Montag, Juni 23, 2025

Feuerwehr: Fortbildung gegen "toxische Männlichkeit" statt Einsatztraining

1. Die "Berliner Zeitung" befasst sich ausführlich und gründlich mit skandalösen Zuständen bei der dortigen Feuerwehr:

Am 12. Juni 2018 geriet die dreizehnjährige Ronja am Blockdammweg in Rummelsburg unter eine Straßenbahn. Wie durch ein Wunder lebte sie. Sie war unter dem Wagen eingeklemmt aber ansprechbar. Weil der Kranwagen der BVG kaputt war und deshalb nicht kam, entschlossen sich die Feuerwehrleute in ihrer zunehmenden Verzweiflung, die 34 Tonnen schwere Tram selbst anzuheben mit den Mitteln, die sie zur Verfügung hatten. Weil diese ungeeignet waren, kippten die schlecht abgestützten Heber zur Seite, die Straßenbahn stürzte herab. Ronja, die ein paar Wochen zuvor Jugendweihe hatte, war tot.

Diese Tragödie, über die die Berliner Zeitung über mehrere Jahre ausführlich berichtete, ereignete sich, weil die Feuerwehr schlecht ausgerüstet war – aber auch, weil sie untrainiert war. Vier von fünf gemeinsamen Übungen von BVG und Feuerwehr zur Rettung von Personen unter Straßenbahnen waren abgesagt worden. Einmal wurde auf einem BVG-Betriebshof geübt, gewissermaßen unter Laborbedingungen auf Beton, nicht aber in einem Schotterbett wie am Rummelsburger Blockdammweg. Die kaputtgesparte Feuerwehr hatte kaum Kapazitäten für Fortbildungen in Brandbekämpfung und technischer Hilfeleistung. So ist das nach wie vor.

Eine Fortbildung fand allerdings am 28. Mai dieses Jahres statt. Im Großen Saal der Hauptfeuerwache Mitte an der Voltairestraße sprach ein Mann, der ein "Institut für kritische Männerforschung" gegründet hat. Er hat einmal Literaturwissenschaften studiert und verdient heute sein Geld mit Schulungen gegen männliche Machtstrukturen sowie toxische und strukturelle Männlichkeit. Die Berliner Feuerwehr gab für seinen Vortrag nach eigenen Angaben 1800 Euro aus.

Mit knapp 6000 Mitarbeitern ist die Berliner Feuerwehr ein Männerbetrieb. Nur vier Prozent der Beschäftigten sind Frauen. Die Behörde hat das Problem längst erkannt und versucht, den Frauenanteil zu steigern. Immerhin gibt es bereits eine Leiterin einer Feuerwache. Man hört, dass es vereinzelt Feuerwehrmänner gegeben haben soll, die sich weigerten, ihrer neuen Chefin die Hand zu geben. Deshalb sollte der Belegschaft nun "Feminismus für Männer" beigebracht werden, wie auf der Website des "Instituts für kritische Männerforschung" geworben wird.

Und so ging es bei der Veranstaltung, organisiert vom "Team Diversität und Kulturwandel" der Berliner Feuerwehr, zur Sache: Der Referent zog über Donald Trump her und über Elon Musk, die als Sinnbilder für toxische Männlichkeit und Männerbünde gelten. Nach übereinstimmenden Berichten von Zuhörern teilte er auch in Sachen struktureller und toxischer Männlichkeit gegen Bundeskanzler Friedrich Merz und die CDU aus. Das Christentum bezeichnete er als "feuchten Männertraum". Andere Religionen, etwa den Islam, erwähnte er nach Angaben der Teilnehmer nicht.

Den geistigen Tiefpunkt erreichte die Veranstaltung aus Sicht mancher Zuhörer, die anfangs interessiert auf den Stühlen Platz genommen hatten, als der sichtlich Männer hassende Literaturwissenschaftler den von Hannah Arendt geprägten Begriff der "Banalität des Bösen" verglich mit Formen der "toxischen Männlichkeit". Mit dem Begriff "Banalität des Bösen" fasste Arendt den Charakter des SS-Obersturmbannführers Adolf Eichmann zusammen, der ab 1941 die sogenannte Endlösung der Judenfrage koordinierte.

"Das hat richtig Verärgerung ausgelöst", sagt einer der Feuerwehrmänner, der dabei war. "Er hat quasi den Holocaust und die heutige, aus seiner Sicht toxische Männlichkeit mit dem Holocaust gleichgesetzt. Ein sexistischer Spruch auf einer Stufe mit der SS?"

(…) Die Berliner Zeitung wollte den Standpunkt des Referenten, der sich als "Männerforscher, Berater und Dozent" bezeichnet, unter anderem zu den Aussagen zur Banalität des Bösen, zum Bundeskanzler und zum Christentum als feuchter Männertraum wissen. Eine schriftliche Anfrage ließ dieser unbeantwortet.


Hier findet man den vollständigen Artikel.

Die Berliner Zeitung nennt den Namen des Referenten nicht. Gibt man bei Google "Institut für kritische Männerforschung" ein, stößt man auf eine Website, die ich hier nicht durch Verlinkung aufwerten möchte. Dass wir hier richtig sind, kann man dem Berliner Kurier entnehmen, der den Artikel der Berliner Zeitung übernommen hat, aber auch ein Instagramm-Post des umstrittenen Dozenten verlinkt. Wie viele Fotos auf dieser Website zeigen, scheint dieser Männerforscher stark nachgefragt zu sein und erhält von den verschiedensten Einrichtungen eine Plattform für seine Auftritte: vor allem natürlich von feministischen Gruppen, aber etwa auch von der Berliner Charité.

