Mittwoch, Oktober 22, 2025

Die große Feminisierung

Im US-amerikanischen Magazin Compact, das sich auf eine sozialdemokratische Tradition bezieht, hat die Journalistin Helen Andrews dieser Tage einen Beitrag über "die große Feminisierung" veröffentlicht. Was sie damit meint, erklärt sie in ihrem Debattenbeitrag, bei dem ich auch eine Veröffentlichung auf deutsch sinnvoll finde. (Die Vorstellung, eine deutsche sozialdemokratische Zeitschrift könnte diesen Aufsatz veröffentlichen, ist allerdings absurd.)



2019 las ich einen Artikel über Larry Summers und Harvard, der meine Sicht auf die Welt veränderte. Der Autor, der unter dem Pseudonym "J. Stone" schrieb, vertrat darin die These, dass der Tag, an dem Larry Summers als Präsident der Harvard University zurücktrat, einen Wendepunkt in unserer Kultur markierte. Die gesamte "woke" Epoche lasse sich aus diesem Moment ableiten – aus den Umständen seiner öffentlichen Ächtung und vor allem aus der Frage, wer sie betrieb: Frauen.

Die Grundzüge der Affäre um Summers waren mir bekannt. Am 14. Januar 2005 hielt er auf einer Konferenz zum Thema "Diversifying the Science and Engineering Workforce" einen Vortrag, der eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. Darin äußerte er, dass die geringere Präsenz von Frauen in den Naturwissenschaften teilweise auf "unterschiedliche Begabungsverteilungen im oberen Leistungsbereich" zurückzuführen sei – sowie auf unterschiedliche Interessen zwischen Männern und Frauen, die nicht bloß durch gesellschaftliche Prägung erklärbar seien. Einige der anwesenden Professorinnen fühlten sich durch seine Aussagen beleidigt und gaben sie entgegen der Absprache an eine Journalistin weiter. Der daraufhin ausgelöste Skandal führte zu einem Misstrauensvotum der Harvard-Fakultät und schließlich zu Summers’ Rücktritt.

Der Essay argumentierte, dass Frauen den Präsidenten von Harvard nicht nur gestürzt hätten – sondern dies auf eine sehr weibliche Weise taten. Sie setzten auf emotionale Appelle statt auf logische Argumente. "Als er begann, über angeborene Unterschiede in der Begabung zwischen Männern und Frauen zu sprechen, konnte ich kaum atmen, weil mich solche Vorurteile körperlich krank machen", sagte die Biologin Nancy Hopkins vom MIT. Summers veröffentlichte daraufhin eine Erklärung zur Klarstellung seiner Aussagen, dann eine weitere und schließlich noch eine dritte, jedes Mal mit eindringlicherem Ton. Fachleute meldeten sich zu Wort und erklärten, dass alles, was Summers gesagt hatte, im Rahmen des wissenschaftlichen Mainstreams lag. Diese sachlichen Einwände zeigten jedoch keinerlei Wirkung auf die aufgeheizte Stimmung.

Diese "Cancel Culture" sei weiblich, argumentierte der Essay, weil jede Form des Cancelns weiblich sei. Cancel Culture sei schlicht das, was Frauen tun, sobald sie in einer Organisation oder einem Berufsfeld zahlreich genug vertreten sind. Das ist die sogenannte "These der großen Feminisierung", die derselbe Autor später in einem Buch ausführlich darlegte: Alles, was man heute als "Wokeness" bezeichnet, sei lediglich ein Begleitphänomen demografischer Feminisierung.

Die Erklärungskraft dieser einfachen These war verblüffend. Sie schien tatsächlich die Eigenarten unserer Zeit zu entschlüsseln. Wokeness sei keine neue Ideologie, kein Ableger des Marxismus und auch keine Folge von Ernüchterung nach der Obama-Ära. Es handle sich schlicht um weibliche Verhaltensmuster, die auf Institutionen angewandt werden, in denen Frauen bis vor Kurzem kaum vertreten waren. Wie konnte mir das zuvor entgehen?

