Tagesspiegel: "Wird Männerhass der neue Feminismus?: So kann Gleichberechtigung nicht erreicht werden"
Am Wochenende war wieder Weltfrauenkampftag (8. März). An diesem hohen Feiertag wird traditionellerweise nicht nur noch mehr auf Männer eingeprügelt, als es ohnehin üblich ist, sondern auch der Feminismus gefeiert und in vielen Medienbeiträgen diskutiert. Hier eine kleine Auslese aus diesem Jahr:
1. Im Berliner Tagesspiegel, wettert Farangies Ghafoor in geübter Manier gegen Kerle und zieht mehrere Absätze lang ordentlich vom Leder: "Frauen sind wütend und diese Wut ist berechtigt. Ich bin wütend (…), dass Medikamente überwiegend an Männern getestet werden." (Ob die Dame dann auch wütend auf Tiere ist?) Beim Toben geht Ghafoor jedoch auf, dass diese Strategie vielleicht nicht die beste sein könnte, um unter diesen vermeintlichen Kotzbrocken Unterstützer zu finden: "Wer sich bedroht fühlt, ist empfänglicher für extreme Ideologien", schreibt sie, und das ist keine Selbsterkenntnis, sondern die Einsicht, dass man mit all diesem Hass Männer lediglich zu Gegnern macht: "Wer dann noch 'Männerhass' erlebt, wird noch empfänglicher für die Idee, dass Frauen die Schuldigen für das persönliche Elend seien." (Man möchte hinzufügen: So wie Frauen, die "Frauenhass" erleben, ja auch glauben könnten, dass Männer die Schuldigen für das persönliche Elend seien.) Frauen, die Männer nur noch verachteten, stellt Ghafoor immerhin zutreffend fest, schadeten sich damit letztlich selbst.
Das faszinierende Selbstgespräch führt so über den geschilderten langen Umweg zu der Frage: "Wie geht es konstruktiv? Die Forschung zeigt konsistent: Gewaltfreie, respektvolle Strategien sind langfristig effektiver. Radikale Bewegungen haben Fortschritt gebracht, aber nie allein. (…) Radikalität kann ein Weckruf sein. Doch wenn sie Männer nur als Feindbild zeichnet, führt sie zur Abschottung." Zwar sehne auch sie sich manchmal nach einer Gesellschaft ohne Männer, fährt Ghafoor fort. (Sie verbindet damit "Taylor-Swift-Konzerte" – wie viele Männer sich abplagen, damit diese Konzerte möglich sind, bleibt bei ihr bezeichnend unsichtbar.) Dies sei aber nicht mehrheitsfähig, weshalb ein konstruktiver Dialog wohl doch sinnvoller sei.
Man darf gespannt sein, ob sie es demnächst mit einem solchen konstruktiven Dialog versuchen wird. In diesem Artikel erklärt sie lediglich, dass diejenigen Feindbilder falsch sind, die sie gerade erst wuchtvoll bestärkt hat.
Mancher dürfte sich indes fragen, ob das, was Frauen recht sein soll, für eine emanzipatorische Männerbewegung nicht ebenso gelten müsste. Viele Sätze dieses Artikels lassen sich entsprechend ummünzen. Etwa: dass man "mit Härte auf Härte reagieren" solle. Oder: "Radikalität kann ein Weckruf sein, aber wenn sie Frauen nur als Feindbild zeichnet, führt sie zur Abschottung." Oder: "Heuchlerisch wäre es, so zu tun, als könnte echte Gleichberechtigung schmerzfrei gelingen. Maskulismus konfrontiert Frauen notgedrungen mit schmerzhaften Fragen." Denn: "Veränderung ist selten sanft."
2. Der MDR titelt: "Wir haben den Feminismus nötiger denn je". Ehrlich? Wenn es seit Bestehen des Feminismus, also knapp 200 Jahren, immer schlimmer geworden ist: Macht diese diese Bewegung viellecht irgendetwas falsch?
3. Beim Trierischen Volksfreund hingegen erkennt Petra Willems: "Es braucht keinen Feminismus mehr." Aber würden dann nicht viele Frauen, die für Wutanfälle gegen Männer bezahlt werden, auf der Straße landen?
