Freitag, Oktober 31, 2025

DER SPIEGEL zur sexuellen Gewalt: "Männer gleich Täter, Frauen gleich Opfer? Diese einfache Formel ist falsch"

1. In der aktuellen SPIEGEL-Ausgabe und auf Spiegel-Online stellt die Professorin für Sozialpsychologie Barbara Krahé fest: "Auch zahlreiche Männer werden Opfer sexueller Gewalt. Nur wenn die Gesellschaft dies anerkennt, lässt sich das Problem umfassend angehen." Wie immer bei solchen Beiträgen, die den Konsens der Leitmedien hinterfragen, handelt es sich um einen Gastbeitrag (also gerade nicht von einem Journalisten), wie immer wird übergangen, dass die Männerrechtsbewegung seit Jahrzehnten auf die bisherige Fehlwahrnehmung hinweist.

Der Beitrag von Professorin Krahé referiert im wesentlichen Inhalte, auf die ich unter anderem in meinem Buch Sexuelle Gewalt gegen Männer bereits dargelegt habe. Schön, dass davon jetzt eine größere Zahl von Menschen erreicht wird:

Beim Thema sexuelle Gewalt entsteht im Kopf gemeinhin sofort das Bild eines weiblichen Opfers und eines männlichen Täters. Das ist verständlich, denn die meisten sexuellen Übergriffe entsprechen diesem Bild. Die Kriminalstatistik weist regelmäßig aus, dass die überwiegende Zahl der angezeigten Fälle sexueller Gewalt ein weibliches Opfer und einen männlichen Tatverdächtigen betreffen. Doch darf das nicht den Blick dafür verstellen, dass auch Männer sexuelle Gewalterfahrungen machen, und zwar sowohl durch andere Männer als auch durch Frauen. Diese Tatsache ist nur wenig bekannt und kaum im öffentlichen Bewusstsein verankert. Die Erfahrungen von Männern, die Opfer von sexueller Gewalt wurden, werden nur selten gesehen und ernst genommen. Die betroffenen Männer haben selbst oft Schwierigkeiten, sich als Opfer zu sehen und anzuerkennen, weil das dem Selbstbild männlicher Stärke und Autonomie widerspricht.

Dass männliche Jugendliche und Erwachsene nicht nur als Täter, sondern auch als Opfer sexueller Gewalt in Erscheinung treten, ist eine wichtige Erkenntnis, um der vereinfachenden Formel "Mann gleich Täter, Frau gleich Opfer" entgegenzuwirken. Männer können Opfer sein und Frauen Täterinnen. Sie sind es bei häuslicher Gewalt und bei sexueller Gewalt gegen Männer häufiger, als es den allgemeinen Vorstellungen entspricht. Diese Tatsache anzuerkennen, ist nötig, um das Problem sexueller Gewalt grundsätzlich angehen zu können.

Das deutsche Strafrecht hat sich lange schwergetan, Männer als Opfer sexueller Gewalt wahrzunehmen. Erst mit der Einführung der Vergewaltigung in der Ehe als Straftatbestand wurde 1997 die Begrenzung auf weibliche Opfer von Vergewaltigung und sexueller Nötigung aufgehoben. Die Reform des Sexualstrafrechts von 2016 führte zur Anerkennung von Opfererfahrungen unabhängig von Geschlecht und Beziehungsstatus.

Die Fachwelt diskutierte intensiv darüber, ob es legitim sei, über Männer als Opfer sexueller Gewalt zu forschen. Dahinter stand die Befürchtung, damit relativiere man die männliche Gewalt gegen Frauen. Aus diesem Grund Forschungsfragen zu tabuisieren, ist jedoch nicht hilfreich. Sexuelle Gewalt gegen Frauen wird dadurch nicht weniger gravierend, dass auch Männer Gewalt erfahren. Mittlerweile ist es in der Wissenschaft – anders als in der Gesamtgesellschaft – allgemein akzeptiert, dass Männer Opfer sexueller Übergriffe von Frauen ebenso wie von anderen Männern sein können. Zahlreiche Studien haben zudem gezeigt, dass Opfererfahrungen mit einer Vielzahl negativer Folgen für die körperliche und seelische Gesundheit von Männern verbunden sind.

