Talkshows zur Brüderle-Debatte: "Dass wir überhaupt darüber reden ist ein Wahnsinn!"
Meine negativen Erwartungen, was die beiden Talkshows zum Thema Sexismus gestern Abend anging, wurden nicht erfüllt – der Gesprächsverlauf entsprach nicht der einseitigen Stimmungsmache in der Presse, sondern geriet kontrovers, wobei insbesondere die Gegner einer hysterischen Debatte wortstark waren. Um das zu erfahren, musste man nur parallel zur jeweiligen Sendung die #Aufschrei-Twitter-Stränge lesen: "erbärmlich" und "zum Kotzen" waren wörtlich und sinngemäß typische Statements.
In der Phoenix-Runde (die Sendungen werden ohne erkennbares Muster mal online gestellt, mal nicht) vertrat die Herausgeberin des feministischen "Missy Magazin" phasenweise eine Minderheitenposition. Die anderen Gäste der Sendung sprachen viele Aspekte an, die ich auch hier auf Genderama schon behandelt hatte: Es ist kein wirklichkeitsnahes Bild unserer Gesellschaft, dass Frauen ständig von fremden Männern begrapscht würden; sinnvoller sei es, Themen wie Mobbing geschlechtsübergreifend zu behandeln; die Sexismus-Debatte ist zum großen Teil ein Medienhype und verläuft wenig lösungsorientiert und konstruktiv.
In der wesentlich launigeren Talkshow von Markus Lanz (hier online) brillierten vor allem Katrin Sass und Matthias Matussek. Sass problematisierte, dass Laura Himmelreich das Gespräch mit Brüderle begonnen hatte, indem sie ihn wegen seines Alters herabsetzte, und erklärte, sie selbst hätte an Brüderles Stelle weit heftiger reagiert: "Da hätte ich ein Getränk genommen und in ihren Ausschnitt gegossen". Matthias Matussek machte zum Thema, wie der Sexismus-Vorwurf eingesetzt wird, um unliebsame politische Gegner abzuräumen. Der Barkeeper Peer Kussmagk berichtete, an seiner Bar auch schon enthemmte Frauen erlebt zu haben. Und der Komiker Karl Dall schließlich betonte, in seinem ganzen Leben noch nicht von Rainer Brüderle angebaggert worden zu sein.
Nach all diesen Vorlagen der letzten Tage darf man auf Anne Will heute Abend gespannt sein.
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