Grüne sehen sich als "feministische Kampfformation" gegen "Bros der Mannosphäre"
1. "Die Welt" berichtet von der Bundesfrauenkonferenz der Grünen, wo man die "Wut einer Frau" gegen den "Bullshit" der Männer stellt. Dem Bericht zufolge war die Veranstaltung stark von sexistischem Populismus geprägt.
"Das wird hier heute kein Mädelsabend. Wir sind die feministische Kampfformation", so begrüßt Grünen-Co-Chefin Franziska Brantner halbernst die rund 150 grünen Frauen aus ganz Deutschland, die für die 40. Bundesfrauenkonferenz der Partei am letzten Septemberwochenende nach Halle gereist sind. Der Altersdurchschnitt ist eher gehoben, der Saal quittiert den Satz von der "Kampfformation" mit Lachern und klatscht, als Brantner sagt: Die größte erneuerbare Energiequelle im Land sei "Wut einer Frau, die keinen Bock mehr hat auf den Bullshit, den Männer verzapfen".
Die ehemalige Habeck-Staatssekretärin Brantner, einst zuständig für Themen wie die Rohstoffstrategie des Bundes, tritt oft nüchtern auf, an diesem Tag aber heizt sie ein, ruft etwa in Richtung des bayerischen CSU-Ministerpräsidenten, der jüngst Frauen auf ihren "Unterleib" reduzierte: "Ohne Sexismus, Grünen-Hass und Würstchen wäre Markus Söder nur ein kleiner Mann ohne Aufmerksamkeit". Der Saal johlt.
(…) "Die antifeministischen Kräfte sind stark und sie werden stärker." Dazu nennt [Brantner] die Bewegung um den ermordeten Charlie Kirk in den USA, "Männer aus rechtspopulistischen und rechtsextremen Kreisen", und die "Bros aus der Mannosphäre" – ein Begriff für antifeministische Internetzirkel. Islamismus spielt keine Rolle, gleichzeitig moniert Brantner in Richtung des eigenen Milieus: Womöglich habe der feministische Diskurs seine "Deutlichkeit verloren" beim Benennen von Problemen.
Sie meint etwa die Rede vom "Gender Pay Gap", was die ungleiche Entlohnung von Frauen und Männern für gleiche Arbeit meint. Brantner lobt dagegen die Sprache ihrer Vorgänger, zitiert dazu aus einem Sammelband zur ersten Konferenz: "In dem Buch hier aus dem Jahre 1985 wird das Ganze sehr klar formuliert: ‚Warum verdient ein Mensch mit Penis mehr als ein Mensch mit einer Vagina?‘ Ja, kann man auch so ausdrücken, den ‚Gender Pay Gap‘!", sagt Brantner und erntet einzelne Jubelrufe für einen Satz, der im linken akademischen Milieu wegen der biologischen Mann-Frau-Unterscheidung unter Diskriminierungsverdacht geraten könnte.
Die Klarheit, die Brantner auch fordert in der Sprache: "Männer töten Frauen, Männer schlagen Kinder, Männer vergewaltigen ihre Töchter. Das müssen wir wieder klar und deutlich benennen", sagt sie. Doch der Feminismus hat sich auch weiterentwickelt seit 1985, gibt Brantner zu verstehen: Einwände wie "Es gibt auch psychische Gewalt" und "Frauen schlagen auch" seien ebenso richtig. "Lasst uns also den Satz hinzufügen:" – im Vergleich zu damals, meint sie – "Wir wollen eine Welt, in der kein Mensch einen anderen psychisch misshandelt."
Zumindest diese Forderung der Männerrechtsbewegung ist also sogar bei den Grünen angekommen. Warum aber dann diese ständige bizarre Hetze gegen den Mann, das offekundig nach wie vor beliebteste Feindbild der Grünen? Warum greift man auf 40 Jahre alte Schriften zurück, um zu ignorieren, dass die Ideologie vom Gender Pay Gap in den letzten Jahrzehnten klar widerlegt wurde?
