Dienstag, Juli 05, 2005

Rezension: NACHFOLGETITEL VON „SIND FRAUEN BESSERE MENSCHEN?“ – FÜR WEIBLICHE LESER

Lange Zeit habe ich mich gefragt, wie wohl ein Nachfolgetitel für „Sind Frauen bessere Menschen?“ aussehen könnte. Ich selbst hatte nicht so die rechte Idee dazu; andere Autoren beleuchteten in ihren Büchern eher Facetten als das Gesamtbild. Kürzlich jedoch ist im Goldmann-Verlag von den Schwestern Angela und Juliana von Gatterburg das Taschenbuch „Liebe Drama Wahnsinn. Wie Frauen endlich glücklich werden“ erschienen, das die Tradition meines Buches aus meiner Sicht angemessen fortsetzt.

Anstoß zum Schreiben dieser Neuerscheinung dürfte die unsägliche Geschlechterklischee-Sammlung („Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“) des Ehepaars Alan und Barbara Pease gewesen sein, die vor einigen Jahren ja trotz ihres grenzdebilen Inhalts nicht nur ein Kassenknüller war, sondern sogar als DIE Wahrheit über das Geschlechterverhalten rangierte. So schenkte sich auch die Familie der Autorinnen Exemplare dieses Buches zur eigenen großen Überraschung gegenseitig zu Weihnachten, nur um bei der Lektüre einigermaßen befremdet über das Buch und seinen enormen Erfolg zu sein. Wurden darin doch nicht nur alle Menschen als bessere Aufziehpuppen beschrieben, die allein Testosteron und Östrogen sowie dem steinzeitlichen Erbe unterworfen waren, die Peases taten sogar so, als seien einander alle Männer respektive alle Frauen im Wesen fast völlig gleich. Kurz, es handelte sich um notdürftig als Wissenschaft getarnten offensichtlichen Unsinn.

Die Schwestern von Gatterburg beschlossen, die tatsächliche Forschungslage zu ergründen. Dabei stellten sie fest, dass ihnen hier ein männerfeindlicher neuer Biologismus im Wege stand, der weit über die Peases hinausreichte: „Liest man die verschiedenen modernen Theorien über Männer, wundert man sich, dass sie nicht regelmäßig gemeinsam in die Wälder verschwinden, um dort wie eine Horde Wildschweine zu jagen, im Erdreich zu buddeln und zu grunzen. Warum einige Männer aus der Art schlagen und keineswegs damit beschäftigt sind, ihren Samen immerzu an die Frau zu bringen, sondern lieber Autos bauen, dem Nobelpreis entgegenforschen und wunderbare Romane schreiben, erklären uns die Anthropologen leider nicht.“

Die aktuelle Darstellung der Frauen hingegen sei dem diametral entgegengesetzt. Sie zeichnet „wundervolle weibliche Wesen“, „monogam, wenig aggressiv, (…) fürsorgliche, treu sorgende Nestbauerinnen, kurz – sie sind von Natur aus das friedliche, freundliche, sozial überlegene Geschlecht“. Diese Zuschreibung nähmen Frauen dankbar an, denn „die Fähigkeit des Menschen zum Selbstbetrug ist unermesslich“.

Bemerkenswerterweise wucherte dieser Glaube an die Höherwertigkeit des Weiblichen weltweit in die Köpfe der Menschen hinein. Bei einer 16 Nationen umfassenden Studie etwa sollten Männern und Frauen positive und negative Eigenschaften zugeordnet werden. Ergebnis: Kulturübergreifend wurden Frauen als die „besseren Menschen“ beschrieben, liebevoll, freundlich und gut, während Männer eher mit Negativem in Verbindung gebracht wurden. So wie sie ja auch in der populären Darstellung als „schlecht gelaunte Schimpansen“ erschienen, als „soziale und sexuelle Idioten, die man einer gründlichen Dressur unterziehen muss“.

