Montag, September 22, 2025

Gewagter Vorschlag: "Könnte man die Männerrechtsbewegung aufhalten, indem man sich den Anliegen von Männern widmet?"

1. Nachdem beide großen Parteien ein den USA begonnen haben, Forderungen der Männerrechtsbewegung zu übernehmen, fühlen sich Anhänger einer allein auf Frauen ausgerichteten Politik von dieser Bewegung immer stärker gestört. Kann man diese unangenehmen Typen vielleicht loswerden, indem man sich jetzt auch um Männer kümmert? fragt KJZZ, ein Radiosender aus Arizona, für den der Journalist Sam Dingman Eamon Whalen, einen anderen Journalisten aus San Francisco, dazu interviewt hat. (Manche Journalisten interviewen sich lieber gegenseitig, als mit den Menschen zu sprechen, um die sich ihre Beiträge drehen.)

Das Intro des Beitrags verrät, wohin diese Reise geht:

Diskussionen darüber, wie mit einer Generation unzufriedener, hyperaktiver junger Männer umzugehen ist, sind derzeit weit verbreitet. Eine Vielzahl von Erstellern digitaler Inhalte – insbesondere YouTuber und Podcaster – haben eine Bewegung von verärgerten Männern ins Leben gerufen, die heftigen Groll gegen die Fokussierung auf Frauen und feministische Anliegen in den letzten Jahren hegen.

Nun versucht eine wachsende Gemeinschaft von Wissenschaftlern, einen philosophischen Rahmen zu schaffen, um dem Einfluss dieser "Männerrechtsbewegung" entgegenzuwirken.


Als Beispiel dieser Wissenschaftler wird Richard Reeves genannt, der es geschafft hat, maskulistische Forderungen so stark in den politischen Mainstream der USA zu bringen, wie kein anderer Männerrechtler vor ihm. Auf dieser Grundlage verläuft das Interview so:

Eamon Whalen: Ein Beispiel ist, dass die US-Gesundheitsbehörde CDC die Unterschiede bei männlichen Suizidraten kaum zur Kenntnis nimmt. Reeves weist häufig auf solche Dinge hin.

Das mag auf den ersten Blick wie eine Kleinigkeit erscheinen, doch für viele Männer, die sich ohnehin benachteiligt fühlen, summiert sich das im Laufe der Zeit. Es entsteht der Eindruck, dass ihre Probleme nicht anerkannt werden. Reeves sagt deshalb: Ich möchte das American Institute of Boys and Men gründen, darüber schreiben und als Sozialwissenschaftler die besten und aktuellsten Daten bereitstellen.

Er beschreibt seine Institution bewusst als "langweilig" – als nüchterne, sachliche Stimme für Männer. So kann er, wenn Figuren wie Andrew Tate oder Jordan Peterson behaupten, Männer seien eine verfolgte Gruppe und der Mainstream schweige dazu, entgegnen: Wir schweigen nicht. Ich erkenne die Schwierigkeiten von Männern an und liefere fundierte Daten. Sein Versuch, ein Gegengewicht zu solchen populistischen Stimmen zu schaffen, macht einen wichtigen Teil seiner Arbeit aus.

Sam Dingman: Welchen Eindruck haben Sie davon, wie Reeves bei Männern ankommt? Wenn man Ihnen zuhört oder Ihren Artikel liest, wirkt er wie eine sachliche, institutionell denkende und pragmatische Stimme. Man könnte sagen, dass Stimmen wie Tate oder Peterson gerade deshalb so erfolgreich sind, weil sie emotionaler argumentieren. Haben Sie den Eindruck, dass Männer online an Reeves’ Ansatz interessiert sind?

Whalen: Das ist ein sehr guter Punkt. Reeves schreibt zwar in gewisser Weise für Männer, aber wie ich in meinem Artikel [für das linke Magazin "Mother Jones"] betone: Seine eigentliche Zielgruppe sind die Eltern von Jungen, die Gefahr laufen, in diese Kultur hineingezogen zu werden. Er möchte ihnen einen Rahmen bieten, um das besser einordnen zu können.