Bei den Grünen findet als Reaktion darauf, dass der Feminismus seine Deutungshoheit verliert, also wieder eine geschlechterpolitische Radikalisierung und Polarisierung statt. Das ist eine bedenkliche Entwicklung.
2. Der Berliner Tagesspiegel, der sonst mit großer Leidenschaft auf Männerrechtler einprügelt, übernimmt eine unserer zentralen Fragen: "Was hilft den abgehängten Jungs?"
Seit einigen Jahren scheint sich in Europa etwas zu verändern. In Schweden und Dänemark bekommen Familien mit zwei Söhnen deutlich häufiger ein weiteres Kind als Familien mit zwei Töchtern, ein Hinweis darauf, dass werdende Eltern sich eher Töchter wünschen. Familien wollen eher Mädchen als Jungen adoptieren und eine Überblicksstudie zeigt sogar, dass Eltern ihre Töchter mit mehr Wärme und Unterstützung behandeln als ihre Söhne. Erhoffen sich Eltern, dass ihre Töchter es einmal leichter haben werden? Ein Blick in die Statistiken zeigt: In vielen Bereichen könnten sie damit recht haben.
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3. Der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter will wegen der Drohnen über europäischen Städten den Spannungsfall ausrufen lassen. Eine Folge davon wäre die sofortige Wehrpflicht.
4. Das konservative US-amerikanische Magazin "The Dispatch" beschäftigt sich mit der teils irrwitzigen Debatte, die um den Begriff "Mankeeping" entstanden ist:
Wenn es keinen Anlass gibt, etwas gemeinsam zu unternehmen – Golf spielen, Kämpfe anschauen, zelten –, sind Männer meist weniger gesellige Wesen. Ernstzunehmende Wissenschaftler warnen inzwischen vor einer "Freundschaftsrezession", die vor allem junge Männer betrifft. Daten des Survey Center on American Life zeigen: Die Zahl der Männer, die angeben, keinen einzigen engen Freund zu haben, hat sich zwischen 1990 und 2021 verfünffacht.
Unstrittig ist: Männer werden zunehmend einsamer – mit Folgen wie höheren Raten von Sucht, Suizid und politischer Entfremdung.
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass ein Aufsatz zweier Stanford-Forscherinnen, der die emotionalen Auswirkungen von Isolation bei Männern auf ihre Partnerinnen untersucht, kürzlich zu einem neuen Zündfunken in Amerikas schwelendem Geschlechterkampf wurde.
Die Studie mit dem Titel "Theorizing Mankeeping" erschien bereits im Oktober letzten Jahres, zunächst unbeachtet in der akademischen Nische. Abgesehen von einem kurzen Forbes-Beitrag fand der Begriff "Mankeeping" – in der Studie definiert als die Zusatzarbeit, die Frauen leisten, um die Defizite in den sozialen Netzwerken von Männern auszugleichen – kaum Resonanz in der Öffentlichkeit.
Das änderte sich erst im Juni: Ein Huffington-Post-Artikel, kurz darauf von BuzzFeed aufgegriffen, stellte "Mankeeping" als Grund dar, warum Frauen sich zunehmend aus Dating und Beziehungen zurückziehen. The Guardian titelte: "Mankeeping: Warum Single-Frauen das Dating aufgeben", Vice schrieb: "Mankeeping ist der Grund, warum Frauen genug vom Dating haben." Und im Juli veröffentlichte die New York Times: "Warum Frauen des emotionalen Aufwands von ‚Mankeeping‘ müde sind."
Es folgte die übliche Empörungswelle – jeder bezog Position in den gewohnten Lagern. Für die einen war "Mankeeping" ein absurdes Produkt akademischer Identitätspolitik, für die anderen eine gerechte Abrechnung mit Männern und Patriarchat. Dabei gingen wichtige Fragen unter: Was genau stand in dem Aufsatz? Wer schrieb ihn? Und welches Journal veröffentlichte ihn?