Vermutlich, weil ich – wie die meisten Menschen – Feminisierung als etwas betrachte, das längst in der Vergangenheit liegt, vor meiner Geburt. Wenn wir etwa an Frauen im juristischen Bereich denken, fallen uns die erste Frau ein, die eine juristische Fakultät besuchte (1869), die erste, die vor dem Supreme Court ein Plädoyer hielt (1880), oder die erste Richterin am Supreme Court (1981).

Ein viel bedeutenderer Wendepunkt war jedoch erreicht, als an den juristischen Fakultäten erstmals mehr Frauen als Männer studierten – das war 2016 – und als die Mehrheit der jungen Anwälte in Kanzleien weiblich wurde, was 2023 geschah. Als Sandra Day O’Connor an den Obersten Gerichtshof berufen wurde, waren nur fünf Prozent aller Richter Frauen. Heute stellen Frauen 33 Prozent der Richter in den USA und 63 Prozent derjenigen, die Präsident Joe Biden ernannt hat.

Ein ähnlicher Verlauf lässt sich in vielen Berufen beobachten: eine Pioniergeneration von Frauen in den 1960er- und 1970er-Jahren, ein stetiger Anstieg des Frauenanteils in den 1980ern und 1990ern und schließlich das Erreichen des zahlenmäßigen Gleichgewichts – zumindest in den jüngeren Jahrgängen – in den 2010er- oder 2020er-Jahren. 1974 waren nur 10 Prozent der Reporterinnen und Reporter der New York Times weiblich. 2018 wurde die Redaktion mehrheitlich weiblich, heute liegt der Anteil bei 55 Prozent.

Die medizinischen Fakultäten erreichten 2019 eine weibliche Mehrheit. Im selben Jahr stellten Frauen erstmals die Mehrheit der landesweit hochgebildeten Erwerbstätigen. 2023 wurden sie auch zur Mehrheit unter den Hochschullehrenden. In Führungspositionen in den USA stellen Frauen zwar noch keine Mehrheit, liegen aber mit 46 Prozent bereits nah daran. Das zeitliche Muster passt also: Der Aufstieg der sogenannten Wokeness fiel in die Jahre, in denen viele einflussreiche Institutionen demografisch von männlich dominiert zu weiblich geprägt wurden.

Auch inhaltlich ergibt sich ein Zusammenhang. Alles, was man mit Wokeness verbindet, bedeutet eine Vorrangstellung weiblicher Werte gegenüber männlichen: Empathie vor Rationalität, Sicherheit vor Risiko, Zusammenhalt vor Wettbewerb. Andere Autoren, die eigene Varianten der These von der "großen Feminisierung" formulierten – etwa Noah Carl oder Bo Winegard und Cory Clark, die sich mit deren Auswirkungen auf die Wissenschaft beschäftigten – stützten sich auf Umfragen, die deutliche Unterschiede in den politischen Grundhaltungen der Geschlechter zeigen. Eine dieser Erhebungen ergab zum Beispiel, dass 71 Prozent der Männer den Schutz der freien Meinungsäußerung wichtiger fanden als gesellschaftlichen Zusammenhalt, während 59 Prozent der Frauen das Gegenteil angaben.

Die entscheidenden Unterschiede betreffen jedoch nicht Einzelpersonen, sondern Gruppen. Einzelne Menschen sind individuell und es gibt täglich Ausnahmen, die jedes Klischee widerlegen – doch Gruppen von Männern und Frauen zeigen über längere Zeiträume hinweg beständige Unterschiede. Statistisch betrachtet ist das plausibel: Eine zufällig ausgewählte Frau kann größer sein als ein zufällig ausgewählter Mann, aber in einer Gruppe von zehn zufälligen Frauen ist es höchst unwahrscheinlich, dass deren Durchschnittsgröße über der von zehn zufälligen Männern liegt. Je größer die Gruppe, desto stärker nähern sich ihre Merkmale dem Durchschnitt an.