Ich habe ihn gefragt, ob er jemals daran gedacht habe, stärker in die Rolle eines Selbsthilfe-Gurus zu schlüpfen. Viele dieser Figuren lassen sich ja als eine Art "männliche Selbsthilfe" verstehen. Doch Reeves will dieses Publikum gar nicht direkt ansprechen. Sein Ziel ist es, einen gesellschaftlichen Konsens zu schaffen. Momentan versucht er vor allem, die intellektuellen und politischen Eliten in den USA dafür zu sensibilisieren, dass es hier tatsächlich ein Problem gibt. Dabei achtet er darauf, möglichst niemanden vor den Kopf zu stoßen.

Dingman: Eine weitere Herausforderung scheint darin zu liegen, dass oft die Frage gestellt wird, ob es nicht etwas biologisch Wesentliches am Mann gibt, das erklärt, warum er sich benachteiligt fühlt oder warum er bestimmte Dinge anstrebt – etwa den Platz an der Spitze der Hierarchie. Welche Rolle spielt dieser Aspekt in der Debatte?

Whalen: Das ist eine zentrale und heikle Frage. Genau hier setzt auch die Kritik von links und aus feministischen Kreisen an: Reeves lege zu viel Gewicht auf die Biologie.

Die Entwicklungspsychologin Niobe Way von der NYU, die mehrere Bücher über die Sozialisation junger Männer geschrieben hat, formulierte in meinem Gespräch eine vorsichtige Kritik. Ihrer Ansicht nach berücksichtigt Reeves zu wenig, wie stark gesellschaftliche Erwartungen Jungen prägen: Dass man dominant sein müsse, Gefühle nicht zeigen dürfe, Härte ausstrahlen solle – all das sei sozial konstruiert.

Außerdem sei diese Form von Männlichkeit langfristig ungesund: Sie schade Beziehungen, beschädige das Selbstbild und setze Männer unter Druck, einem Ideal nachzueifern, das kaum zu erfüllen ist.

Dingman: Glauben Sie, es braucht jemanden, der mit ähnlicher Energie wie Tate oder Peterson auftritt, jedoch aus einer gegenteiligen Perspektive?

Whalen: Reeves’ Arbeit eröffnet auf jeden Fall einen Raum für Gespräche. Aber ja, man muss Männer auch dort abholen, wo sie sind – kulturell und eben auch im Internet.

Für meinen Artikel in Mother Jones habe ich junge Männer interviewt, die ich im Reddit-Forum r/exredpill gefunden habe. Sie waren zunächst in diese Szene hineingeraten, später aber wieder ausgestiegen. In dieser Weltanschauung lernten sie, dass ihre Probleme alle auf Frauen zurückzuführen seien. Sie übernahmen eine starre, vermeintlich evolutionsbiologische Sicht auf Geschlechterrollen, die ihnen am Ende schadete.

Einer erzählte mir, dass er keine Beziehungen mehr eingehen wolle, weil er Frauen für unintelligent und triebgesteuert hielt. Er sagte sinngemäß: Ich hielt Frauen für so minderwertig, dass eine Beziehung für mich keinen Wert mehr hatte. Das war erschütternd. Er hatte ursprünglich nur "male advice" bei YouTube eingegeben – und war so Schritt für Schritt in diese Welt geraten, bis er schließlich ein Tate-Anhänger wurde.

Ich glaube, vieles würde sich bessern, wenn ein größerer Teil dieser Auseinandersetzungen offline stattfände – "ausloggen und rausgehen", wie es heißt. So einfach ist es natürlich nicht, aber es wäre ein sinnvoller Anfang.


Gibt es etwas beim Mann biologisch Verankertes, weshalb er solche Kleinigkeiten als Problem betrachtet, dass sich Männer dreimal so oft umbringen wie Frauen? Es ist schon faszinierend, Journalisten dabei zuzulesen, wie sie über solche Themen sprechen.

Währenddessen setzen Männerrechtler ihre politische Arbeit unverdrossen fort. So wird die Organisation Washington Initiative for Boys and Men bei einem bevorstehenden Treffen der Führungskräfte der Demokratischen Partei des Bundesstaates Washington einen Informationsstand betreiben. In einer Ankündigung dazu heißt es:

Die Teilnahme an dieser Veranstaltung ist eine großartige Gelegenheit, mit einflussreichen Persönlichkeiten der Demokratischen Partei ins Gespräch zu kommen. Als Interessenvertretung, die sich um das Wohlergehen aller kümmert und sich auf die Belange von Jungen und Männern konzentriert, möchten wir mit Demokraten, Republikanern und Unabhängigen sprechen, also mit Vertretern der Linken, der Rechten und der Mitte (und tun dies auch sehr gerne!)


