Montag, August 04, 2025

Londoner Times: "Welcher Mann kann einer Frau je wieder trauen?"

1. Die Empörung über den Hack gegen die sexistische Dating-Plattform TEA war in deutschen Medien in den letzten Tagen groß. Beim STERN etwa heißt es:

Die Nutzer bei "4Chan" warteten nicht lange damit, die Daten auch zu benutzen. Sie verbreiteten Profile der "Opfer" des Dienstes, also der bewerteten Männer, luden die Verifikationsfotos der Frauen bei Webseiten hoch, bei denen man das Aussehen bewerten kann. Eine eigens kreierte Webseite erlaubte es, die gestohlenen Profile zu durchforsten und in einer Art Bestenliste miteinander zu vergleichen.


Ich habe ein wenig recherchiert, ob es diese Website wirklich gab und woher diese Behauptung ursprünglich stammte. Quelle scheint ein Beitrag von Fox News zu sein:

Kurz nach dem Datenleck erschien eine Website unter spill.info.gf, auf der Nutzer angeblich durchgesickerte Selfies von Tea-Nutzern ansehen und bewerten konnten. Die Domain ist inzwischen offline gegangen, aber nicht bevor sie in den sozialen Medien für heftige Kritik gesorgt hatte.


Fox News wiederum bezieht sich als Quelle auf diesen Tweet, der Auszüge der Seite zeigt und natürlich sofort Schadenfreude erntete, weil die betroffenen Frauen jetzt ihre eigene Medizin zu schmecken bekamen. Andere wandten allerdings ein, dass man asozialem Verhalten nicht mit eigenem asozialen Verhalten begegnen sollte. Vermutlich war dieses Feedback der Grund dafür, dass diese Website, anders als "Tea", nur sehr sehr kuz online blieb.

Bei weiblichen Betoffenen wird also erkannt, wie destruktiv dieses Verhalten it, bei Männern nicht. Christian Schmidt hatte das am Wochenende kurz auf den Punkt gebracht:

Wäre interessant, wie die Reaktion auf eine entsprechende App für Männer wäre, auf der sie Frauen bewerten. Ich vermute da würde der Aufschrei sehr groß sein.


Eine Zeitung, die TEA so kritisch bewertet hat, wie die App es verdient, ist die ehrwürdige Londoner "Times":

Es ist der Tea Party Group Chat, der bei verärgerten männlichen Dating-Nutzern die größte Besorgnis hervorruft. Während die App ein Moderations-Tool namens "SafeSip" verwendet, um schädliche Inhalte zu entfernen, beschweren sich Männer auf X, dass sie "gedoxxt" werden – eine Form von Cybermobbing, bei der private Informationen ohne die Zustimmung der Person veröffentlicht werden.

Ein Mann beklagt, dass es "ein Ort ist, an dem verletzte Frauen ... einseitige Geschichten über Männer erzählen und deren Ruf ohne jeglichen Kontext oder Beweis schädigen können"; ein anderer sorgt sich um eine Zukunft, die durch "Überwachung durch unsere Mitmenschen" zerstört wird.

(…) Man muss sich nicht in die Tea-App einloggen, um ihre Toxizität zu spüren. Screenshots aus der App auf Reddit zeigen einige schockierende Behauptungen von weiblichen Nutzern. "Meidet diesen Mann!!", sagt eine. "Sein Name ist [redigiert]. Er hat Mundherpes und Geschlechtskrankheiten. Er lügt, um zu bekommen, was er will, und verschwindet dann." Ein anderer Mann wird als "missbräuchlich, pathologischer Lügner, manisch und mit Opfermentalität" beschrieben. "Liebt Drama." Eine andere Nutzerin bezeichnet einen Mann als "Meth-Süchtigen. Wird Frauen emotional und körperlich missbrauchen. Geheimes Leben mit älteren schwulen Männern." In anderen Beispielen posten Frauen Bilder ihrer Partner, während diese schlafen, um herauszufinden, ob andere Frauen sie erkennen. Nutzer können sogar Benachrichtigungen für den Namen eines bestimmten Mannes einrichten.

Dieser Tee ist in der Tat bitter.

Als ich die App heruntergeladen habe, gab sie mir eine Reihe von Versprechungen: "Alles ist anonym", "Screenshots sind unmöglich", "Sie können alle Beiträge im Land nach dem Namen eines Mannes durchsuchen". Das ist sicherlich beruhigend – solange man eine Frau ist, die die App nutzt, und kein Mann, der durch Klatsch und Tratsch in Stücke gerissen werden könnte.