Weibliche Gruppendynamik begünstigt Konsens und Kooperation. Männer geben einander Anweisungen, Frauen hingegen schlagen vor und versuchen zu überzeugen. Kritik oder negative Einschätzungen müssen, wenn sie überhaupt geäußert werden, sorgfältig in Freundlichkeit eingebettet sein. Wichtiger als das Ergebnis einer Diskussion ist, dass sie stattgefunden hat und alle beteiligt waren. Der zentrale geschlechtsspezifische Unterschied in Gruppendynamiken betrifft die Haltung zu Konflikten: Männer tragen Konflikte offen aus, während Frauen dazu neigen, Gegner verdeckt zu unterminieren oder auszugrenzen.

Die Journalistin Bari Weiss beschrieb in ihrem Rücktrittsschreiben an die New York Times, wie Kollegen sie in internen Slack-Nachrichten als Rassistin, Nazi und Fanatikerin bezeichneten – und, wie sie betonte, der "weiblichste" Aspekt sei gewesen, dass Mitarbeitende, die als ihr gegenüber freundlich galten, von anderen schikaniert wurden. Weiss hatte einmal eine Kollegin aus der Meinungsredaktion eingeladen, mit ihr einen Kaffee zu trinken. Die Journalistin, eine Frau mit gemischtem ethnischem Hintergrund, die häufig über Rassismus schrieb, lehnte ab. Offensichtlich war das ein Bruch elementarer beruflicher Umgangsformen – und, so der Essay, ein typisch weibliches Verhalten.

Männer seien im Allgemeinen besser darin, Dinge voneinander zu trennen, während Wokeness in vieler Hinsicht ein gesellschaftsweites Versagen eben dieser Trennung darstelle. Früher konnte ein Arzt persönliche politische Überzeugungen haben, hielt es aber für seine berufliche Pflicht, diese außerhalb des Behandlungszimmers zu lassen. Inzwischen, da die Medizin weiblicher geprägt sei, tragen Ärzte Anstecknadeln oder Schlüsselbänder, die ihre Haltung zu umstrittenen Themen – von LGBTQ-Rechten bis zu Gaza – zum Ausdruck bringen. Mitunter nutzten sie sogar das Ansehen ihres Berufs, um politische Moden zu stützen, etwa als manche Mediziner erklärten, die Black-Lives-Matter-Proteste dürften trotz der Corona-Beschränkungen weitergehen, da Rassismus ein Problem der öffentlichen Gesundheit sei.

Ein Buch, das half, diese Zusammenhänge zu verstehen, war Warriors and Worriers: The Survival of the Sexes der Psychologin Joyce Benenson. Sie vertritt die These, dass Männer Gruppendynamiken entwickelten, die auf Krieg ausgerichtet sind, während Frauen Verhaltensmuster entwickelten, die dem Schutz ihrer Kinder dienen. Diese uralten, in der Frühgeschichte entstandenen Gewohnheiten erklären, warum Forscher in einem modernen psychologischen Experiment – das Benenson zitiert – beobachteten, dass Männer, die gemeinsam eine Aufgabe erhielten, um Redezeit wetteiferten, einander lautstark widersprachen und anschließend gut gelaunt eine Lösung präsentierten. Eine Gruppe von Frauen, die dieselbe Aufgabe bekam, fragte dagegen höflich nach dem persönlichen Hintergrund der anderen, suchte viel Blickkontakt, lächelte und wechselte sich regelmäßig ab – schenkte der eigentlichen Aufgabe jedoch wenig Beachtung.

Der Sinn des Krieges besteht darin, Konflikte zwischen zwei Gruppen zu entscheiden – und das funktioniert nur, wenn danach wieder Frieden einkehrt. Männer entwickelten deshalb Strategien, um sich mit Gegnern zu versöhnen und mit jenen in Frieden zu leben, mit denen sie gestern noch kämpften. Weibchen – selbst bei anderen Primatenarten – zeigen sich in der Regel weniger versöhnlich. Das liegt daran, dass die Konflikte von Frauen traditionell innerhalb der eigenen Gemeinschaft stattfanden, meist um begrenzte Ressourcen. Diese Auseinandersetzungen wurden nicht offen, sondern verdeckt ausgetragen – ohne klaren Abschluss.

