Donnerstag, Juni 18, 2015

Nach "NDR-Redezeit": eine Antwort an Dorothea Heintze von "Chrismon"

Nach der NDR-Talksendung von gestern Abend sah ich mich doch dazu veranlasst, einer der Diskussionsteilnehmerinnen, nämlich Dorothea Heintze, auf ihre Frage an den MANNdat-Vorsitzenden Dr. Andreas Kraußer eine noch ausführlichere Antwort zu geben, als sie von Dr. Kraußer zutreffend bereits erhalten hatte. Da ich befürchte, dass meine Antwort bei "Chrismon" nur in der Rundablage "Hassmail" landet, stelle ich sie auch mal hier auf Genderama online:

Liebe Dorothea Heintze,

mit einem gewissen Amüsement habe ich gestern Abend bei ihrem NDR-Gespräch mit dem MANNdat-Vorsitzenden Dr. Andreas Kraußer ihre – echte oder gespielte? – Verständnislosigkeit dafür erhalten, dass Ihr Magazin "Chrismon" von Lesern mittlerweile so kritische Zuschriften erhält, dass Sie diese Rückmeldungen als "blanken Hass" bezeichnen. Dabei traten Sie so auf, als könnten Sie sich wirklich nicht erklären, woran das liegt: "Ich versteh diese Wut nicht, wo kommt die her?"

Ich für meinen Teil bin unter anderem wegen der männerfeindlichen Darstellungen in Ihrem Magazin vergangenes Jahr aus der Evangelischen Kirche ausgetreten – und ich weiß, dass ich diesen Schritt nicht als einziger getan habe. Aus Ihrer Perspektive ist diese Reaktion vermutlich wieder einmal "blanker Hass". Aus meiner Perspektive spart mir das jedes Jahr eine Summe, die woanders männerfreundlicher angelegt ist.

Geschlechterpolitisch problematische Artikel Ihres Magazins sind in den vergangenen Jahren ja schon gründlich analysiert worden, etwa von dem Gymnasiallehrer Lucas Schoppe:

"Evangelisches Männerbasteln (und andere Formen der Hate Speech)"

oder auch von mir selbst:

"Wie das Magazin Chrismon Gewaltopfer verhöhnt (und zur Gewaltspirale beiträgt)"

Woher die inzwischen offenbar schärfer gewordene Kritik der Leser an Ihrem Magazin kommt, ist vor diesem Hintergrund schnell erklärt. Die politischen Anliegen von Männern werden seit Jahrzehnten ausgeblendet. Wie Hannes Kuch und Steffen Herrmann in ihrem Aufsatz "Symbolische Verletzbarkeit und sprachliche Gewalt" (In: Steffen K. Herrmann und andere (Hrsg.): Verletzende Worte. Die Grammatik sprachlicher Missachtung. Transcript 2007) erklären, sorgt die anhaltende Frustration, wenn Menschen über lange Zeit von den Machthabern nicht gehört werden, irgendwann fast unweigerlich zu verbalem Radikalismus:

"Wer sich als unsichtbar erlebt, als jemand, der wie Luft behandelt wird, der versucht oft, eine Antwort zu provozieren – mit jeglichen Mitteln und indifferent gegenüber der Art der Antwort. Personen beginnen dann, andere zu beleidigen, sie zu bedrohen, sie anzurempeln, nur um die Gewissheit zu erhalten, jemand zu sein, dessen Tun auf irgendeine Resonanz bei den anderen stößt."

Insbesondere in den USA wurden männliche Schwarze, die vehement gegen Diskriminierungen protestierten, nachdem mildere Kritik nicht gefruchtet hatte, als "angry black men" bezeichnet, womit ihr Protest an den herrschenden Zuständen leichter Hand abgetan wurde. Dasselbe geschieht aktuell durch Thomas Gesterkamp & Co., wenn es um protestierende Männer geht, die spiegelbildlich prompt als "angry white men" verunglimpft wurden. Die Wissenschaftler Paul Nathanson und Katherine Young gelangen in ihrem Buch "Spreading Misandry" (McGill-Queen's University Press 2006) zu der Erkenntnis, dass durch das Dauerfeuer von Männerfeindlichkeit in unserer Gesellschaft eine politische Polarisierung wachse, die zwischen "zunehmend voneinander getrennten Gemeinschaften der Wut" stattfindet. Eine vernünftige Reaktion auf diese Entwicklung wäre es, die nüchternen, konstruktiven und gesprächsbereiten Männerrechtler nicht weiter auszugrenzen, sondern zum Gespräch einzuladen. Sinnvoll wäre, wie von Dr. Andreas Kraußer gefordert, mehr statt weniger Dialog. Sinnvoll wäre auch, den beklagten Feindseligkeiten den Nährboden zu entziehen, indem man sich um das Aufarbeiten von Bürger- und Menschenrechtsverletzungen zu Lasten von Männern zu kümmern beginnt.