(…) Die Wahrheit ist: Tea gießt Öl ins Feuer einer ohnehin schon angespannten Dating-Szene für meine Generation. Es mag gut gemeint sein, aber es wird unweigerlich jedes Gefühl von romantischem Risiko oder Hoffnung auf Authentizität unter meinen Altersgenossen abkühlen. Schlimmer noch, die App versteckt sich hinter dem Gedanken der Transparenz: nichts zu verbergen, nichts zu befürchten. Aber das ist einfach Selbstjustiz, die sich vollständig auf die Skrupel anonymer Frauen verlässt. Mit Tea auf der Bildfläche, welcher Mann würde sich jemals wieder trauen, sich mit einer Frau zu verabreden?


Im Heise-Forum hat jemand eine Auskunft von ChatGPT über die TEA-App online gestellt:

Hier sind die aktuellen Entwicklungen und Zahlen zur Tea-App – sowohl zur Nutzung ihrer "Warnfunktion" als auch zum Gebrauch als Bewertungstool:

Nutzung und Verbreitung der App

Tea zählt laut Schätzungen rund 1,6 Millionen aktive Nutzerinnen (Stand Juli 2025) und liegt auf Platz 1 der App Store Charts in den USA mit über 900.000 neuen Anfragen zur Anmeldung in nur einer Woche. Insgesamt sind das mittlerweile über 4 Millionen Anwenderinnen

Die App wurde als Sicherheits-Tool für Frauen positioniert – mit Features wie Reverse Image Search, Hintergrundüberprüfungen und anonymer Bewertung "red flags"/"green flags"

Warnungen vs. Ratings – Welche Nutzung dominiert?

Untersuchungen (z. B. CNBC Make It) zeigen: Die Plattform wird zunehmend als Bewertungstool, nicht als Warn-App genutzt. Viele Nutzerinnen setzen "red flags" basierend auf Ästhetik, Stil oder subjektiver Einschätzung, nicht auf objektiven Kriterien wie Missbrauch oder Sicherheit.

Beiträge auf Reddit berichten, dass wahlloses Trollen oder Abgabe von negativ gesetzten Flaggen per Klick üblich sei. Ein "Red Flag Counter" zählt wie häufig Nutzer*innen eine Person negativ bewertet haben – offenbar oft ohne Hintergrundwissen.

Was sagt der Community-Eindruck?

Viele Nutzer:innen berichten, dass echte Sicherheitswarnungen selten sind. Stattdessen dominiere Alltagskritik: Stil, Finanzen, sexuelle Vorlieben statt Verhalten.

Ein Redditor: "I honestly don't think I've seen an actual safety-related post yet."

(…) Die Rating-Nutzung dominiert deutlich. Obwohl die App vorgibt, Menschen vor potentiell gefährlichen Begegnungen zu schützen, werden viele Profile mit "Red Flags" markiert, ohne dass konkrete Sicherheitsbedenken vorliegen.

Fazit

Der ursprüngliche Zweck – schützen durch warnen – tritt zunehmend in den Hintergrund.

Tea wird effektiver als Bewertungsplattform genutzt, die Männer in vielerlei Hinsicht kategorisiert und markiert – oft basierend auf oberflächlichen oder emotionalen Kriterien.

Die Plattform verliert damit schnell ihre Schutzlogik – und verfällt stattdessen der Dynamik eines digitalen Prangers, auch wenn dies nicht offiziell kommuniziert wird.




2. "Seit 45 Jahren behandele ich Männer. Was ich sehe, ist alarmierend" berichtet der Urologe Hartmut Porst der "Welt", die ihn als einen der führenden Sexualmediziner Europas vorstellt. Ein Auszug aus dem Interview:

WELT: Den Pap-Test für Frauen zahlen die Krankenkassen ab 20 Jahren jährlich, ab 35 in Kombination mit einem HPV-Test alle drei Jahre. Warum gibt es keine Routine-Abklärung bei Männern?

Porst: Auch das ist eine große Lücke in der Männergesundheit. In der Gynäkologie gehört HPV längst zur Routine: Pap-Test, Impfung, HPV-Screening – das ist alles etabliert, aber nur auf die beiden High-Risk-HPV 16 und 18, wobei wir in unserem Institut immer auf die 15 wichtigsten, potenziell Krebs auslösenden HR HPV testen. Und bei Männern? Fehlanzeige. Kein Screening, keine Aufklärung, keine Vorsorge.

(…) WELT: Warum wissen Männer so wenig über HPV?

Porst: Weil sie niemand aufklärt. Es gibt kein offizielles Vorsorgeprogramm, kaum Informationen und nur sehr wenige Urologen, die überhaupt testen.




3. Der Münchner "Merkur" berichtet: "Sexuelle Misshandlung am S-Bahnhof: Diese drei Männer schnappten den Täter und halfen dem Opfer". Normalerweise wird die Tatsache, dass auch Helfer und Retter weit überwiegend männlich sind, gern unter den Tisch fallen gelassen.



4. Die Berliner Zeitung beschäftigt sich mit feministischer Entwicklungspolitik: "Eine halbe Million Euro für Gender-Workshops in China".



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