Angelica Ferrara, Hauptautorin und Psychologin an der Stanford University, zeigte sich gesprächsbereit – sowohl über das Konzept selbst als auch über die mediale Reaktion.
Die Psychologie, so Ferrara, habe klare Belege dafür, dass Menschen besser gedeihen, wenn sie mehr als eine enge Vertrauensperson haben. Ihre Arbeit stelle deshalb die Frage: Was passiert, wenn Männer nur noch ihre Partnerin als einzige Bezugsperson haben?
"Ich bin keine Expertin für die mediale Rahmung von Geschlechterthemen und halte mich lieber aus Bereichen heraus, in denen ich mich nicht auskenne", schrieb sie in einer E-Mail. "Ich gebe aber zu: Manche Schlagzeilen – etwa bei Vice, wo behauptet wird, Frauen würden wegen ‚Mankeeping‘ mit Dating aufhören – sind empirisch unhaltbar und eher auf Klicks als auf seriöse Debatte ausgerichtet."
Gleichzeitig betonte sie, dass nicht alle Medienberichte schlecht oder in schlechter Absicht geschrieben seien. "Wesentlich ist: Es ist nichts falsch daran, der wichtigste emotionale Unterstützer des Partners zu sein. Kein seriöser Psychologe würde Paaren raten, einander nichts Persönliches mehr anzuvertrauen", so Ferrara. "‚Mankeeping‘ geht nicht ums Abrechnen oder darum, die Geschlechter gegeneinander auszuspielen. Es soll eine Form von Arbeit benennen, die sich oft unsichtbar und unausgeglichen anfühlt – und die Frage stellen, ob ein soziales Umfeld, das fast ausschließlich auf die Partnerbeziehung zugeschnitten ist, langfristig gut für irgendjemanden ist."
Allerdings wirken Teile der Studie wenig empathisch – schon der Begriff selbst. Ferrara knüpft an das Konzept des "Kinkeeping" an, mit dem innerfamiliäre Bindungsarbeit beschrieben wird. Doch, wie der Journalist Jesse Singal anmerkte: Man stelle sich schwer vor, dass Forscher einen ähnlichen Begriff wie "Womankeeping" oder "Gaykeeping" gewählt hätten.
Tatsächlich ist der Aufsatz überwiegend aus weiblicher Perspektive geschrieben. Männerprobleme erscheinen darin vor allem relevant, insofern sie Frauen belasten. Die implizite Botschaft: Männern zu helfen lohnt sich vor allem, wenn es der Gleichstellung dient.
"Wer die schwächeren sozialen Netzwerke von Männern nur als Symptom von Ungleichheit oder als ‚Männerproblem‘ deutet, verpasst die Chance, hier einen zentralen Hebel für gesellschaftlichen Wandel zu erkennen", heißt es in der Studie.
Männerbünde wie Studentenverbindungen werden kritisch betrachtet, reine Männergruppen zwar empfohlen, aber mit Vorbehalt. Positiv erwähnt werden Organisationen wie EVRYMAN oder Beyond Equality – allerdings vor allem, weil sie "schädliches Verhalten" hinterfragen.
"Mehrere dieser Gruppen ermutigen Männer, sich gegenseitig emotional zu öffnen, während sie zugleich das Patriarchat als Ursache männlicher Probleme kritisieren und die negativen Erfahrungen von Frauen mit dominanter Männlichkeit thematisieren", so die Studie. "Wir glauben, diese Initiativen sollten stärker und breiter gefördert werden."
