Montag, Dezember 02, 2024

Forscherin über Kuckucksmütter: "Mich erschreckt die emotionale Brutalität"

1. "Zehntausende Kinder wachsen mit einem Vater auf, bei dem die Mutter verschweigt: Er ist nicht der Erzeuger", berichtet Spiegel-Online. Heike Le Ker hat dazu die Psychologin Anja Paulmann interviewt, die zu diesem Bereich forscht. Ein Auszug:

SPIEGEL: Sie beraten Menschen, die erst als Erwachsene erfahren, dass ihr Ziehvater nicht ihr biologischer Vater ist. Was erzählen Ihnen die Betroffenen?

Paulmann: Fast alle beschreiben, dass es für sie ein Schock war. Sie sind von der Mutter, der meist wichtigsten Bezugsperson in der Kindheit, und mitunter auch vom Ziehvater in Bezug auf die eigene Existenz über Jahre oder Jahrzehnte belogen worden. Ihre Identität steht ebenso infrage wie alle weiteren Beziehungen zu nahen Verwandten: Der Vater ist nicht der Erzeuger, die Brüder und Schwestern sind nur Halbgeschwister und Cousinen, Onkel und Tanten möglicherweise gar nicht blutsverwandt. Für die meisten ist das traumatisch.

SPIEGEL: Was sind Beweggründe der Eltern?

Paulmann: Die meisten sagen, sie wollten ihr Kind schützen, und das mag zu einem gewissen Grad auch stimmen. In vielen Fällen geht es aber darum, die Konsequenzen des eigenen Handelns nicht tragen zu wollen. Die Mütter wollen den Bruch mit dem Partner nicht riskieren oder das Bild der heilen Familie wahren. Es ist ein Persönlichkeitsrecht, die eigene Abstammung zu kennen, aber der Staat legt die Priorität nicht auf das Kindeswohl. Mich erschreckt die emotionale Brutalität, mit der Erwachsene darüber entscheiden können, dass ihr Kind mit einer Lüge aufwächst.


Hier geht es weiter. Interessant: Anja Baumann ist durch einen Aktivisten der Männerbewegung auf dieses Thema gestoßen, auf dessen Blog auch Genderama immer wieder gerne aufmerksam gemacht hat:

2014 wurde ich als Beiständin in einem Verfahren bestellt, in dem ein biologischer Vater Umgang mit seinem Kind forderte. Ich machte mich auf die Suche nach Literatur, vor allem nach wissenschaftlichen und psychologischen Studien. Ich fand so gut wie nichts. Im Internet bin ich dann auf den Blog "Kuckucksvater" von Ludger Pütz gestoßen. Er hat durch einen Vaterschaftstest erfahren, dass das Kind, das er mit seiner Frau großzog, nicht sein leiblicher Sohn ist. Mit seinem Blog vernetzt er seither Betroffene und leistet auf dem Gebiet Pionierarbeit in Deutschland. Obwohl das Thema viele Menschen betrifft, ist es total unterbeleuchtet.


Das ist ja bei vielen unserer Themen der Fall.



2. Mit der Frage, was gegen Depressionen bei Männern hilft, beschäftigt sich aktuell die Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft. Eine aktuelle Studie macht hier deutlich, wie wichtig ein geschlechtsspezifisches Angehen des Problems ist:

Die Hälfte der Teilnehmer erhielt Informationsmaterial zum Thema Depression zu lesen, das sich auf Inhalte der klassischen kognitiven Verhaltenstherapie stützte. Es enthielt beispielsweise Erläuterungen zu den typischen Symptomen der Erkrankung und zu verschiedenen Therapiemöglichkeiten. Die andere Hälfte erhielt dagegen eine geschlechtsspezifische Variante der Materialien. Darin wurde etwa betont, welche Kennzeichen eine Depression speziell bei Männern verursachen kann. Auch gesellschaftliche Normen und traditionelle Vorstellungen von Männlichkeit kamen zur Sprache, und es wurden alternative Sichtweisen angeboten – zum Beispiel, dass es durchaus stark und verantwortungsbewusst sein könne, sich professionelle Hilfe zu suchen.

Direkt nach dem Lesen des Infomaterials füllten alle Teilnehmer weitere Fragebogen aus. Dabei zeigte sich: Die auf Männer zugeschnittene Variante reduzierte Scham und negative Gefühle deutlicher. So stimmten Probanden, die diese Version gelesen hatten, anschließend weniger stark Aussagen zu wie: »Ich mache mir darüber Sorgen, was andere Leute von mir denken.« Es gab auch Hinweise darauf, dass jene Teilnehmer anschließend eher geneigt waren, klassische, aber "unmännliche" Depressionssymptome wie Niedergeschlagenheit und Erschöpfung auf einem Fragebogen anzugeben.




3. Gegen das Gefängnis in Augsburg-Gablingen gibt es seit Wochen Vorwürfe, die bis hin zur Folter gehen. Auch sollen Häftlinge in seinen Zellen mitunter nackt untergebracht worden sein. Jetzt wird auch gegen seine Leiterin ermittelt.



4. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir zu dem auf Genderama verlinkten SPIEGEL-Artikel "Suchen die Frauen einen Freund oder einen Ersatz-Papa?":

So ist das mir auch so passiert - sind 18 Jahre her. Ich war vorher in irgendeiner Datenakquisition angemeldet und habe dann eine Frau kennengelernt, für die ich mich interessiert habe. Nach einer "Kennenlernphase" hatte ich mir damals in den Kopf gesetzt, bei dieser Frau könnte ich mir eine Zukunft vorstellen. Sie hatte drei Kinder, ich selber drei: das wäre eine - in meinen Kopf - wirklich eine schöne Geschichte gewesen.

Bei dem vierten Treffen dann kam sie mit der Frage, ob ich ihr beim "Umziehen in ein kleines Haus helfen" könnte. Ja, das könnte ich, aber nach dem vierten Treffen? Das war mir bißchen zu stark: "Umziehen" mit drei Kindern ist dann eine Geschichte, bei der mir durch den Kopf ging: Ich sollte Versorger sein, Rettungsanker. Das klang so, als ob sie mich nicht als Person geschätzt würde, nur als Mann, der ja stark war - weiter nichts. Die andere Frage war nur die, in welchem Umfang sie von sich aus mir und drei Kindern helfen könnte?

Ich meinte: "Nein, ich mache das nicht". Das war doch der abrupte Bruch mit der Frau aus dem Internet: Ich hatte nie wieder was von ihr gehört.

Das mit der Frau danach ist ziemlich anders gewesen: sie hatte mich als Person gesucht, nicht als "Mann, der stark ist". Ich bin seit Zeit mit dieser zusammen, wir haben vor zwei Jahren geheiratet.




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