Freitag, November 14, 2025

Anna Schneider: "Wehrdienst für Männer – wo bleibt der große Gleichbehandlungsaufstand?"

1. Anna Schneider kommentiert heute Morgen für DIE WELT die aktuelle Einigung zur Wehrpflicht:

Eigentlich klang das schon einmal ein bisserl anders. "Wenn wir Gleichberechtigung ernst nehmen, müssen wir auch über die Wehrpflicht für Frauen sprechen", sagte die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Siemtje Möller im Spätsommer dieses Jahres.

Zur selben Zeit hatte auch Bundeskanzler Friedrich Merz eine Wehrpflicht für Frauen nicht ausgeschlossen. Die Verfassung erlaube es nicht, so Merz damals, Frauen zum Wehrdienst heranzuziehen. Aber auch, sollte die geplante Freiwilligkeit scheitern: "Das müssten wir dann eigentlich tun." Lang regiere der Konjunktiv.

(…) Sorry, Männer. Denn die müssen sich nun auf einiges gefasst machen. So sollen künftig alle jungen Männer eines Jahrgangs zur Musterung antreten. Melden sich unter den "wehrtauglich" gemusterten Männern nicht genügend Freiwillige, käme in einem zweiten Schritt das Losverfahren zum Zug, durch das schließlich entschieden werden soll, wer zur Bundeswehr muss. Dementsprechend sollen ab Anfang 2026 alle 18-Jährigen mit einem Fragebogen angeschrieben werden. Männer müssen ihn beantworten, Frauen können. Nochmal sorry.

Wenigstens bei den Linken dürfte man zufrieden sein, zumindest mit der Verschonung von Frauen. "Ihnen mit einem Zwangsdienst ein weiteres Jahr ihrer selbstständigen Lebensgestaltung rauben zu wollen, hat nichts mit einer echten Bemühung um Gleichstellung zu tun", sagte die Linke-Verteidigungspolitikerin Desiree Becker vor wenigen Monaten.

Das ist natürlich schon eine äußerst spezielle Feminismusinterpretation: Gleichberechtigung ja, aber bitte nur hinsichtlich der schönen Dinge. Also in erster Linie Geld und Möglichkeiten, die keine Lebensgefahr bergen. Dabei kann man den staatlichen Lebenszeitraub, den ein Wehrdienst bedeutet, durchaus und sogar mit sehr guten Gründen kritisieren. Gilt eben nur auch für die betroffenen Männer.

Das alles lässt sich noch ein wenig anschaulicher machen. "Wehrpflicht für Frauen ‚erst der vierte Schritt‘", so zitierte die "Tagesschau" Friedrich Merz ebenfalls noch im Spätsommer. Man stelle sich eine solche Schlagzeile in anderen Zusammenhängen vor. "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ‚erst der vierte Schritt‘", "Flächendeckende Kinderbetreuung ‚erst der vierte Schritt‘", der feministischen Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Aber ja, in manchen Bereichen ist gleich sein eben doch irgendwie sexier als in anderen, anders lässt sich eigentlich kaum erklären, warum Luisa Neubauer und all ihre Schwestern noch nicht zum großen Gleichbehandlungsaufstand vor das Brandenburger Tor gerufen haben. Aber vielleicht kommt das ja alles noch. Wer würde denn auch noch einen Gender-Waffen-Gap provozieren wollen.




2. In Japan ist die Rate angezeigter Fälle von häuslicher Gewalt gegen Männer in den letzten fünf Jahren um 50 Prozent gestiegen. Fachleute gehen von einem Aufhellen des Dunkelfelds aus.

Experten sagen, dass häusliche Gewalt (DV) gegen Männer oft bestimmten Mustern folgt. Toshiko Noguchi, Leiterin der männlichen DV-Selbsthilfegruppe Shiratori no Mori in Tokushima City, beobachtet, dass einige Täterinnen moderne Geschlechtervorstellungen nutzen, um ihre Partner zu kontrollieren.Beispielsweise erwarten Frauen von Männern, dass sie Geld verdienen und sich gleichzeitig gleichberechtigt an der Hausarbeit und Kinderbetreuung beteiligen. Wenn Männer diese Erwartungen nicht erfüllen, können sie verbalen oder körperlichen Missbrauch erfahren. Wenn sie sich wehren, werden sie möglicherweise des "emotionalen Missbrauchs" beschuldigt. Noguchi fügt hinzu: "Männliche Opfer versuchen oft, den Idealen ihrer Partnerin gerecht zu werden. In überraschend vielen Fällen ist die weibliche Täterin eine Vollzeit-Hausfrau."




3. Leider hinter einer Bezahlschranke: Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift "Psychologie heute" enthält ein ausführliches Interview zu Pädophilie bei Frauen. Die Sexualforscherin Safiye Tozdan berichtet in dem Gespräch zu den von ihr befragten Frauen:

"Keine der Frauen gab an, bisher die Diagnose 'pädophile Störung' erhalten zu haben. Unseren Ergebnissen zufolge lagen aber bei der Mehrheit dieser Frauen Hinweise für eine solche Störung vor. Gleichzeitig haben viele dieser Frauen angegeben, dass sie von Therapeutinnen und Therapeuten nicht ernst genommen wurden. Es wurden andere erklärungen für ihr sexuelles Interesse gesucht: Es sei nur eine Phase, ein verdrängter Kinderwunsch oder eine Zwangsstörung. Dies könnte darauf hindeuten, dass es unter Mitarbeitenden im Gesundheitswesen einen blinden Fleck hinsichtlich Pädophilie bei frauen gibt."