Für Oktober ist eine Veranstaltung geplant, die sich darum drehen soll, dass sich plötzlich beide großen Parteien der USA für die Anliegen von Mänern zu interessieren beginnen.

Die Washington Initiative for Boys and Men beschäftigt sich wie andere Männerrechts-Gruppen weltweit mit "Kleinigkeiten" wie Suizidraten, Bildung und Obdachlosigkeit bei Jungen und Männern.



2. Das britische Magazin The Economist beschäftigt sich mit der wachsenden Männerfeindlichkeit von Popstars wie Sabrina Carpenter:

Gemessen an ihren Songtexten hat Sabrina Carpenter ein ambivalentes Verhältnis zu Männern. Sie findet ihre Liebhaber anziehend, aufregend – und enttäuschend. In "Manchild", der ersten Single ihres neuen Albums, schimpft sie, ihr Partner sei "dumm", "langsam" und "nutzlos". Spöttisch wie über einen Steinzeitmenschen fragt sie: "Warum so sexy, wenn so dumm? / Und wie so lange auf der Erde überlebt?"

"Manchild" ist nicht der einzige Song, in dem Carpenter mittelmäßige Männer verspottet: Wieder und wieder nimmt sie Männer aufs Korn, die kaum "das Geschirr spülen" oder "einen Stuhl von IKEA zusammenbauen" können. Die amerikanische Pop-Sängerin stellt ihre Partner als einfältig dar – etwa in "Sugar Talking", wo sie spöttelt: "Du hast ständig Erleuchtungen – ein großes Wort für einen sehr kleinen Verstand." Manche beherrschen nicht einmal grundlegende Grammatik. In "Slim Pickins", einem Hit aus dem Vorjahr, beklagt sie sich über einen Mann, der "nicht einmal den Unterschied zwischen ‚there‘, ‚their‘ und ‚they are‘ kennt".

Eine ganze Reihe junger Pop-Sängerinnen verbindet eingängige Melodien mit Klagen über mittelmäßige Männer. Chappell Roan, eine US-amerikanische Singer-Songwriterin, jammert in "Super Graphic Ultra Modern Girl", dass "dieser Mann nicht tanzen wollte" und "keine einzige Frage gestellt hat". "If He Wanted To He Would" von Perrie, einer britischen Musikerin, enthält die bissigen Zeilen: "Sein Narzissmus hat dich hier draußen zur Wohltätigkeit verdammt / Er glaubt, er braucht eine Geliebte, was er wirklich braucht, ist Therapie." In "Training Season", einem Hit aus dem Jahr 2024, warnt Dua Lipa potenzielle Verehrer, dass sie keinen Mann will, dem sie erst "beibringen muss, wie er mich richtig lieben soll". Männliche Hörer könnten sich fragen, ob von ihnen Gedankenlesen erwartet wird.

Charlie Harding vom Podcast "Switched On Pop" erklärt, diese Songs spiegelten die Entwicklung des Songwritings wider. Seit Ende der 1960er-Jahre – als Künstlerinnen wie Joni Mitchell begannen, über persönliche Erfahrungen zu schreiben – hätten sich die Texte von allgemeinen Themen hin zu einem bekenntnishaften Erzählen verschoben. Pop-Sängerinnen fingen an, Hymnen über egoistische und unangenehme Männer zu singen. Carly Simon, eine amerikanische Musikerin, lieferte die geniale Paradoxie: "You’re so vain, you probably think this song is about you." Von Beyoncé bis Taylor Swift besangen Stars Männer, die ihnen das Herz brachen. Country-Sängerinnen wie Dolly Parton und Carrie Underwood verarbeiteten Untreue.

Die aktuelle Welle solcher Songs verweist jedoch auf einen sozialen Wandel. Frauen in wohlhabenden Ländern verfügen über mehr ökonomische Macht und können sich daher ihre Partner wählerischer aussuchen. Viele warten lieber, bis sie jemanden finden, der das Geschirr spült und den Toilettendeckel herunterklappt. Laut Pew Research Centre waren 2023 rund 35 Prozent der Amerikanerinnen zwischen 25 und 54 Jahren unverheiratet – 1990 waren es noch 29 Prozent. In vielen Bereichen – von Bildung bis Politik – driften junge Männer und Frauen auseinander. Fast 60 Prozent der US-Universitätsabsolventen sind Frauen. Da die meisten Frauen ungern "nach unten" daten oder heiraten, ist die Auswahl für viele gering – oder, wie Carpenter singt, "slim pickings".

