Montag, April 07, 2025

Wie männerfeindliche Klischees zu Donald Trump & Co. geführt haben

1. In der "Welt" beschäftigt sich Julian Theilen damit, welche Schäden das Männer-Bashing und die Freude an dumpfen Klischees hinterlassen hat:

Softie oder Macho? Das sind die Zerrbilder, die seit Jahren den öffentlichen Männlichkeitsdiskurs bestimmen. Das Ergebnis ist dramatisch: Jungen Männern fehlt es heute an wirklichen Vorbildern, die beides sind: manchmal aggressive Eroberer, manchmal sensibel und verletzlich.

(…) Lange war Männlichkeit eine unverhandelte Selbstverständlichkeit. Sie war einfach da, definiert durch körperliche Stärke und Leistungsfähigkeit. In den vergangenen Jahren wurde dieses Bild erst schleichend, dann mit wachsender Vehemenz zurecht infrage gestellt. Herausgekommen ist aber vor allem im aufgeklärten, urbanen Milieu genau das entgegengesetzte Bild als Idealvorstellung: Der moderne Mann sollte fortan durchgehend achtsam seine Gefühle kommunizieren, stets Grenzen wahren und sich zurückzunehmen. Während der Feminismus die Rolle der Frau vielfältiger und facettenreicher gedacht hat, ist hier die Diskussion über Männlichkeit oft im Schwarz-weiß stecken geblieben. Aus Schwarz wurde nur eben Weiß. Was fehlt, ist ein realistisches, praxistaugliches Bild, das auch Widersprüchlichkeiten aushält.

Warum ist es denn zum Beispiel so, dass auch bei Frauen auf Partnersuche – allen kognitiven Verrenkungen zum Trotz – noch das archaische Programm kickt? Und sie (eher anekdotische Evidenz, klar) für Sex dann doch lieber den 1,90 Meter großen, breitschultrigen Mann mit exorbitantem Selbstbewusstsein wollen? Während sie sich in öffentlichen Runden empört darüber beschweren, auf ihre femininen Rollenbilder reduziert zu werden? Vielleicht waren viele Frauen auch hier nicht aufrichtig genug. Die Realität, dass Selbstgewissheit und Durchsetzungsstärke auch eine gewisse Faszination hergeben (und in der Arbeitswelt notwendig sind), wurde einfach verleugnet.

(…) Allein schon das Wort Testosteron hat in den vergangenen Jahren im öffentlichen Diskurs zu Schnappatmung geführt. Was ein Wahnsinn ist, wenn man sich vorstellen würde, das weibliche Sexualhormon Östrogen würde so problematisiert werden. Aggression, mit Testosteron assoziiert, ist vollkommen verpönt. Dabei braucht es eben eine Form von Aggression, um sich gegen den Nebenbuhler durchzusetzen, einen Gegenspieler auf dem Fußballfeld abzuräumen oder eine Karriere im Job zu landen. Selbst, um in einen Apfel zu beißen, braucht es Aggression.

Zu lange wurde auf diese köchelnde Diskussion der Deckel draufgehalten, und jetzt schäumt der Topf über. Das Ergebnis ist auch auf politischer Ebene die extreme Form toxischer Männlichkeit, die so gar keine Grautöne mehr zulässt, aber dafür Unnachsichtigkeit verspricht: Donald Trump und seine MAGA-bros sind nicht aus heiterem Himmel auf die große Bühne geplumpst. Sie sind auch eine Frustrationsantwort auf eine Männlichkeit, die sich als minderwertig sieht. Männer haben schlechtere Bildungsabschlüsse als Frauen, das ist eindeutig belegt. Das liegt auch daran, dass die Schule strukturell weiblich ist. Lehrkräfte, die meisten von ihnen Frauen, honorieren eher weiblich assoziierte Eigenschaften wie Selbstdisziplin, soziale Fähigkeiten oder lernförderliche Motivation. Kurzum: Sie belohnen Verhaltensweisen, die ihnen selbst näher scheinen.


Theilen plädiert dafür, diesen Entwicklungen mit männlicher Solidaität zu begegnen:

Immer wieder selbstgefällig in den „Wir Männer sind das Problem“-Kanon einzustimmen, hilft nicht. Solange progressive Männlichkeitsforscher zum Beispiel auf Männer herabblicken, die gerne in Fitnessstudios ihre Körper aufpumpen oder sich messen wollen, brauchen wir sie nicht. Diese Solidarität schließt nicht aus, problematische Verhaltensweisen klar zu benennen. Die Zeit drängt. In der Mitte, zwischen all den Zerrbildern, ist eine zu große Leerstelle entstanden.