James Nuzzo, Männergesundheitsforscher aus Australien, warf Ferrara dagegen "scheinheilige Rückzieher" vor. Ihre Distanzierung von der medialen Zuspitzung sei ein Beispiel dafür, "wie verantwortungslos viele Akademiker ihre Ideen nicht bis zu Ende durchdenken". Aus seiner Sicht fördere der Artikel eher Feindseligkeit zwischen den Geschlechtern und stigmatisiere normale Beziehungsarbeit, indem er sie in politisch aufgeladene Begriffe packe.
"Weil Ferrara offenbar nur die weibliche Perspektive und die Deutung über ‚Patriarchat‘ und ‚Ungleichheit‘ gelten lässt, ist zukünftige Forschung zum Thema ‚Mankeeping‘ von vornherein verzerrt", sagte Nuzzo.
Auf diese Kritik wollte Ferrara nicht mehr eingehen.
Ihr Artikel erschien in "Psychology of Men & Masculinities", dem Leitjournal der APA-Division 51, die sich seit 1995 mit der psychischen Gesundheit von Männern und Jungen beschäftigt. [Die APA ist ein großer Fachverband von Psychologen in Nordamerika. – A.H.] Chefredakteur Joel Wong betont die wissenschaftliche Unabhängigkeit: "Mir geht es nicht darum, das Journal politisch nach links oder rechts zu rücken, sondern um wissenschaftliche Qualität."
Er begrüßte die starke Resonanz, verwies aber darauf, dass "Mankeeping" bisher nur eine Theorie sei, die weiterer Forschung bedürfe. "Es ist möglich, dass keine, einige oder alle Hypothesen bestätigt werden – warten wir es ab."
Division 51 sorgte bereits 2019 für Aufsehen, als sie erstmals Leitlinien für Psychologen im Umgang mit Männern und Jungen veröffentlichte. Kritiker warfen den Autoren damals vor, traditionelle Männlichkeit zu stigmatisieren und Männer noch mehr von Therapie abzuschrecken. Besonders die Pressemitteilung, die "traditionelle Männlichkeit" pauschal als psychologisch schädlich bezeichnete, löste scharfe Kritik aus.
Chris Ferguson, Psychologieprofessor in Florida, damals selbst Mitglied der APA, beschrieb die Leitlinien als einseitig: "Wenn das Problem ist, dass Männer ohnehin ungern Therapie suchen, dann ist es kontraproduktiv, Männlichkeit schlechtzureden." Er trat später aus Protest aus der APA aus.
Andere Autoren verteidigten die Leitlinien als Versuch, zu starre Rollenbilder zu hinterfragen. Brian Cole, Psychologieprofessor in Kansas und bis vor Kurzem Präsident von Division 51, sah in der Debatte einen Wendepunkt: Die Organisation habe daraus gelernt, sensibler zu kommunizieren.
Cole selbst kommt aus einem Arbeiterhaushalt und beschreibt die Männer in seinem Umfeld – Polizisten, Elektriker, Familienväter – als traditionell, aber zugleich fürsorglich und emotional. In der Fachliteratur fand er dieses Bild kaum wieder, was ihn dazu brachte, Männergesundheit zu seinem Schwerpunkt zu machen.
Heute gehört er zu den Vertretern der "positiven Männlichkeit", die Eigenschaften wie Selbstständigkeit, Humor oder Verantwortungsbewusstsein als Ressourcen für psychisches Wohlbefinden betonen. Dieser Ansatz setzt sich langsam durch.
Zu "Mankeeping" sagte Cole: "Fachlich passt es ins Feld. Persönlich würde ich die Unterstützung meines Partners aber nie als ‚Arbeit‘ bezeichnen. Klar, Männer fühlen sich oft isoliert und stützen sich stark auf ihre Partnerinnen – aber statt nur Probleme zu benennen, sollten wir uns anschauen, wie es Männer schaffen, gesunde Netzwerke aufzubauen."
Cole ist optimistisch: Unter der aktuellen Leitung des Journals und einer neuen Generation von Forschern spüre er einen positiven Wandel. "Aber es war ein sehr langer Weg."
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