All das passte zu meinen eigenen Beobachtungen von Wokeness. Doch die anfängliche Begeisterung über eine neue Erklärung wich bald einem unguten Gefühl. Wenn Wokeness tatsächlich das Resultat der großen Feminisierung ist, dann war der Ausbruch kollektiver Verwirrung im Jahr 2020 nur ein Vorgeschmack auf das, was noch bevorsteht. Man stelle sich vor, was geschieht, wenn die verbliebenen Männer in den prägenden gesellschaftlichen Berufen in den Ruhestand gehen und die jüngeren, stärker feminisierten Generationen die vollständige Kontrolle übernehmen.

Die Gefahr, die von Wokeness ausgeht, kann je nach Bereich unterschiedlich groß sein. Es ist bedauerlich, dass die geisteswissenschaftlichen Fakultäten inzwischen vollständig feminisiert sind, doch die meisten Menschen bekommen das im Alltag kaum zu spüren. Andere Bereiche sind entscheidender. Man muss kein Journalist sein, um in einem Land zu leben, in dem das, was in der New York Times steht, den öffentlichen Rahmen für das bestimmt, was als Wahrheit gilt. Wenn diese Zeitung zu einem Ort wird, an dem die Meinung der eigenen Gruppe unbequeme Fakten unterdrücken kann – stärker noch als bisher –, betrifft das alle.

Das Feld jedoch, das mir die größte Sorge bereitet, ist das Rechtssystem. Wir alle sind auf seine Funktionsfähigkeit angewiesen, und, um es deutlich zu sagen: Die Herrschaft des Rechts wird nicht bestehen, wenn die juristische Profession mehrheitlich weiblich wird. Rechtsstaatlichkeit bedeutet nicht nur, Regeln niederzuschreiben, sondern ihnen auch dann zu folgen, wenn das Ergebnis emotional schwerfällt oder der eigenen Sympathie für eine Seite widerspricht.

Ein feminisiertes Rechtssystem, so die Argumentation, könnte jenen Sondergerichten ähneln, die im Jahr 2011 unter Präsident Obama im Rahmen des Antidiskriminierungsgesetzes Title IX an Universitäten zur Ahndung sexueller Übergriffe eingerichtet wurden. Diese Verfahren folgten zwar einem schriftlich festgelegten Regelwerk und ließen sich daher formal als Ausdruck der Rechtsstaatlichkeit bezeichnen, doch es fehlten ihnen viele der zentralen Schutzmechanismen, die das eigentliche Rechtssystem garantieren sollte – etwa das Recht, der eigenen Anklägerin gegenüberzutreten, das Recht zu erfahren, welcher konkreten Tat man beschuldigt wird, und das grundlegende Prinzip, dass Schuld auf überprüfbaren Tatsachen beruhen muss, nicht auf nachträglichen Gefühlen einer der beteiligten Personen. Diese Sicherungen wurden, so der Vorwurf, abgeschafft, weil diejenigen, die die Regeln formulierten, mit den Anklägerinnen – meist Frauen – sympathisierten und nicht mit den Beschuldigten – überwiegend Männern.

Diese beiden Rechtsauffassungen prallten besonders deutlich bei den Anhörungen zur Bestätigung von Brett Kavanaugh als Richter am Supreme Court aufeinander. Die "männliche" Position lautete, dass Christine Blasey Ford ohne konkrete Beweise dafür, dass sie und Kavanaugh jemals im selben Raum waren, seine Karriere nicht durch ihre Anschuldigungen zerstören dürfe. Die "weibliche" Haltung dagegen sah in ihrer emotionalen Reaktion selbst eine Form von Glaubwürdigkeit, die der Senatsausschuss respektieren müsse.

Sollte die juristische Profession mehrheitlich weiblich werden, werde sich, so die Befürchtung, die Denkweise solcher Title IX-Tribunale und der Kavanaugh-Anhörungen ausbreiten. Richterinnen würden die Regeln zugunsten bestimmter Gruppen dehnen und gegenüber anderen besonders streng anwenden – etwas, das bereits jetzt in beunruhigendem Maß vorkomme. In den 1970er-Jahren konnte man noch annehmen, dass eine stärkere Beteiligung von Frauen im juristischen Bereich nur geringe Auswirkungen hätte. Diese Annahme, schließt der Text, lasse sich heute nicht mehr aufrechterhalten: Die Veränderungen werden tiefgreifend sein.

