Mittwoch, April 24, 2013

Spiegel-Online: "Ärzte ignorieren psychisches Leid der Männer"

Der "Männergesundheitsbericht 2013 " mit dem Fokus auf psychische Gesundheit erscheint am 24. April 2013. 11 Uhr ist Pressekonferenz.


Das kündigte Dr. Matthias Stiehler, Gründer und Vorstand des Dresdner Instituts für Erwachsenenbildung und Gesundheitswissenschaft e.V., am Sonntag auf seiner Facebookseite an. Stiehler war auch für den ersten deutschen Männergesundheitsbericht überhaupt im Jahre 2010 verantwortlich. Er ist überdies Gründungsmitglied des Bundesforums Männer, hat aber als einer der wenigen dort, die konkret etwas für Männer tun, bezeichnenderweise keine Berührungsängste z.B. MANNdat oder auch mir selbst gegenüber.

Inzwischen hat die von Dr. Stiehler angekündigte Pressekonferenz stattgefunden und führte als erstes Resultat zu diesem Artikel auf Spiegel-Online sowie einem weiteren Beitrag in der Pharmazeutischen Zeitung.

Auf Facebook hat Dr. Stiehler jetzt auch sein Statement für die Pressekonferenz heute Morgen veröffentlicht, das ich für Genderama im Volltext zitieren darf:

Wir haben es bei der Frage der psychischen Gesundheit von Männern nicht nur mit Gesundheits- oder auch medizinischen Themen zu tun. Es geht ebenso um die gesellschaftliche Stellung von Männern bzw. um die Sicht der Gesellschaft auf Männer. Ich möchte daher drei Punkte ansprechen, die die gesellschaftliche Dimension des Themas betreffen.

1. Es fällt nicht nur den betroffenen Männern selbst schwer, sich als psychisch krank zu akzeptieren, auch das soziale Umfeld, also insbesondere Partnerinnen und Arbeitgeber, können dies oft nur schwer akzeptieren.

Wir haben es hier mit einem gesellschaftlichen Problem zu tun: Männer werden selbst dann noch als handlungsmächtig angesehen, wenn sie in Not sind. Selbst die Geschlechterdebatte, also eine vermeintlich fortschrittliche Diskussion über Rollenbilder und das Verhältnis von Männern und Frauen, geht selbstverständlich davon aus, dass Männer ihr Leben beherrschen können und kein Opfer ihrer Situation sind.

Das ist ja der Grund, warum eine um mehr als fünf Jahre geringere Lebenserwartung, eine dreifach höhere Suizidrate oder auch eine 4,4mal höhere ADHS-Diagnose bei Jungen (ca. 8 % gegenüber 1,8 %) kaum einmal geschlechtsspezifisch skandaliert werden.

2. Zu dieser gesellschaftlichen Haltung gegenüber Männern gehört auch, dass männliches Verhalten generell als gesundheitsschädigend beschrieben wird.

Abgesehen davon, dass unsere Gesellschaft von Leistungs- und Einsatzbereitschaft lebt und oftmals riskantes Verhalten fordert und das wichtige Fundamente unseres Gemeinwesens sind, können wir nicht davon ausgehen, dass Konkurrenz, Einsatz, Risiko grundsätzlich und ausschließlich gesundheitsschädigend sind. Diese Eigenschaften enthalten selbstverständlich auch gesundheitsfördernde Elemente. Zudem achten viele Männer auch auf ihre Gesundheit. Die Einseitigkeit der Betrachtung – oftmals auch in der medialen Berichterstattung – ist zu kritisieren.

Es geht eben nicht darum, Männlichkeitsvorstellungen völlig auf den Kopf zu stellen, sondern Handlungsspielräume zu erweitern. Männer sollen keine Ich-bezogenen Schlaffis werden. Aber es geht darum, die zwangsläufigen Begrenzungen, denen jeder Mensch unterliegt, in das Selbstbild einzubeziehen. Ein Mann ist – und das sage ich ausdrücklich als jemand, der seit vielen Jahren nicht nur in der Forschung, sondern auch in der praktischen Männerarbeit tätig ist – dann stark, wenn er seine Schwächen, seine Krisen, seine Niederlagen zu akzeptieren vermag.

3. Es gibt den verbreiteten Mythos von der Nichterreichbarkeit von Männern für Prävention und Gesundheitsförderung.

Diesen Mythos verbreitet beispielsweise der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen in seinem Präventionsbericht von 2012. Wenn Männer gut gemeinte Angebote nicht annehmen, dann kommt man nicht auf die naheliegende Idee, dass vielleicht etwas an den Angeboten nicht in Ordnung ist. Nein, es sind die Männer, die sich nicht so verhalten, wie es von ihnen erwartet wird.

Wir zeigen im Männergesundheitsbericht 2013 gesundheitsfördernde Projekte auf, die sehr wohl Männer zu erreichen vermögen. Sie müssen nur der Lebenswirklichkeit der Männer entsprechen. Nicht die Männer müssen den Angeboten schmecken, sondern die Angebote den Männern.

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