Die Männer schlagen musikalisch zurück. Im August stand das Album "I’m the Problem" von Morgan Wallen, einem amerikanischen Country-Sänger, an der Spitze der Billboard-200-Charts. "If I’m so awful," singt er, "then why’d you stick around this long?"


"Zurückschlagen" wäre es, wenn männliche Popstars so über Frauen herziehen würden, wie Sabrina Carpenter über Männer.



3. "Männer wissen nicht, warum sie so unglüclich geworden sind" behauptet eine Schlagzeile der linken britischen Zeitung The Guardian über den Geschlechterkrieg in Südkorea. Der Artikel ist von ausufernder Länge; der Guardian selbst veranschlagt in der Druckfassung über 20 Minuten Lesezeit. Einige zentrale Auszüge:

Nach Ansicht von Professorin Seungsook Moon, einer Soziologin und Expertin für Geschlechterstudien am Vassar College in den USA, spiegelt der online explodierende Zorn tiefere gesellschaftliche Veränderungen wider. Sie verfolgt die Unzufriedenheit junger Männer auf Südkoreas Umarmung des Neoliberalismus zurück. "Vor der Demokratisierung, als Militärregime Korea regierten, konnte die Regierung stabile Jobs schaffen", sagt sie. "Bis Ende der 80er-Jahre konnten Männer mit nur einem College-Abschluss Jobs in guten Unternehmen bekommen. Die Wirtschaft expandierte rasch." Aber Mitte der 90er-Jahre wurden diese Männer entlassen, und "wenn sich die soziale Hierarchie verändert, reagieren Gruppen, die an mächtigere oder privilegiertere Positionen gewöhnt waren, mit intensiven emotionalen Reaktionen auf ihren Verlust an Status und Respekt."

Dieser Groll ist besonders akut um den Militärdienst – eine obligatorische 18-monatige Dienstzeit für taugliche Männer, die viele als ungerechte Last in der heutigen prekären Wirtschaft sehen. Es ist kein neues Anliegen: 1999 entschied das Verfassungsgericht gegen das Bonuspunktsystem für Militärdienst, das Veteranen zusätzliche Punkte bei Bewerbungen im öffentlichen Sektor gab. Das Gericht befand, es diskriminiere Frauen und Menschen mit Behinderungen, was das Gefühl vieler junger Männer verstärkte, traditionelle Privilegien zu verlieren, ohne neue Schutzmaßnahmen zu gewinnen.

Das Gefühl der männlichen Opferrolle ist weit verbreitet: Eine Umfrage des Hankook Research aus dem Jahr 2021 ergab, dass nur 38 % der Männer in ihren 20ern glaubten, Frauen stünden vor ernsthafter gesellschaftlicher Diskriminierung, während 79 % meinten, Männer taten es. Siebzig Prozent der Männer in ihren 30ern sahen sich als Opfer von Geschlechterdiskriminierung.

In diese Landschaft der Frustration sind neue Stimmen getreten, die vorgeben, die Interessen junger Männer zu vertreten. Dazu gehört die New Men’s Solidarity, deren Einfluss klar wurde, als Ons Angreifer stolz seine Mitgliedschaft erklärte. Die Gruppe und ihr Führer Bae In-gyu – Südkoreas Antwort auf Andrew Tate – erzielen Millionen von Aufrufen auf YouTube mit Inhalten, die Feminismus für die Kämpfe junger Männer verantwortlich machen.

(…) Seine antifeministische Botschaft wurde vom ehemaligen Präsidenten Yoon Suk Yeol übernommen, der sah, wie effektiv solche Rhetorik junge männliche Wähler mobilisieren konnte. Als er 2022 um das Amt kandidierte, behauptete dieser ehemalige Staatsanwalt ohne vorherige politische Erfahrung, es gebe "keine strukturelle Geschlechterdiskriminierung" in Südkorea. In einem Zug, der den Angriff der Trump-Administration auf Diversitäts-, Gleichberechtigungs- und Inklusionsprogramme in den USA vorwegnahm, versprach Yoon, das Gender-Equality-Ministerium abzuschaffen, da es sich zu sehr auf Frauenrechte konzentriere und nicht mehr notwendig sei. Die Strategie war entscheidend in einem der knappsten Präsidentschaftswahlen in der südkoreanischen Geschichte, wobei Yoon mit nur 0,73 % – weniger als 250.000 Stimmen – gewann. Exitpolls zeigten eine dramatische Geschlechterkluft unter jungen Wählern: Fast 59 % der Männer in ihren 20ern unterstützten Yoon, während 58 % der Frauen gleichen Alters seinen progressiven Gegner wählten.