Aber wie verbreitet ist sexuelle Gewalt gegen Männer? Es ist schwierig, exakte Zahlen zu benennen, doch es gibt genügend Anhaltspunkte dafür, dass es sich um ein reales Problem handelt. Die jährlich veröffentlichte Kriminalstatistik, die auf den strafrechtlichen Definitionen basiert, ist eine Quelle. Für das Jahr 2024 zeigen die nach Geschlecht aufgeschlüsselten Zahlen, dass von 13.485 erfassten Fällen versuchter oder vollendeter Vergewaltigung, sexueller Nötigung und sexueller Übergriffe im besonders schweren Fall (§§ 177, 178 StGB) 844 Fälle männliche Opfer betrafen. Das entspricht einer Quote von 6,3 Prozent. Allerdings ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Die Anzeigebereitschaft bei sexueller Gewalt ist insgesamt sehr niedrig, und bei Männern ist sie noch einmal geringer als bei Frauen.

Die Gründe für diese geringe Anzeigenbereitschaft sind vielfältig: Opfer realisieren nicht, dass das, was sie erlebt haben, ein sexueller Übergriff war. Sie fürchten, dass man ihnen nicht glaubt oder ihnen eine Mitschuld an dem Geschehen gibt, oder sie empfinden Scham, sich nicht effektiv gewehrt zu haben. Gerade der letztgenannte Punkt spielt bei Männern oft eine große Rolle. Daher bildet die polizeiliche Kriminalstatistik nach Einschätzung von Expertinnen und Experten insgesamt, aber vor allem bei Männern, nur die untere Grenze der Verbreitung sexueller Gewalt ab. Außerdem sind die Zahlen nicht nach dem Geschlecht der Täter oder Täterinnen aufgeschlüsselt, sodass offen bleibt, wie hoch der Anteil von Männern ist, die durch eine Frau oder einen anderen Mann sexuelle Gewalt erlebt haben.

(…) Damit verbunden ist der gängige Mythos, dass Männer gar nicht von Frauen vergewaltigt werden können. Dabei kann ein Mann physisch erregt werden, ohne dass er psychisch angeregt ist. Männliche Opfer haben diese Vorstellungen oft selbst verinnerlicht und daher Schwierigkeiten, ihre Erfahrungen als sexuelle Übergriffe einzuordnen.

Wie hoch der Anteil der Betroffenen ist, die ihre Opfererfahrung selbst nicht als solche wahrnehmen, zeigt sich in der Diskrepanz zwischen Antworten auf die Frage: "Sind Sie schon einmal Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden" und den Antworten auf die Frage nach spezifischen Übergriffen, zum Beispiel: "Sind Sie schon einmal unter Androhung oder Einsatz von Gewalt gegen Ihren Willen zu sexuellen Handlungen gebracht worden?". In unserer Studie aus dem Jahr 2022 beantworteten 75 Prozent der Männer, die die allgemeine Frage nach sexuellen Opfererfahrungen verneint hatten, mindestens eine der spezifischen Fragen mit Ja. Sie hatten also sexuelle Gewalt erlebt, sahen sich aber nicht als Opfer. Bei den Frauen lag der entsprechende Anteil bei 60 Prozent. Diese Ergebnisse zeigen, dass es vielen Betroffenen, insbesondere Männern, schwerfällt, sexuelle Opfererfahrungen als solche anzuerkennen.

Außerdem ist männlichen Opfern sexueller Gewalt bewusst, dass die genannten Stereotypen in den Köpfen vieler Menschen anzutreffen sind, denen sie von ihren Erfahrungen berichten könnten, nicht nur bei institutionellen Ansprechpersonen, sondern auch im privaten Umfeld. So fällt es männlichen Opfern sexueller Gewalt schwer, soziale Unterstützung und Hilfe zu suchen, und sie bleiben vielfach mit ihrem Leid auf sich allein gestellt.

Die Hürden, sich als Mann in der Opferrolle zu sehen, noch dazu im Bereich der Sexualität und womöglich durch eine Frau, sind hoch, und Ängste vor negativen Reaktionen der sozialen Umwelt sind nicht unbegründet. Hier brauchen wir einen Bewusstseinswandel. Der gesellschaftliche Diskurs darf sich dem Problem sexueller Gewalt gegen Männer nicht verschließen, damit alle Opfer sexueller Gewalt Mitgefühl und Unterstützung erfahren, unabhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung.