2. "Die ,neuen Männer‘ haben dazu beigetragen, dass ein hässlicher Typus Mann zurückkehrt", behauptet der Schriftsteller Matthias Politycki, der ein Buch über Männer geschrieben hat, im Magazin Cicero. Ein Auszug aus dem Interview:

Der Bogen ist auch jetzt wieder überspannt, eine für unsere Gesellschaft ursprünglich wichtige, belebende Bewegung hat sich in immer mehr Widersprüche und Absurditäten verwickelt, sie ist ideologisch an ihr Ende gekommen. Denken Sie nur an all die kleinen Jungs, die sich in der Kita jeden Tag aufs Neue entscheiden mussten, ob sie heute Mädchen, Junge oder Schmetterling sein wollten. Kein Wunder, dass diese kleinen Jungs in ihrem Rollenverständnis zutiefst verunsichert sind und vieles nicht mehr hören wollen. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Es steht einem Mann nach wie vor sehr gut zu Gesicht, empathisch und verständnisvoll zu sein, sich nicht von überkommenen Rollenerwartungen bestimmen zu lassen. Im Moment kann man nur hoffen, dass nach These und Antithese bald auch eine Synthese sichtbar werden wird, ein "neuer alter Mann".




3. In der "Zeit" schildert Lisa Seelig, wie schwierig es für sie ist, ihre Weltanschauung mit der neuen weltpolitischen Wirklichkeit in Einklang zu bringen:

Kein Ziel und keine Ehre, keine Pflicht sind's wert, dafür zu töten und zu sterben, singt Reinhard Mey. Und man muss von ihm schon zu [dem Historiker] Sönke Neitzel gehen, um statt einem "Hmmja, schon richtig, aber..." eine offen andere Sicht auf die Dinge zu bekommen. "Wenn unsere Demokratie, unsere schöne Lebenswelt hier bedroht ist: Wie soll das funktionieren, wenn keiner bereit wäre, das Land zu verteidigen und alle lieber nach Kanada abhauen?", fragt er. Eines seiner Bücher heißt "Kämpfen, Töten, Sterben" und er würde allen Menschen empfehlen, sich damit auseinanderzusetzen, was Krieg wirklich bedeutet und dass es einen maximalen Gegensatz gibt zwischen der Logik und den Werten der zivilen Gesellschaft und der Logik des Militärs.

Neitzel hat kein Problem damit, diese Logik auch zu beschreiben, die uhrwerkhafte Organisation in größter Gefahr, für die es klare Kommandostrukturen sowie Opfer- und Gewaltbereitschaft braucht. "Schauen Sie sich an, wie die Kämpfe in Bachmut gelaufen sind. Da brauchen Sie die violent few: abgebrühte und kaltblütige Männer, die trotz Lärm und Todesgefahr die Übersicht behalten, die eigentlichen Dirigenten der Gewalt." Was er mir sagen will: Die Demokratie wird auch mit Brutalität verteidigt.

Womit ich gedanklich wieder bei meinem Sohn wäre, den ich nun mehr als 13 Jahre lang versucht habe, zu einem feministisch denkenden, sanften Mann zu erziehen: Mein Kind ist keiner der violent few. Mein Kind, das so zärtlich mit seiner jüngsten Schwester spielt; das auf seiner Stammposition im defensiven Mittelfeld auf dem Fußballplatz zuverlässig an sich selbst verzweifelt, weil es so viel Angst hat, jemandem mit einer Grätsche wehzutun; das eine schlaflose Nacht hat, wenn es vergessen hat, einem wichtigen Menschen Tschüss zu sagen.

Sönke Neitzel hat eine gute Nachricht: Er hält es für unwahrscheinlich, dass sich mein sanfter Sohn bald in den Schützengraben werfen muss. Er findet die Realitätsverweigerung meines Milieus allerdings verlogen. "Diese Mentalität, alles zu nehmen, was mein Staat mir bietet, zu profitieren, aber nicht bereit sein, etwas zu geben: Mit einem solchen hedonistischen Individualismus kann ein Gemeinwesen nicht funktionieren."


Im Fazit des Artikels findet man eine Einsicht, zu der sich manche Feministin nur unter größter gedanklicher Qual durchringen kann:

Wie wäre es, wenn man das selbstgerechte Pathos wegließe und die Söhne einfach selbst entscheiden ließe?