Merkwürdigerweise herrscht auf beiden Seiten des politischen Spektrums weitgehend Einigkeit darüber, welche Veränderungen bevorstehen – man streitet sich lediglich darüber, ob sie positiv oder negativ zu bewerten sind. Dahlia Lithwick beginnt ihr Buch Lady Justice: Women, the Law, and the Battle to Save America mit einer Szene aus dem Supreme Court des Jahres 2016, während der mündlichen Verhandlung zu einem texanischen Abtreibungsgesetz. Die drei Richterinnen Ginsburg, Sotomayor und Kagan "ignorierten die festgelegten Redezeiten und fielen ihren männlichen Kollegen lebhaft ins Wort". Lithwick feierte dies als "Ausbruch aufgestauter richterlicher Girl Power", der "Amerika einen Vorgeschmack darauf gab, was echte Geschlechterparität oder etwas, das ihr nahekommt, für künftige Frauen in einflussreichen juristischen Institutionen bedeuten könnte".

Lithwick lobt die Richterinnen für ihre respektlose Haltung gegenüber den formalen Regeln des Rechts, die ihrer Ansicht nach ohnehin aus einer Zeit der Unterdrückung und des weißen Machtanspruchs stammen. "Das amerikanische Rechtssystem war im Kern eine Maschine, geschaffen, um wohlhabende weiße Männer zu privilegieren", schreibt sie. "Aber es ist das einzige, das wir haben, also müssen wir damit arbeiten." Wer das Recht als Relikt eines alten Herrschaftssystems betrachtet, wird es zwangsläufig instrumentell einsetzen. Sollte sich diese Haltung im gesamten Rechtssystem durchsetzen, werden die äußeren Strukturen zwar gleich bleiben – doch in Wahrheit hätte eine stille Revolution stattgefunden.

Die "große Feminisierung" sei ein historisch einmaliges Phänomen. Andere Zivilisationen hätten Frauen zwar das Wahlrecht eingeräumt, ihnen Eigentumsrechte zugestanden oder sogar die Thronfolge erlaubt. Doch noch nie in der Menschheitsgeschichte habe eine Gesellschaft Frauen so viele zentrale Institutionen überlassen – von politischen Parteien über Universitäten bis hin zu den größten Wirtschaftsunternehmen. Selbst dort, wo Frauen nicht an der Spitze stehen, prägen sie zunehmend die Unternehmenskultur, sodass selbst ein männlicher Geschäftsführer innerhalb der Grenzen agiert, die seine Personalchefin vorgibt. Wir gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass all diese Institutionen unter diesen völlig neuen Voraussetzungen weiter funktionieren werden. Doch worauf gründet sich diese Annahme eigentlich?

Das Problem liegt nicht darin, dass Frauen weniger talentiert wären als Männer oder dass weibliche Formen des Umgangs objektiv minderwertig seien. Das Problem, so die Argumentation, besteht darin, dass diese Formen des Miteinanders für die Ziele vieler zentraler Institutionen ungeeignet sind. Eine mehrheitlich weibliche Wissenschaft etwa mag bestehen – doch sie wird, wie die bereits heute stark weiblich geprägten Fakultäten zeigen, andere Schwerpunkte setzen als offene Debatte und die unbedingte Suche nach Wahrheit. Und wenn die Wissenschaft die Wahrheit nicht mehr sucht – welchen Sinn hat sie dann? Wenn Journalisten keine eigenwilligen Individualisten mehr sind, die notfalls anecken, welchen Wert hat ihr Beruf dann noch? Und wenn Unternehmen ihren wagemutigen Unternehmergeist verlieren und sich in eine feminisierte, selbstbezogene Bürokratie verwandeln, werden sie dann nicht unweigerlich erstarren?

Falls die große Feminisierung tatsächlich eine Bedrohung für die Zivilisation darstellt, stellt sich die Frage, ob man überhaupt etwas dagegen tun kann. Die Antwort hängt davon ab, wie man ihr Entstehen erklärt. Viele Menschen sehen in ihr ein natürliches Phänomen: Frauen hätten endlich die Chance erhalten, mit Männern zu konkurrieren – und sich schlicht als die Besseren erwiesen. Deshalb, so diese Sichtweise, gibt es heute so viele Frauen in Redaktionen, an der Spitze politischer Parteien und in leitenden Positionen großer Unternehmen.