Jenseits der Verpflichtung gegenüber den Betroffenen ist eine stärkere Beachtung sexueller Gewalt gegen Männer auch unter gesellschaftlichen Aspekten notwendig. In der Auseinandersetzung mit sexuellem Missbrauch in der Kindheit, insbesondere im institutionellen Kontext, sind Jungen als Opfer mittlerweile im Bewusstsein der Öffentlichkeit präsent. Das Gleiche muss auch für Männer erreicht werden.


Es ist bemerkenswert, dass Leitmedien wie DER SPIEGEL all diese wichtigen Aspekte plötzlich wahrnimmt, sobald sie von einer Frau geäußert werden. Ohne das ständige Trommeln von uns Männerrechtlern gäbe es aber vielleicht nicht einmal diesen Beitrag; das muss reichen.



2. Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) zufolge fühlen sich Frauen im öffentlichen Raum oft nicht sicher. "Es ist so, dass junge und auch ältere Frauen sich im öffentlichen Raum oft unsicher fühlen und bestimmte Plätze und Wege meiden und Pfefferspray dabeihaben", erklärte die Ministerin.

Damit hat die "Stadtbild"-Debatte ein neues Ausmaß sexistischer Absurdität erreicht. Die deutsche Kriminalstatistik zeigt, dass Männer deutlich häufiger Opfer von Gewalt im öffentlichen Raum sind als Frauen. Laut den aktuellen Daten des Bundeskriminalamts (BKA) und der Opferberatungsstellen ist die Mehrheit der Opfer von Gewalt- und Körperverbrechen männlich. Besonders bei Straftaten wie Körperverletzung, Messerattacken und Gewaltkriminalität ist die Opferzahl der Männer deutlich höher. Frauen sind zwar ebenfalls Opfer von Gewalt, doch die männlichen Opfer überwiegen in absoluten Zahlen erheblich. (Siehe als Belegquellen etwa hier, hier und hier.

Nun könnte die Ministerin einwenden, sie habe ja gar nicht von den tatsächlichen Opferzahlen gesprochen, sondern lediglich vom "Gefühl" der Frauen. Sie "fühlten" sich im öffentlichen Raum nun mal viel unsicherer als Männer, und deshalb müsse man sich auf sie konzentrieren.

Allerdings wäre auch das gelogen. Das ZDF-Politbarometer stellte bereits vergangene Woche fest:

33 Prozent der Deutschen fühlen sich an öffentlichen Orten und Plätzen unsicher, 66 Prozent aber sicher. Zwischen Männern und Frauen gibt es dabei so gut wie keine Unterschiede.


Generell ist die Angst vor solchen Formen der Gewaltkriminalität überspitzt, erklärt die Direktorin des Kriminalwissenschaftlichen Instituts an der Leibniz Universität Hannover Professor Dr. Susanne Beck, die damit Friedrich Merz Geraune von wegen "fragen Sie Ihre Töchter" einordnet:

Erst einmal muss man jede Angst grundsätzlich ernst nehmen. Aber die Frage, ob die Angst tatsächlich faktenbasiert ist - das kann man hier eher verneinen. Grundsätzlich leben wir in Deutschland in einem der sichersten Länder der Welt. Die Kriminalität ist mit Blick auf das letzte Jahrzehnt gesunken. Es gab einen leichten Anstieg nach der Corona-Zeit. Da muss man schauen, woran das im Einzelnen liegt. Aber tendenziell muss man sagen, dass die Angst nicht auf Fakten basiert, wie sich auch in Statistiken zeigt. Studien auf Makroebene zeigen zudem, dass es keinen Zusammenhang zwischen Migration und Kriminalität gibt.


Ein kurzer Beitrag des Blogs Apokolokynthose bringt die Absurdität der Debatte auf den Punkt.



3. Das Landgericht Hamburg untersagt Shelby Lynn zu behaupten, dass bei einem Rammstein-Konzert in Vilnius im Jahr 2023 ihr Getränk anlässlich einer von der Band organisierten Party mit Drogen versetzt wurde. Zwei Jahre nachdem etliche Medienbeiträge so getan haben, als wäre an diesem Vorwurf mit Sicherheit etwas dran. Genderama wünscht der Kanzlei, die gegen diese Berichte juristisch vorgeht, weiterhin viel Erfolg.



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