Samstag, März 02, 2013

"Diese bedauernswerte Unwucht"

Ein aktuelles Fundstück aus meiner privaten Lektüre, dem Buch "Die vierte Macht. Spitzenjournalisten zu ihrer Verantwortung in Krisenzeiten" (S. 13-14):

Bevor jemand auf die Idee kommt, ich hätte bei der Auswahl meiner Gesprächspartner fahrlässig oder gar bewusst auf eine Vielzahl qualifizierter Frauen verzichtet (was bei einem Verhältnis von 23 Männern zu 2 Frauen nahe liegt), möchte ich doch eines erwähnen: Diese bedauernswerte Unwucht hat alleine damit zu tun, dass sich die meisten der von mir angeschriebenen Frauen verweigert haben. Im Mediengeschäft arbeiten siebzig Prozent Männer und dreißig Prozent Frauen. Ich bemühte mich, in diesem Buch zumindest eine ähnliche Gewichtung herzustellen. Insgesamt träumte ich sogar davon, ebensoviele Frauen wie Männer zu Wort kommen zu lassen. Mit diesem Vorhaben bin ich allerdings grandios gescheitert. Von den 15 kontaktierten Journalistinnen, die einem breiten Publikum allesamt bekannt sind, haben sich nur Anne Will und Anne Gesthuysen bereit erklärt, mitzuarbeiten. Der Rest hat entweder gar nicht reagiert oder sich mit einem sehr männlichen Argument verabschiedet: Terminschwierigkeiten. Dabei hat sich lediglich um einen Gesprächstermin von zwei Stunden gebeten, festzulegen innerhalb von sechs (!) Monaten.

Die abwehrende Reaktion ist umso erstaunlicher, weil wenige Monate später 350 Journalistinnen aus Zeitungen, Funk- und Fernsehanstalten einen Aufruf an die deutschen Chefredakteure veröffentlicht haben, in dem sie die dramatische Unterrepräsentanz von Frauen in den Chefetagen der Medien beklagten - verbunden mit der Forderung, die Quote in den nächsten fünf Jahren auf dreißig Prozent anzuheben (www.pro-quote.de). Flankierend dazu erschien kurz darauf bei Spiegel online unter dem Titel "Die Meinungsmacker" ein Artikel von Barbara Hans, in dem es unter anderem hieß: "Gesucht werden Mitarbeiterinnen, die sich lieber zurückhalten, im Verborgenen wirken oder Gespür dafür haben, dass es - wenn es wichtig wird - angebracht ist, den männlichen Kollegen den Vortritt zu lassen." Genau das sollte bei diesem Projekt eben nicht geschehen. Meine Interviewpartner, denen ich von den zahlreichen weiblichen Abfuhren erzählte, konnten sich darauf genauso wenig einen Reim machen wie ich selbst. Belassen wir es also dabei.

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