Der Journalist Ross Douthat beschrieb dieses Denken in einem Gespräch mit Jonathan Keeperman, bekannt unter dem Pseudonym „L0m3z“, einem rechten Verleger, der den Begriff "Longhouse" als Metapher für Feminisierung populär machte. Douthat fragte: "Männer beklagen sich, dass Frauen sie unterdrücken. Ist das sogenannte Longhouse nicht einfach ein langgezogenes männliches Gejammer darüber, dass sie im Wettbewerb nicht gut genug abschneiden? Vielleicht sollten sie sich zusammenreißen und sich endlich den Bedingungen des 21. Jahrhunderts stellen?"

Das ist es, was Feministinnen glauben, doch sie liegen falsch. Feminisierung ist kein organisches Ergebnis davon, dass Frauen Männer übertrumpfen. Sie ist ein künstliches Produkt sozialer Steuerung, und sobald dieser äußere Druck entfällt, würde sie innerhalb einer Generation wieder zusammenbrechen.

Der offensichtlichste "Daumen auf der Waage" ist das Antidiskriminierungsrecht. Es ist illegal, zu wenige Frauen in einem Unternehmen zu beschäftigen. Besonders in höheren Managementebenen kann Unterrepräsentation eine Klage nach sich ziehen. Folglich erhalten Frauen Jobs und Beförderungen, die sie unter normalen Umständen vielleicht nicht bekommen hätten, allein um die gesetzlich geforderte Zahl einzuhalten.

Für Arbeitgeber ist dieses Vorgehen rational, denn die Folgen, es nicht zu tun, können gravierend sein. Texaco, Goldman Sachs, Novartis und Coca-Cola gehören zu den Unternehmen, die wegen Diskriminierungsvorwürfen gegen Frauen in Einstellungs- und Beförderungsverfahren Vergleichszahlungen in Höhe von neunstelligen Beträgen leisten mussten. Kein Manager will derjenige sein, der sein Unternehmen durch eine Diskriminierungsklage 200 Millionen Dollar kostet.

Das Antidiskriminierungsrecht führt faktisch zu einer Feminisierung jedes Arbeitsplatzes. Ein wegweisender Fall von 1991 stellte fest, dass Pin-up-Poster an den Wänden einer Werft eine feindliche Umgebung für Frauen darstellen – und dieser Grundsatz wurde später auf viele Formen männlichen Verhaltens ausgeweitet. Dutzende Unternehmen im Silicon Valley wurden verklagt wegen sogenannter "Frat Boy Culture" oder "toxic Bro Culture", und eine auf solche Fälle spezialisierte Kanzlei wirbt mit Vergleichen zwischen 450.000 und acht Millionen Dollar.

Frauen können ihre Vorgesetzten verklagen, wenn der Arbeitsplatz sich wie ein Studentenverbindungsheim anfühlt – Männer hingegen können nicht klagen, wenn ihr Büro eher wie ein Montessori-Klassenzimmer wirkt. Folgerichtig neigen Arbeitgeber dazu, die Arbeitsumgebung "weicher" zu gestalten. Wenn Frauen also heute in modernen Berufen besser zurechtkommen, liegt das dann wirklich daran, dass sie Männer übertrumpfen? Oder liegt es daran, dass die Regeln so geändert wurden, dass sie begünstigt werden?

Aus der Entwicklung der Feminisierung über die Zeit lassen sich viele Rückschlüsse ziehen. Sobald Institutionen eine 50-50-Aufteilung erreichen, tendieren sie dazu, diese Parität zu überschreiten und zunehmend weiblich zu werden. Seit 2016 ist der Frauenanteil an juristischen Fakultäten jedes Jahr gestiegen; 2024 lag er bei 56 Prozent. Psychologie, einst ein überwiegend männliches Fach, ist heute stark weiblich geprägt: 75 Prozent aller Doktortitel in Psychologie gehen an Frauen. Es scheint einen Kipppunkt zu geben, ab dem Institutionen immer stärker feminisiert werden.