Aber macht Feminismus überhaupt noch Spaß, wenn man nicht länger am Mann herumbasteln kann, wie er nun aktuell gewünscht sein soll?



4. Grüne wollen beim Wehrdienst auch Frauen in die Pflicht nehmen, solange dafür "Gleichstellung in allen anderen Bereichen" geschaffen würde.



5. Ein erfreulicher Nebeneffekt der Serie "Adolescence": Sie hat auch zu mehr maskulistischen Artikeln inspiriert als jede Serie zuvor. "Eine toxische Gesellschaft, nicht toxische Männlichkeit machte Andrew Tate berühmt", schlagzeilt aktuell etwa die führende Washingtoner Tageszeitung The Hill.

Tate ist nicht der Urheber der Krise, mit der junge Männer heute konfrontiert sind - er ist ein Symptom dafür. Die New York Times möchte Sie vorhersehbar vom Gegenteil überzeugen. Das Gleiche gilt für The Guardian. In den letzten Wochen haben die Mainstream-Medien die Netflix-Serie "Adolescence" als Startrampe für einen neuen Krieg gegen die Männlichkeit genutzt.

Sie stellen Tate als einen besonders gefährlichen Einfluss dar, der Jungen zu gewalttätigen Frauenhassern radikalisiert. Die Wahrheit ist komplizierter und oft noch vernichtender. Das Bildungssystem, die Mainstream-Kultur und die sozialen Institutionen haben Jungen seit Jahren im Stich gelassen, und das begann lange bevor Tate zu einem bekannten Namen wurde. Dieses Eingeständnis erfordert jedoch viel Selbsterkenntnis. Es ist viel einfacher, eine einzelne kontroverse Figur zu beschuldigen, als zuzugeben, dass unsere gesamte Gesellschaft kaputt ist.

Die Schulen, insbesondere in den westlichen Ländern, sind zunehmend feindselig gegenüber den traditionellen Ausdrucksformen der Männlichkeit geworden. Von Jungen wird erwartet, dass sie sich wie Mädchen verhalten - dass sie stillsitzen, passiv sind und ihre natürlichen Instinkte unterdrücken.

Das Bildungssystem ist auf weibliche Lernstile zugeschnitten, wobei der Schwerpunkt auf verbalen Fähigkeiten statt auf praktischem Lernen, auf Gruppendiskussionen statt auf Wettbewerb und auf Gehorsam statt auf Unabhängigkeit liegt. Wenn ein Junge in diesem Umfeld Schwierigkeiten hat, werden ihm keine alternativen Wege zum Erfolg eröffnet. Stattdessen wird er in der Regel mit Medikamenten behandelt, diszipliniert oder als verhaltensgestört abgestempelt.

Diejenigen, die jetzt entsetzt die Augen verdrehen, sollten wissen, dass es sich hierbei nicht um eine "Anti-Woke"-Theorie handelt. Sowohl im Vereinigten Königreich als auch in den USA fallen die Jungen in der Schule auf allen Ebenen zurück. Es ist wahrscheinlicher, dass sie die Schule abbrechen, dass sie deutlich seltener eine höhere Ausbildung anstreben und dass sie sich zunehmend von der Schule abwenden.

In den USA wird bei Jungen häufiger eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung diagnostiziert, sie werden häufiger vom Unterricht befreit und nehmen häufiger an Sonderschulprogrammen teil. Dies sind keine unbedeutenden Trends. Sie deuten auf ein Bildungssystem hin, das nicht mehr weiß, wie man Jungen unterrichtet, geschweige denn sie inspiriert.

Die Dämonisierung der Männlichkeit - die Brandmarkung als toxisch und als etwas, das gezielt bekämpft und im Wesentlichen ausgerottet werden muss - fand statt, lange bevor Tate sich eine Designerbrille aufsetzte und ein Heer von ergebenen Jüngern um sich scharte. In den späten 1990er und frühen 2000er Jahren hatte die kulturelle Wahrnehmung von Männern bereits ihren Niedergang begonnen. Die Unterhaltungsindustrie, die noch Jahrzehnte von ihrer "Me-Too"-Rechnung entfernt war, spielte eine entscheidende Rolle, indem sie Väter und Ehemänner regelmäßig als unfähige Trottel darstellte, die nicht einmal in der Lage waren, grundlegende Pflichten zu erfüllen.