Nur deckt sich dieser Volksglaube eben nicht mit der wissenschaftlich ermittelten Wirklichkeit. So zeigte sich 2001 in einer Studie der amerikanischen Forscherin Susan Shapiro Barash, dass sechzig Prozent aller Frauen mindestens einmal ihren Ehemann betrogen hatten, davon neunzig Prozent ohne schlechtes Gewissen. (Dieselben Frauen nahmen im umgekehrten Fall die Untreue ihres Partners übrigens sehr übel.) Und dass Frauen nur durch patriarchale Männerseilschaften und inkompetente Bosse am beruflichen Aufstieg gehindert würden, stellte sich ebenso als Illusion heraus, fand die auf „Frauen und Konkurrenz“ spezialisierte Berliner Unternehmensberaterin Mechtild Erpenbeck heraus. Frauen, die es selbst an die Spitze geschafft hatten, bildeten keineswegs Netzwerke für ihre Geschlechtsgenossinnen. Sie grenzten sich vielmehr ab und stellten den weiblichen Führungsnachwuchs kalt. Das Konkurrenzverhalten der Männer sei vergleichsweise gesünder. Noch dazu sei „Fair-Play“-Training beim weiblichen Geschlecht schwierig zu vermitteln, da sich miteinander konkurrierende Frauen oft beide in der Opferrolle sähen.

Solche und andere Erkenntnisse trugen indes nicht dazu bei, das männerfeindliche Weltbild insbesondere vieler Frauen zu korrigieren. „Das Beharren darüber, wie Männer so sind, kippte irgendwann ins bornierte Vorurteil und offenbarte eine erstaunliche Intoleranz“ befinden die Autorinnen. Sie beklagen „Frauen (…), die sich für Superfrauen halten und in ständiger Empörungsbereitschaft sind, wenn es um Fehler der Männer geht. Unentwegt stellen diese Frauen ihre Ansprüche, laut, vernehmlich, nachdrücklich. Sie glauben, sie hätten ein Recht darauf, dass ihre Wünsche erfüllt werden.“ Zu ihrer Unterstützung zitieren die Autorinnen den Publizisten Peer Teuwsen, der im Oktober 2004 die Sachlage im Schweizer „Tagesanzeiger“ zusammenfasste: „Der Mann wurde zum Täter, die Frau zum Opfer. Der Mann steht dauernd auf dem Prüfstand, Männerfeindlichkeit (…) sei zum kulturellen Mainstream geworden.“ Da wundert es nicht, wenn die Diplompsychologen Ines Imdahl und Stephan Grünewald vom Kölner Institut Rheingold kürzlich eine handfeste Krise für die Männer von heute ausmachten – nicht nur infolge des Verlusts des klassischen Männlichkeitsbilds, sondern auch durch die enorme Erwartungshaltung des weiblichen Geschlechts. Dazu gehöre, „dass Männer politisch korrekt auf die Bedürfnisse der Frauen eingehen müssten, dabei verständnisvoll und antiautoritär sein sollten.“ Frauen kämen ihnen dabei aber nicht etwa hilfreich entgegen, sondern meldeten grundsätzlich zurück, dass, egal wie die Männer sich verhielten, es immer „falsch“ war. Zu behaupten, „dass viele Frauen Männer überfordern mit widersprüchlichen Anforderungen, dass sie viele Männer domestiziert und verweiblicht haben“ sei allerdings keineswegs politisch korrekt. Vielmehr gelangen Angela und Juliana von Gatterburg zu der Erkenntnis: „Frau sein ist heute fast gleichbedeutend mit im Recht sein“.

Dieses geradezu garantierte Recht-Behalten führt das weibliche Geschlecht auf dem Weg zum Glück allerdings nicht weiter, im Gegenteil: Auf der Suche nach dem Traumpartner nähmen „zunehmend junge, attraktive, gut ausgebildete und beruflich erfolgreiche Frauen zwischen 20 und 35 Jahren“ inzwischen therapeutische Hilfe in Anspruch. Eine entsprechende Therapie gestalte sich allerdings eher schwierig, denn das gesellschaftlich und medial gestützte Motto dieser Frauen laute: „So lästige Dinge wie an sich arbeiten, die Liebe lebendig halten, Ansprüche auch mal runterschrauben, kann man getrost anderen überlassen.“ Hinter diesen Vorstellungen, so äußerte sich eine von den Autorinnen dazu befragte Psychologin, „stecke eine geradezu kindliche Heilserwartung“.