Kein Scheiß, Sherlock. Man kann vor lauter "blinden Flecken" bei Frauen kaum noch gerade aus gucken.

Tozdan hält es durchaus für möglich, dass es ähnlich viele pädophile Frauen wie Männer gibt und dies nur aufgrund von Geschlechterstereotypen noch nicht erkannt wird. Unter den von ihr befragten 42 Frauen haben 23 schon mal sexuelle Handlungen bei Kindern unter 14 Jahren durchgeführt. (Grundgesamtheit der Studie waren natürlich nicht alle Frauen, sondern solche mit einem "sexuellen Interesse" an Kindern.) Tozdan fordert mehr öffentliche Aufklärung darüber, dass auch Frauen zu Tätern werden können. Allerdings zeigten Studien, dass von Frauen begangene Taten auch vor gericht bagatellisiert werden, obwohl sie sich bei Übergriffen nicht anders als Männer verhalten. Auch Programme wie "Kein Täter werden" seien auf Männer zugeschnitten. Ein Name wie ""Kein:e Täter:in werden" sei hilfreicher.



4. In den USA geht die Debatte um die politische Vernachlässigung von Männern weiter:

Gouverneur Gavin Newsom, Demokrat aus Kalifornien, forderte die Demokraten in einem Interview am Sonntag auf, sich dazu zu bekennen, dass sie in der Krise der Männlichkeit an Boden verloren haben.

"Als Demokrat sage ich Folgendes: Wir müssen uns eingestehen, dass wir in dieser Frage nachgegeben haben. Wir haben uns von dieser Krise der Männer und Jungen abgewendet. Trump sah darin eine Wahlkampfchance, die er ausnutzen konnte, aber er hat nichts unternommen, um diese realen Ängste zu beseitigen", sagte er in einem Interview in der CNN-Sendung "State of the Union".

Newsom erklärte gegenüber CNN-Moderator Jake Tapper, dass die Selbstmord-, Schulabbrecher- und Suspendierungsraten bei Männern extrem hoch seien.

"Das ist ein Problem, mit dem sich unsere Partei befassen muss. Aus wahltaktischer Sicht können wir es uns nicht leisten, diese Menschen zu verlieren. Aber wir können es auch nicht aufgrund unserer Werte und dem, was wir angeblich wichtig finden und vertreten, und ich sage das im Namen der Frauen, die bessere Männer brauchen", fügte er hinzu.


Auch Männern helfen: "aus wahltaktischer Sicht und weil Frauen bessere Männer brauchen" – man versteht, warum diese Partei so hilflos gegenüber Donald Trump ist.



5. Dazu passt eine kürzlich von mir entdeckte Studie aus dem letzten Jahr, die zu dem Ergebnis gelangt, dass Männer eher bereit sind, Frauen zu helfen, wenn man sie als moralische Wesen anerkennt, denen Geschlechterklischees ebenfalls schaden. In der Zusammenfassung (dem "Abstract") der Untersuchung heißt es:

Der Aufstieg rechtsextremer Parteien mit antifeministischen Ansichten stellt eine neue Herausforderung auf dem Weg zur Gleichstellung der Geschlechter dar. Hier wollen wir Strategien identifizieren, um die Akzeptanz sozialer Veränderungen hin zur Gleichstellung durch Männer zu fördern. Daher haben wir zunächst die wichtigsten Bedenken rechtsextremer Anhänger in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter anhand einer Diskursanalyse von 120 Männern untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass der Fokus auf männlicher Opferrolle, der Leugnung und nur teilweisen Anerkennung von Ungleichheit sowie der Delegitimierung des Feminismus liegt. Angesichts der zentralen Bedeutung der Opferrolle im Diskurs rechtsextremer männlicher Anhänger und ihrer sozialen Relevanz haben wir mehrere nicht-konfrontative Strategien entwickelt, die auf dem Leiden und der vermeintlichen (Un-)Moral von Männern basieren, und anschließend die Wirksamkeit dieser Strategien verglichen, um Männer dazu zu bewegen, sich stärker für die Gleichstellung der Geschlechter einzusetzen. Zwei experimentelle Studien (n = 417 und 428 Männer) zeigten, dass die Anerkennung, dass Männer im Allgemeinen moralisch sind oder dass auch sie unter Geschlechterstereotypen leiden, die Teilnehmer dazu veranlasste, ihre Bereitschaft zur Teilnahme an kollektiven Aktionen für Frauenrechte zu erhöhen. Im Gegensatz dazu hatte die Infragestellung ihrer Moral durch die Verurteilung von Gewalt von Männern gegen Frauen keinen Einfluss auf ihre Absichten. Wir kommen zu dem Schluss, dass nicht-konfrontative Strategien, die auf die Bedenken von Männern hinsichtlich der feministischen Bewegung eingehen, potenzielle Abwehrreaktionen verhindern und sie empfänglicher für soziale Veränderungen in Richtung Geschlechtergleichstellung machen können.


Auch hier wieder: Sexismus gegen Männer muss bekämpft werden, weil man diese Männer danach leichter für feministische Politik gewinnen kann.



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