Wegen schwerwiegender politischer Skandale wurde Yoon bald seines Amtes enthoben. Der Guardian betont aber, dass ein radikalerer Mittbewerber noch mehr Zulauf von männlichen Wählern hat:

Es war Lee Jun-seok, der die Tiefe der Geschlechterkluft in Südkorea symbolisieren sollte. (…) Während er national nur 8,34 % der Stimmen erhielt, zeigten die Exitpolls eine weitere starke Geschlechter- und Alterskluft: Fast jeder vierte Mann in seinen 20ern stimmte für ihn, zusammen mit 17,7 % der Männer in ihren 30ern. Abweisend gegenüber den Mainstream-Kandidaten hatten sie sich hinter einer Figur versammelt, die ihre Ressentiments gegen Feminismus, Militärdienst und das, was sie als umgekehrte Diskriminierung sahen, verkörperte. Sogar der neue Präsident Lee Jae Myung schien dieses Anliegen im Juli aufzunehmen, als er sein Kabinett bat, "männliche Diskriminierung" zu erforschen und Gegenmaßnahmen zu entwickeln.

Diese politische Spaltung entlang von Geschlechterlinien ist nicht einzigartig für das Land: Sie ist Teil eines globalen Musters, in dem junge Frauen nach links tendieren, während junge Männer nach rechts driften. Allerdings ist nirgendwo die "Ideologiekluft" extremer als in Südkorea, wo die Intensität der Spaltung aus dem Zusammenprall wirtschaftlicher Drucke und veränderter Werte resultiert, nach Ansicht der Politikwissenschaftlerin Min Hee Go an der Ewha Womans University in Seoul. "Es geht darum, wer mehr vom Kuchen bekommt, sei es materielle Ressourcen, Jobchancen, sogar gute Partner", sagt sie. "Es ist sehr gnadenlos, besonders in einer Umgebung, in der junge Leute auf eine beispiellose Weise konkurrieren müssen."

(…) Während der Geschlechterkrieg zugenommen hat, haben sogar die Anti-Misogynisten manchmal toxische Taktiken übernommen. Was als "Spiegeln" begann – misogynistische Rhetorik umzudrehen, um Männer zu treffen – hat sich zu immer extremeren Formen des Widerstands entwickelt. Wenn männliche Foren Frauenleiber verspotteten, verhöhnten die Feministinnen von Megalia – einer Online-Community, die 2015 entstand – Penisgrößen. Wenn Frauen "Kimchi-Schlampen" genannt wurden, prägten Megalians Begriffe für Männer wie "hannam-chung" ("koreanische Männermilbe"). Obwohl Megalia nun geschlossen ist, ist es zu einem bequemen Prügelknaben für die geworden, die feministische Aktivismus delegitimieren wollen.

In den letzten Monaten hat die globale Aufmerksamkeit der Randbewegung "4B" zugewandt, die einen vollständigen Rückzug aus einem System fordert, das sie als unrettbar patriarchalischer ansieht. Ihre Anhängerinnen lehnen Dating, Ehe, Geburten und jegliche romantischen Beziehungen zu Männern ab.

Solche radikalen Reaktionen haben eine breitere Gegenreaktion gegen den Feminismus angeheizt. Sogar Männer und Frauen, die Geschlechtergleichheit unterstützen, distanzieren sich nun oft vom Begriff, der zu einem Schimpfwort geworden ist. Heute kann schon die bloße Anschuldigung, feministische Sympathien zu haben, öffentliche Entschuldigungen von Unternehmen auslösen.