Wenn Sie daran zweifeln, brauchen Sie sich nur die dominierenden männlichen Figuren im Mainstream-Fernsehen der letzten zwei Jahrzehnte anzusehen: Peter Griffin ("Family Guy"), Homer Simpson ("The Simpsons"), Phil Dunphy ("Modern Family"). Das Muster ist dasselbe - kindisch und ständig von ihren Frauen und sogar ihren Kindern überlistet. Diese Männer sind keine Anführer oder Beschützer. Sie sind bestenfalls Comicfiguren, die wegen ihrer Unfähigkeit gnadenlos verspottet werden.

Selbst wenn Männer als erfolgreich dargestellt wurden, waren sie emotional verkrüppelt oder ahnungslos – kaum mehr als eine Quelle der Verzweiflung für die starken, unabhängigen Frauen um sie herum. Und das gilt in der heutigen Unterhaltungsbranche genauso wie vor mehr als zehn Jahren.

Niemand ist vor dem Wahnsinn sicher, nicht einmal einst verehrte männliche Helden wie Thor. Eine der traditionellsten männlichen Figuren in der Geschichte der Comics war zu einer Pointe geworden, als "Thor: Love and Thunder" (2022) veröffentlicht wurde. Er wurde als hirnloser, stümperhafter Clown dargestellt, während den weiblichen Figuren in seiner Umgebung mehr Macht, Intelligenz und Würde zugestanden wurde.

Vergleichen Sie dies mit den 1980er und frühen 1990er Jahren, als Actionstars wie Arnold Schwarzenegger, Sylvester Stallone und Bruce Willis Männer spielten, die Stärke, Belastbarkeit und Verantwortung verkörperten. Diese Charaktere waren nicht perfekt, aber sie waren erstrebenswert.

Natürlich haben auch die Universitäten eine wichtige Rolle dabei gespielt, das Narrativ "Männer sind böse" aufrechtzuerhalten. Ende der 2010er Jahre hatte der Begriff "toxische Maskulinität" Eingang in den Mainstream-Diskurs gefunden und wurde von der feministischen Theorie in die Lehrpläne der Universitäten übernommen. Es dauerte nicht lange, bis er auch in Schulungsprogrammen von Unternehmen und in den Medien auftauchte.

In dieser Sichtweise war Männlichkeit nicht länger eine Eigenschaft, sondern eine soziale Krankheit. Jedes traditionell männliche Verhalten - Durchsetzungsvermögen, Konkurrenzdenken, sogar Stoizismus - wurde plötzlich verdächtig. Jungen wurde beigebracht, diese Instinkte zu unterdrücken - weicher, angenehmer, respektvoller zu sein. Die Schulen begannen, "problematische" Jungen in rasantem Tempo zu therapieren. Jungen, die in dieser Zeit aufwuchsen, verinnerlichten die Botschaft, dass Männlichkeit gefährlich ist, Macht Missbrauch bedeutet und Ehrgeiz Unterdrückung ist.

Das Ergebnis war ebenso vorhersehbar wie giftig. Heute sind immer mehr junge Männer unkonzentriert, deprimiert und isoliert - sie zögern, sich durchzusetzen, und haben Angst, dass ihr Selbstvertrauen oder ihre Führungsqualitäten als Aggression wahrgenommen werden könnten.

Ich frage mich also, ob es wirklich schockierend ist, wenn sich junge Männer desillusioniert, ignoriert und beiseite geschoben fühlen, dass sie sich online an zwielichtige alternative Figuren wenden? Wenn Institutionen ihnen sagen, dass ihre natürlichen Instinkte gefährlich sind, wenn die Popkultur sie lächerlich macht, wenn die akademische Welt sie als mangelhaft behandelt, wenn Unternehmen auf jeden Missstand eingehen, nur nicht auf den ihren, wohin gehen sie dann?

Tate hat diese Krise nicht verursacht - er ist einfach in die Lücke getreten. Er präsentierte sich als das Gegenmittel zu einem System, das junge Männer jahrzehntelang davon überzeugt hatte, dass sie das Problem seien.

Männlichkeit ist nicht giftig. Sie ist nicht etwas, das ausgerottet oder wie eine Krankheit behandelt werden muss. Sie ist und war schon immer ein wesentlicher Bestandteil der menschlichen Natur, der Zivilisation selbst. Die wirkliche Gefahr, so argumentiere ich unmissverständlich und unapologetisch, ist nicht die Männlichkeit. Es ist das, was passiert, wenn man eine ganze Generation von Jungen davon überzeugt, dass man sich dafür schämen muss, ein Mann zu sein.




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