Offener Brief eines ehemaligen Piraten-Wählers: "Ihr seid jetzt da, wo die anderen Parteien schon waren"
Als er von der ersten feministischen Konferenz der Piratenpartei gelesen habe, habe er dies im ersten Augenblick für eine Schlagzeile im Online-Satiremagazin "Postillion" gehalten schreibt mir einer meiner Leser auf Facebook und kommentiert: "Gruselig. Ich würde mal sagen der Anfang vom Ende der Piratenpartei ist damit nun auch ganz offiziell eingeläutet ..." Anderen Lesern ist nicht entgangen, dass in der "Mitmachpartei" die Kommentarfunktion unter der feministischen Einladung abgeschaltet worden ist – es gab offenbar zu viel unerwünschte Kritik. Das verstärkt die Enttäuschung über eine Partei, die mit ganz anderen Idealen gestartet war, nur um so mehr. Einer der Enttäuschten, Sascha Beutler, hat dem Vorstand der Piratenpartei jetzt einen offenen Brief geschrieben – und irgendetwas sagt mir, dies wird nicht die letzte Rückmeldung dieser Art gewesen sein:
Hallo, lieber lesender Pirat,
ich schreibe, weil ich gerade von der "PiratinnenKon" erfuhr.
Ihr seid einmal als eine Partei an den Start gegangen, die sich als "postgender" bezeichnete, womit ihr euch sehr wohltuend von den etablierten Parteien abgehoben habt. Ich habe diese Haltung damals sehr gerne unterstützt. Dann zeichnete sich eine Änderung ab, von "postgender" in "besondere Aufmerksamkeit für Frauenthemen". Ich hatte bis zu dem Zeitpunkt überlegt, beizutreten und habe euch bis dahin gewählt. Ich wollte aber nun noch etwas abwarten, in welche Richtung der Hase denn nun hoppelt. Und es ist genau so gekommen, wie ich - und andere - befürchtet haben: Ihr seid da, wo die anderen Parteien schon waren.
Auf einmal geht es um Frauenthemen, bei denen am ersten Tag auch noch alle, die das nicht kritiklos unterstützen, ausgeladen sind. ("An Tag 1 sind deshalb alle Frauen, Queer und alle an der Gleichstellung der Frauen in der Gesellschaft interessierten Menschen eingeladen.") Das erste, was mir da in den Sinn kam, ist das Statut der Grünen (Frauenvotum). Wird dies bei anderen Themen ähnlich behandelt? Also bei z.B. einem Thema "Atomkraft" dürfen nur alle mitmachen, die kritiklos dafür sind, und der Rest bekommt einen Tag später die Ergebnisse? Oder haben "Frauenthemen" diesbezüglich einen innerparteilichen Sonderstatus?
Denn es zeichnet sich schon in den wenigen Kommentaren ab, dass die alten Lügen wiederholt werden (Pay-Gap, obwohl man von der unbereinigten Lohnlücke spricht, was eben keine "gleiche Arbeit" ist. Häusliche Gewalt nur in der Konstellation mit männlichen Tätern und weiblichen Opfern, obwohl es international knapp 500 Studien gibt, die etwas anderes aussagen und die munter ignoriert werden ...).
Wenn man etwas anders machen wollte, könnten die Piraten ja mal andere Themen nehmen: Bevorzugung von Mädchen in den Noten bei gleicher Leistung in sämtlichen Fächern (Studie ist beim BMFSFJ verfügbar). Die jahrelangen Warnungen nach jeder Pisa-Studie, Deutschland müsse sich um die Jungs kümmern, was weiter ignoriert wird ...
Aber es zeigt sich: Auch die Piraten sind, wenn sie schon den "Postgender"-Ansatz aufgeben, leider nicht in der Lage, dieses Thema ehrlich anzugehen, sondern - wie alle anderen Parteien auch - ausschließlich mit der feministischen Brille.
Und da ihr nun diesen Weg eingeschlagen habt, hat sich meine Frage für mich beantwortet: Ich werde nicht beitreten und euch nicht mehr wählen. Denn wie ich oben schrieb: "Ihr seid da, wo die anderen Parteien schon waren." Es gibt damit dann keinen Grund mehr, euch zu wählen, wenn ihr euch selbst die Unterscheidungsmerkmale entfernt.
Ich vermute stark, ihr werdet das gleiche Ergebnis erhalten, wie damals die SPD. Diese wollten auch den Frauenanteil bei den Mitgliedern erhöhen und agierten entsprechend. Das haben sie auch geschafft. Aber nicht, weil sie mehr Frauen bekamen, sondern weil die Männer gingen. Ihr hattet mit dem Postgender-Ansatz Personen angesprochen, die sich die Hoffnung gemacht haben, dass vielleicht auch ihre Themen mal Gehör finden. Beispielsweise eine Unzahl entsorgter Väter, denen der Umgang verweigert wird, und viele andere Gruppen. Diese haben gehofft, dass auch ihre Anliegen dann einmal neutral diskutiert werden können. Nun kämpft ihr um die Mitglieder, die schon die anderen Parteien haben oder haben wollen, und vergrault ebenfalls die Gruppen, um die sich niemand kümmert. Und die euch in Zukunft nicht mehr wählen.
Alles zusammen: Schade. Ich hatte gehofft, dass ihr eben nicht ein kleines Abbild der anderen Parteien werdet.
Bye.
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