4. Wir wechseln zu Artikeln aus Deutschland. Auch die Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft beschäftigt sich in einem langen Artikel mit der Manosphäre – und mit dem Geschlechterverhältnis insgesamt. Der Autor legt in seinem Beitrag dar, dass es einen Sexismus gibt, der Frauen bevorteilt: "Das belegt eine Studie, in der mehr als 8000 Teilnehmer aus aller Welt befragt wurden. Das Ergebnis entsprach dem Muster früherer Studien, vor allem aus den USA: Frauen wurden durchweg positiver bewertet als Männer – und zwar von beiden Geschlechtern." Auch zeigte sich, dass Frauen Sexisten als sexy empfanden, wenn diese Männer Frauen als "entzückende und schützenswerte Wesen" betrachten. Dass diese Einstellung dem weiblichen Geschlecht auch Schwäche unterstellt und solche Männer die Verantwortung für Vergewaltigungen von Frauen eher beim Opfer sehen, fällt dabei unter den Tisch.

Zum Sexismus in der Arbeitwelt heißt es in dem Artikel:

Wenn Männer und Frauen in den "falschen" Bereichen unterwegs sind, also wenn Männer versuchen, in klassischen Frauenberufen Fuß zu fassen, oder umgekehrt Frauen in Männerberufen, dann sind sie mit vielen Hindernissen konfrontiert. Die Psychologin Madeline Heilman und der Sozialforscher Aaron Wallen untersuchten das in einer 2010 erschienenen Arbeit. Probanden bekamen Profile von Finanzberatern ("typisch männlicher" Beruf) oder HR-Beratern ("typisch weiblicher" Beruf) vorgelegt, die stets als kompetent ausgewiesen waren. Einige der abgebildeten Personen entsprachen dem »passenden« Geschlecht für ihren Job, andere nicht. Die Probanden sollten ihre Einschätzung abgeben – unter anderem dazu, wie sympathisch die Personen waren, zu ihren Führungsqualitäten und anderen Eigenschaften. Das Ergebnis: Frauen mit Erfolg in "männlichen" Berufen wurden als kälter und manipulativer wahrgenommen als ihre männlichen Kollegen, Männer mit Erfolg in "weiblichen" Berufen hingegen als schwächer und weniger respektiert.

Für Männer ist das ein Problem, weil mittlerweile einige Berufe größtenteils von Frauen ausgeübt werden – etwa im Schuldienst oder in der Psychotherapie. In Deutschland sind 73 Prozent aller Lehrkräfte und rund 77 Prozent der psychologischen Psychotherapeuten weiblich. Das ist nicht nur bedauerlich für Männer, die diese Berufe gerne ergreifen würden, sich jedoch von ihrer starken weiblichen Prägung abschrecken lassen. Auch männlichen Schülern fehlen so womöglich Vorbilder. Patienten wiederum, die einen männlichen Therapeuten bevorzugen, haben es bei der ohnehin oft langwierigen Suche nach einem Therapieplatz noch schwerer.


In späteren Absätzen geht es um die Mitleidslosigkeit unserer Gesellschaft gegenüber Männern. Auch hier sind in dem Wissenschaftsmagazin Aspekte angekommen, auf die Männerrechtler seit Jahrzehnten aufmerksam machen:

Männern wird oft weniger Empathie entgegengebracht, ein Phänomen, das als "gender empathy gap" bezeichnet wird. Ein Video aus dem Jahr 2014, das mit versteckter Kamera auf einem Platz in London aufgenommen wurde, verdeutlicht dies: Ein Mann und eine Frau, die sich öffentlich streiten und körperlich angehen, erfahren ganz unterschiedliche Reaktionen von Passanten. Attackiert der Mann die Frau, greifen Zeugen schnell ein und belehren ihn. Im umgekehrten Fall reagieren sie eher amüsiert und halten sich raus. Dies hängt sicher auch mit der wahrgenommenen physischen Überlegenheit des Mannes und der unterschiedlichen Bedrohungslage in Partnerschaften zusammen. Doch auch in anderen Situationen wird Leib und Leben von Männern ein geringerer Stellenwert zugewiesen. So etwa im Krieg, wo zwar alle Zivilisten Opfer von Angriffen oder Massakern werden können, eine Gesellschaft jedoch meist nur die männliche Bevölkerung in den Kampf zum Töten und Sterben schickt. Männer üben außerdem überwiegend die riskanteren Jobs aus. Mehr als 90 Prozent aller Todesfälle am Arbeitsplatz fallen in Deutschland Männern zu. Sie sind einsamer und sterben häufiger "deaths of despair" – also Elendstode an Alkohol oder anderen Drogen oder an Suizid. Stellenweise schlägt Geschlecht sogar Wohlstand, was Überlebenschancen anbelangt: Auf der Titanic hatten Herren, die in der ersten Klasse gereist waren, eine geringere Überlebenswahrscheinlichkeit als Damen in der dritten Klasse.