Vor dem Hintergrund, dass dies bis heute nicht geschieht, ist es erstaunlich, dass in der Männerrechtsbewegung bei weitem nicht eine derartige Kultur des Hasses gepflegt wird wie im Feminismus, wo etwa Alice Schwarzer Valerie Solanas "Manifest der Gesellschaft zur Vernichtung der Männer" als "ersten Exzess des Hasses, des begründeten Hasses" bejubelte: "Das ist es wohl, was den Frauen, wie allen unterdrückten und gedemütigten Gruppen, am meisten ausgetrieben worden ist: der Mut zum Hass! Was wäre eine Freiheitsbewegung ohne Hass?" und wo die führende amerikanische Feministin Robin Morgan Hass auf Männer als "eine ehrenwerte und brauchbare politische Handlung" definierte, da die Unterdrückten ein Recht darauf hätten, ihre Unterdrücker zu hassen. Während es Ausnahmen gäbe, ergriffen die meisten Männer jauchzend ihre tödlichen Klassenprivilegien: "Und ich hasse diese Klasse."

In ihrem Buch "Die Wolfsfrau im Schafspelz" führt Martina Schäfer anhand eigener Erfahrungen aus, wie in feministischen Kreisen die Fähigkeit eingefordert wurde, "hassen zu lernen". Hassen nämlich gelte als Erweiterung der weiblichen Gefühlskala, ohne die "Radikalität" von Hass und Gewalt machten sich "wir uns alle der Mittäterschaft schuldig". Im Telegrammstil, so Schäfer, ließen sich entsprechende Botschaften auf folgende Weise zusammenfassen: "Männer sind schlecht und unterlegen, Frauen überlegen und besser. Männer zerstören die Welt. Männer erkennen nicht die Überlegenheit der Frauen an. Ich bin eine Frau. Ich bin besser. Ich hasse die Männer."

Derartige Botschaften gegen Frauen werden sie in den zentralen Texten der Männerrechtsbewegung nicht finden. (Wenn Sie möchten, stelle ich Ihnen gerne eine Literaturliste solcher zentraler Titel zusammen.) Wir empfinden Geschlechterhass weit überwiegend als etwas, das es zu überwinden gilt. Genausowenig findet man in der Männerrechtsbewegung ein Umschlagen dieses Hasses in körperliche Gewalt, wozu es in der Frauenbewegung bis hin zu Terrorgruppen wie der feministischen Roten Zora immer wieder gekommen ist. Es sammelt sich auch kein aufgehetzter Mob vor den Veranstaltungen feministischer Forscher, wie es heutzutage umgekehrt der Fall ist. Wir verzichten darauf, obwohl der Feminismus mit seiner Hass-Strategie in höchstem Maße erfolgreich war und viele Forderungen durchsetzen konnte.

Ihre Frage, warum Sie inzwischen so massive Kritik erhalten, dass Sie diese als "Hass" etikettieren möchten, können Sie am einfachsten selbst beantworten, indem Sie sich fragen, wieviele Beiträge Sie bislang nicht allein aus feministischer, sondern auch aus maskulistischer Perspektive veröffentlicht haben – ob Sie in Ihrem Magazin also auch Männerrechtler zu Wort kommen lassen und wenn nicht, ob Sie dies zu ändern gedenken. Sobald Sie sich diese Frage beantwortet haben, haben Sie auch die Antwort auf Ihre Frage an Dr. Andreas Kraußer vorliegen.

Mt freundlichem Gruß

Arne Hoffmann, Autor ("Plädoyer für eine linke Männerpolitik" und andere)


An Beispielen für feministischen Hass wie die Twitter-Tags #killallmen, die beim NDR selbstverständlich nicht kritisch diskutiert werden, hätte man natürlich noch viele bringen können, aber irgendwann muss ein solcher Brief auch mal sein Ende finden. Dies wird nicht die letzte Radiosendung gewesen sein, in der nur die Ausfälle des gegnerischen Lagers beleuchtet werden und man über die eigenen lieber den Mantel des Schweigens breitet.

Die Erwartung, dass JEDER EINZELNE MÄNNERRECHTLER und dann auch noch KONTINUIERLICH auf solche Attacken ebenso wie darauf, politisch nicht gehört zu werden, mit dem Gleichmut eines tibetanischen Mönchs reagiert, ist vollkommen illusorisch. Protestierende Männer sind Menschen, und sie reagieren wie Menschen. Sie als Monster zu phantasieren, indem man tut, als sei ihre über lange Zeit entstandene Wut unerklärlich, schadet dem Geschlechterdialog massiv.

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