4. Bei der "taz" beschäftigt man sich mit feministischem Sex, den man bei der Bekämpfung des Patriarchats ja auch nicht vernachlässigen sollte. Deshalb fragt sich die Autorin dieses Artikels: "Liege ich zu gerne unten?"
Das Bett wird hier zur Problemzone erklärt: "Sag mir, was du tun möchtest, forderte er mich auf. (…) Fuck, dachte ich völlig überfordert." Klar: "Es gefällt mir, wenn jemand anderes die Kontrolle übernimmt. Und der andere war bisher immer ein Mann. Ist das nicht total patriarchal?" Ein weiteres Problem, das hier oft übersehen wird: "Als Feministin habe ich zu kommen, vorausgesetzt er macht es richtig."
Immerhin schließt der Artikel mit einer Buchempfehlung, die optimistisch stimmt: "Tomorrow Sex Will Be Good Again".
5. "Die Zeit" schließlich schlagzeilt: "Männer, ihr schuldet uns." Im Mittelpunkt dieses Artikels steht die Forderung: "Frauen sollen effektiver daten und profitabel heiraten." Es geht um die "Femosphäre" im Internet, "das Gegenstück zur Mannosphäre, jenem Ort im Internet, an dem sich Antifeministen und Frauenhasser begegnen und vernetzen." Was halt so passiert, wenn man den Kerlen erlaubt, online zu gehen.
"Die Szene wächst derzeit in allen sozialen Medien und im Mainstream enorm schnell", sagt die Wissenschaftlerin Jilly Boyce Kay. Seit mehreren Jahren forscht die Doktorandin der englischen Loughborough Universität als eine der wenigen Expertinnen zum reaktionären Wandel im zeitgenössischen Feminismus, den Begriff der Femosphäre hat sie selbst popularisiert. Jeden Tag kommen in dieser Ecke des Internets Hunderte von Foreneinträgen, Postings, Podcasts oder neue Artikel und Bücher hinzu. (…) Männer sind dort, wie schon erwähnt, fürs Geldverdienen und das Beziehungsangebot ("committed relationship") zuständig. "Es ist wie Andrew Tate für Mädchen", sagt Kay. (…) "Es ist eine Art neuer Feminismus mit einem patriarchalischen Twist", sagt sie. Die Gründung einer traditionellen Familie, so wird es propagiert, sei der wirtschaftlich beste Weg, sein Leben abzusichern. (…) Der zeitgenössische Datingmarkt sei ein System, von dem nur Männer profitieren würden, glauben viele in dieser Szene. Keine Frau solle sich deshalb schuldig fühlen, das aktuelle patriarchale System zu ihren Gunsten arbeiten zu lassen.
Mehr noch:
Partner werden in der Femosphäre und im reaktionären Feminismus in "wertige" und "weniger wertige" Partien unterteilt – das hat nicht zuletzt etwas tief Faschistisches.
Sorry, macht das der Mainstream-Feminismus nicht auch? Gut, für viele in diesem Lager sind sämtliche Männer "Müll", aber manche unterscheiden durchaus zwischen "wertigen", nämlich feministischen, und "weniger wertigen" Kerlen (Mannosphäre). Auch wenn die "Zeit" den reaktionären Autorinnen eine "pseudowissenschaftliche Betroffenheitstheorie" vorwirft, findet sich dasselbe in vielen Facetten des Mainstream-Feminismus. Trotzdem lautet das Fazit dieses Artikels: "Man kann eigentlich als Frau gar nicht so viele Gläser Milch trinken, wie man kotzen möchte."
Immerhin erkennt die "Zeit"-Autorin in diesen Ideen "durchaus Unterhaltungswert". Das gilt nicht minder für viele andere Beiträge, die man an diesem Wochenende zur feministischen Debatte lesen durfte. Bei deren Lektüre stellt sich immer wieder der Eindruck ein: Mitunter gibt es auch für uns Männer zu wenig Milch – oft aber ist der nahtlose Übergang vom Karneval zum Weltfrauentag gelungen.
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