Das sieht nicht nach einer Überlegenheit von Frauen gegenüber Männern aus. Es sieht danach aus, dass Frauen Männer durch die Einführung weiblicher Normen aus ehemals männlich dominierten Bereichen verdrängen. Welcher Mann möchte schon in einem Umfeld arbeiten, in dem seine Eigenschaften nicht geschätzt werden? Welcher selbstbewusste Doktorand würde eine akademische Laufbahn einschlagen, wenn seine Kommilitonen ihn ausgrenzen, sobald er seine Meinungsverschiedenheiten offen ausspricht oder eine kontroverse Position vertritt?

Im September hielt ich auf der National Conservatism Conference eine Rede entlang der Argumentation des Essays. Ich war unsicher, die These der großen Feminisierung in einem so öffentlichen Rahmen zu präsentieren. Selbst in konservativen Kreisen gilt es noch immer als heikel zu behaupten, dass es in bestimmten Bereichen zu viele Frauen gebe oder dass Frauen in großer Zahl Institutionen so verändern könnten, dass diese nicht mehr richtig funktionieren. Ich achtete deshalb darauf, meine Argumentation so neutral wie möglich zu formulieren. Zu meiner Überraschung war die Resonanz überwältigend: Innerhalb weniger Wochen hatte das Video der Rede auf YouTube über 100.000 Aufrufe und wurde zu einer der meistgesehenen Reden in der Geschichte der Konferenz.

Es ist gut, dass Menschen für das Argument empfänglich sind, denn das Zeitfenster, um auf die große Feminisierung zu reagieren, schließt sich. Es gibt Frühindikatoren und Spätindikatoren für Feminisierung, und wir befinden uns derzeit in einer Zwischenphase: Die juristischen Fakultäten sind mehrheitlich weiblich, während die Bundesrichter nach wie vor überwiegend männlich sind. In einigen Jahrzehnten wird der Geschlechterwechsel seinen natürlichen Abschluss erreicht haben. Viele glauben, Wokeness sei vorbei, ausgelöscht durch den "Vibe Shift", also den politischen und kulturellen Stimmungswandel. Doch wenn Wokeness das Ergebnis demografischer Feminisierung ist, wird sie so lange bestehen bleiben, wie sich die demografischen Verhältnisse nicht ändern.

Als Frau selbst bin ich dankbar für die Möglichkeiten, die ich hatte, eine Karriere im Schreiben und Redigieren zu verfolgen. Glücklicherweise bedeutet die Lösung des Feminisierungsproblems nicht, Frauen Türen zu verschließen. Es geht schlicht darum, faire Regeln wiederherzustellen. Derzeit existiert ein nominal an Leistung orientiertem System, in dem es für Frauen aber praktisch unmöglich ist zu scheitern. Machen wir das Einstellungsverfahren wirklich leistungsbezogen – nicht nur auf dem Papier –, und wir werden sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Erlauben wir wieder eine männlich geprägte Arbeitskultur. Entfernen wir das Vetorecht der Personalabteilung. Viele werden überrascht sein, wie stark unsere aktuelle Feminisierung auf institutionelle Veränderungen zurückgeht, wie etwa die Einführung von Personalrichtlinien, die durch rechtliche Anpassungen ermöglicht wurden und die sich durch neue Gesetze auch wieder ändern ließen.

Denn schließlich bin ich nicht nur Frau. Ich habe viele kontroverse Meinungen und werde es schwer haben, mich zu entfalten, wenn die Gesellschaft konfliktscheu und konsensorientierter wird. Ich bin Mutter von Söhnen, die ihr Potenzial niemals voll ausschöpfen werden, wenn sie in einer feminisierten Welt aufwachsen müssen. Ich – wir alle – sind auf Institutionen angewiesen wie das Rechtssystem, die wissenschaftliche Forschung und die demokratische Politik, die das amerikanische Lebensmodell stützen; und wir werden alle leiden, wenn diese Institutionen nicht mehr die Aufgaben erfüllen, für die sie geschaffen wurden.




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