Männer können in patriarchalen Gesellschaften seit jeher also müheloser aufsteigen als Frauen. Allerdings können sie auch deutlich tiefer fallen. Der Sozialpsychologe Roy Baumeister von der University of Queensland spricht in diesem Zusammenhang von "male expendability", männlicher Entbehrlichkeit. Er führt diese relative Geringschätzung männlichen Lebens auf evolutionspsychologische Mechanismen zurück.




5. Währenddessen sucht der Feminismus immer noch händeringend nach neuen Themen. Nach Toilettengängen und Unkraut-Jäten (Genderama berichtete) versucht man es dort jetzt mit Biertrinken. Der verlinkte Artikel kann mit denen des Guardian und des Spektrums der Wissenschaft gleichziehen, was seine Länge betrifft.



6. Toxische Weiblichkeit in Reinform: "Frau heuert über Stieftochter (13) Auftragskillerin für Ehemann an".



7. Mehr toxische Weiblichkeit: Der Schauspieler Marc Dumitru berichtet, eine Stalkerin losgeworden zu sein.

Es sei auch nicht das erste Mal, dass er mit der Problematik zu tun gehabt habe, sagte Dumitru. »Ich hatte leider auch vorher schon mit Stalkerinnen zu tun – einmal hat es eine Frau sogar bis ins Wohnzimmer meiner Großmutter geschafft«, berichtete er. "Solche Erlebnisse gehen einem schon ziemlich nah."


Der "Women-are-wonderful"-Effekt ist mitunter nur mit Mühe aufrechtzuerhalten.



8. Bundeskanzler Friedrich Merz musste bei einer Gedenkveranstaltung zur Judenverfolgung weinen. Der Berliner Tagesspiegel pampt ihn für dieses "unmännliche" Verhalten an, aber natürlich aus einer woken Perspektive. Die angebliche "Ehrfurcht vor männlichen Tränen", so der Autor, "führt leicht in die Irre. Jedenfalls, solange nur das zerknitterte Gesicht mit den wässrigen Augen im Fokus steht, das ultimative Drama, die höchste Eskalation menschlicher Emotionen also." Das sei vergleichbar mit dem "Mit-der-Faust-auf-den-Tisch-Hauen. Das gilt vor allem für Väter, die plötzlich vor ihren Kindern weinen." Das sei nämlich erschreckend und verwirrend.

Anschlussfähiger und dialogischer ist es, wenn die Tränen das Ende einer emotionalen Entblößung darstellen. Erst wird gesagt oder erklärt, wo der Schuh drückt, was belastet, betrübt, verstört, entsetzt, und dann wird – durchaus auch unter dem Eindruck der eigenen Schilderungen – losgeheult. Das ist dann natürlich weniger dramatisch. Sondern eher: weiblich.


Der "Women-are-wonderful"-Effekt ist beim Tagesspiegel stark.

Und so ist es kaum ein Wunder, dass besonders Frauen – unter ihnen die Autorin dieser Zeilen – einen leichten Zweifel angesichts der kontextlosen Männer-Tränen und vor allem dem anerkennenden Feedback dafür spüren.


"Kontextlos". Nachdem sich Merz in seiner Rede ausführlich mit den Schrecken der Judenverfolgung auseinander gesetzt hatte. Liest man den Tagesspiegel, könnte man glauben, Merz habe aus heiterem Himmel losgeplärrt.

Und kaum, dass Männer damit in die Öffentlichkeit drängen, ist große Aufregung. Am Rande: Gibt es eigentlich "genderelle" Aneignung? Und wenn: Wieso regt die niemanden auf?

Insofern möchte man Männer geradezu zur Zurückhaltung aufrufen. Weinen Sie gern oft, verehrte Herren, Anlässe gibt es genug. Aber ehrlich gesagt: Machen Sie das ruhig weiter heimlich – oder, wenn das nicht geht, erklären Sie doch netterweise Ihre Tränen. Dann sind die nicht ganz so zum Heulen.




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