu brechen" empfindet. Sieht sich also sofort in der Rolle des hilflosen Opfers. Und das ist schlicht gesagt Quatsch, genau so wie es bei Frauen Quatsch ist. Er hat Rechte, er hat sie aber nicht genutzt. Er kann den Austausch des weiblichen Untersuchungspersonal und der weiblichen Schreibkräfte gegen männliches Personal verlangen, er kann darauf bestehen, dass nur Männer im Raum sind. Tut er das? Nein, das würde ja nicht zur selbst angenommenen Opferrolle passen.
Er fürchtet "Schikanen". Auf dem Kreiswehrersatzamt? Welche sollten das wohl sein? Verzeihung, aber das ist etwas zu dick aufgetragen.
Er redet von einer "aus einer Person bestehenden Musterungskommission". So etwas gibt es nicht. Es gibt einen Musterungsausschuss. Der besteht aus drei Personen, davon ein gewählter Beisitzer, der in der Regel von einem örtlichen Parlament (Kreistag oder Ähnliches) gewählt wird. Ärzte und deren Mitarbeiter sind lediglich Hilfsorgane des Ausschusses. Außerdem steht ihm natürlich das Recht auf Widerspruch zu, auch wieder ein Ausschuss. Und das weitere Verwaltungsgerichtsverfahren.
Und da er diesen Punkt des Verfahrens schon so völlig falsch schildert, also den Ablauf dort anscheinend nicht aus eigener Anschauung kennt, sondern sie eher aus Versatzstücken aus dem verlinkten Forum zusammensetzt, habe ich meine Zweifel, ob die Story stimmt. Oder ob sie einfach aus anderen Gründen geschrieben wurde, die wenig mit Männerrechten, aber mehr mit "antimilitärischer" Ideologie zu tun haben. Dazu passt auch das Forum, auf das er verlinkt.
Ich bin für Gleichberechtigung, ich bin dann auch für gleiche Pflichten für beide Geschlechter. Aber ich bin sehr gegen Opfermythen und -abos.
Also wenn das ein ikonischer Text für die Männerrechtsbewegung sein soll, dann wundert es mich nicht, wenn die nicht voran kommt. So etwas Schwaches habe ich lange nicht mehr gelesen.
Zum (inzwischen obsolet gewordenen) Musterungsverfahren siehe hier.
Und auch die Kreiswehrersatzämter sind seit dem 30.11.2012 Geschichte
Ich selbst empfand den kritisierten Beitrag als treffend, weil er sich mit meinen eigenen Erfahrungen deckte. Allerdings begann mein Zivildienst zu einer Zeit, als es sogar noch die DDR gab, und ich hatte meiner Dienststelle schließlich eine Beschwerde reingedrückt, die immerhin zur Aberkennung einer von zwei Zivistellen führte. Das war aber auch eine ausgesprochen schwierige Angelegenheit, und nicht jeder ist in diesem Alter so renitent und sich seiner Rechte so bewusst, wie ich es war (auch dank einiger Unterstützung durch eine Pfarrerin, die die Zustände ebenfalls unmöglich fand). Mehrere Kommentatoren unter dem Artikel schreiben ja auch, dass sie teils Jahrzehnte später immer noch Alpträume von dieser Erfahrung haben – die in einer Zeit stattfand, als sich viele Frauen noch mehr als das unterdrückte Geschlecht fühlten als heute, weil sie die Männerseite nie kennengelernt hatten.
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