Ein Hauptanspruch zahlloser Frauen auch Jahrzehnte im Zeitalter der Emanzipation sei der Mann als Versorger und Erfolgstyp: „Es geht den Frauen um Geld, aber auch um Status und Ansehen. (…) Berufliches Versagen wird als persönliches Versagen gesehen – da können die Zeitungen noch so viel schreiben von Konjunktur- und Jobkrise.“ Bemerkenswert sei, dass diese Forderungen wie selbstverständlich auch von Frauen gestellt werden, die selbst nicht gerade einen besonders beeindruckenden Beruf ausübten. Offenbar fühlten sie sich durch einen erfolgreichen Mann auf- und durch einen erfolglosen abgewertet – „was nicht gerade für ein stabiles Selbstbewusstsein spricht“. Bizarrerweise wünschten sich viele Frauen „einen richtigen Mann, also einen Mann, der erfolgreich ist, Geld verdient, Ansehen hat, dem aber die Karriere nicht so wichtig ist, dass er sich nicht gleichzeitig um Ehefrau, Haus, Kinder und Hund kümmert und seine weiblichen Anteile entdeckt und pflegt.“ Sicher, so die von Gatterburgs, dürfe jede Frau solche Phantasien hegen – „nur sollte sie nicht erwarten, dass all diese sich widersprechenden Wünsche erfüllt werden.“

Einen nicht unbedeutenden Exkurs liefern die Autorinnen, wenn es um Trennung und Scheidung geht. In Übereinstimmung mit den in ihrem Buch unerwähnten Väterrechtlern gelangen Angela und Juliana von Gatterburg zu der Beobachtung: „Viele Frauen investieren mitunter viel Zeit, Energie und Gefühle, um ihrem Ex das Leben zur Hölle zu machen.“ Statt sich zu sagen, wenn sie schon diese Partnerschaft nicht hingekriegt hätten, würden sie wenigstens versuchen, die Trennung mit Anstand über die Bühne zu bekommen, zeigten sie dabei erst recht einen zweifelhaften Charakter. Vielleicht, so die Autorinnen, wäre es hier „schon ein Anfang, wenn Frauen sich klar machen, wie sehr sie sich mit ihrem destruktiven Verhalten selbst schaden. Und wenn Frauen anderen Frauen derart fieses Benehmen nicht mehr so einfach durchgehen lassen.“

Nach dieser umfangreichen Analyse des Ist-Zustandes schließen die Autorinnen mit zwei Kapiteln darüber, wie Frauen heutzutage statt Einsamkeit doch noch Partnerglück finden können. Doch ihre Botschaft wird vielen Leserinnen nicht gefallen. Sie lautet, dass Frauen an sich selbst und an der Beziehung arbeiten müssten. Damit schießt sich dieses Buch zu guter Letzt selbst von der Bestsellerliste: Keine Ratschläge, wie man Männer dresssiert a la Dietmar Friedman („Wie ändere ich meinen Mann?“) oder Nancy Winters („Wie erziehe ich meinen Mann?“). Kein Aufruf zur weiblichen Bösartigkeit a la Ute Ehrhardt („Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse kommen überall hin“), Ruth Rothmann („Sei ein Biest“) , Harriet Rubin („Macchiavelli für Frauen“) oder Cornelia Dittmar („Ich bin ein Miststück“). Keine platte Schuldzuweisung an die Männer a la Dieter Otten und Alice Schwarzer. Kein bequem-entlastendes Die-Gene-sind-schuld-da-kann-man-nichts-machen a la Barbara und Alan Pease. Nicht einmal eine Anleitung, sich wie eine hirnamputierte Idiotin und Barbiepuppe aufzuführen, um dadurch die Kerle zu manipulieren, a la Meike Rensch-Bergner („Das Uschi-Prinzip“). Stattdessen ein Aufruf zu weiblicher Verantwortung und persönlicher Reife. Bizarr! Es ist ein Wunder, dass dieses Werk hierzulande überhaupt einen Verlag gefunden hat. Unter den Stapeln von Schwachsinn bei deutschen Büchern zur Geschlechterdebatte wird dieses kluge und einsichtsvolle Werk wohl noch lange ein Fremdkörper sein.

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