In einem auf der Website zitierten Interview mit der "Wirtschaftswoche" heißt es: "Sind Männer die Verlierer im Streben nach mehr Vielfalt in der Wirtschaft? Durchaus, meint der Medienwissenschaftler Christopher May. Und zwar zu recht." In einem anderen Interview befindet May, er glaube nicht, dass Männer "ein Problem" hätten: "sondern: Wir sind das Problem." Denn: "Im Grunde ist alles, was wir Männer hervorbringen, ohne die Abwertung von Frauen nicht vorstellbar." Schon einer Frau hinterher zu gucken stelle frauenfeindliches Verhalten dar.

Der Website zufolge hat Christoph May, der ein "Männerlimit" fordert, auch an der Arte-Produktion "Feindbild Frau" mitgewirkt. Die Ironie könnte kaum beißender sein. Das eigene Feindbild scheint einen gigantischen blinden Fleck darzustellen – und das obwohl May findet, Männer sollten "mit der Kritik immer erst einmal bei sich selbst anfangen".

Genderama hatte schon verschiedentlich über Christoph May berichtet, zuerst im Mai 2017, als er gegen den damaligen Genderkongress in Nürnberg polterte, der auch männlichen Perspektiven Raum gab. May hatte damals erklärt: "Mit Maskulinisten habe ich nichts zu tun und distanziere mich deutlich davon." Dafür herzlichen Dank.

Der Artikel der Berliner Zeitung endet mit folgender Passage:

Ronjas Eltern verzweifeln daran, dass niemand die Verantwortung für die Straßenbahn-Tragödie übernahm. So sagt es ihr Vater Uwe L. auch heute noch. Die zwei Einsatzleiter der Feuerwehr, die wegen fahrlässiger Tötung angeklagt waren, wollten Ronja helfen und sind bis heute ebenfalls traumatisiert. Sie haben selbst Kinder. Beide Feuerwehrleute wurden freigesprochen. Das Amtsgericht Tiergarten sah eine "Verkettung unglücklicher Umstände". Prozessbeobachter erkannten "Organisationsverschulden". Denn nach dem Strafrecht können nur Menschen in ihrer persönlichen Schuld angeklagt werden. Nicht aber Organisationen, die ihre Mitarbeiter unzureichend schulen.




2. Die Stuttgarter Nachrichten melden aus Baden-Württemberg: "Zahl der Anrufe bei Männerhilfetelefon steigt"

Zwei Drittel der Ratsuchenden sind einer Auswertung zufolge direkt von Gewalt betroffen. Die Täter sind in den meisten Fällen Partnerinnen oder Ex-Freundinnen. Am häufigsten ging es demnach um erlebte psychische Gewalt – oft in Kombination mit zusätzlicher körperlicher und sexualisierter Gewalt.


Ob diesen Männern klar ist, dass sie "mit der Kritik immer erst einmal bei sich selbst anfangen" sollten?



3. In Bayern hat eine Frau einen Jungen an einem Badesee erstochen.



4. In einem aktuellen Interview blickt Johnny Depp zurück auf die Zeit, als er Gewalt durch seine damalige Partnerin Amber Heard erlitt und danach öffentlich als Täter gebrandmarkt wurde: "Ich war wie ein Crashtest-Dummie für MeToo".



5. Wut ist erlaubt: In der Berliner Morgenpost gibt eine Expertin sieben Tipps für den Umgang mit narzisstischen Frauen.



6. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir heute:

Sehr geehrter Herr Hoffmann,

danke zunächst mal wieder für Ihre tägliche Kärrnerarbeit und die nützlichen Links, die Sie so ausbuddeln und zusammenstellen.

Zu Ihrem Beitrag Nr. 4 vom Freitag – könnten Sie vielleicht eine Sammelbestellung des Routledge-Buches über männliche Opfer von Gewalt in der Partnerschaft für das Justizministerium und die ARD in die Wege leiten? Vielleicht zuzüglich ein paar Bänden über mütterliche Gewalt gegen Kinder? Warum? Na darum:

--- Bundesjustizministerin Stefanie Hubig will das Sorge- und Umgangsrecht für Gewalttäter stärker einschränken. "Wer seine Partnerin schlägt, muss damit rechnen, dass er sein Kind nicht mehr sehen darf - oder nur im Beisein einer Begleitperson", sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. ---

Quelle

Jetzt gendert man in der SPD ja so gerne und in den Medien sowieso, aber dass man mal von einer Einschränkung des "Umgangsrechts für Gewalttäter*innen" oder gar "Gewalttäterinnen" hört, ist mir noch nicht untergekommen. Frauen können eben nichts anderes als Opfer sein. Und wenn ein Partner zuschlägt, kann es sich – abgesehen von "seltenen Fällen" (O-Ton des zugehörigen Videos) – nur um den Mann handeln, genauso wie sich partnerschaftliche Gewalt wohl in aktiv-physischen maskulinen Formen erschöpft. Diese Denke vermittelt zumindest auch die restliche Aufmachung des Beitrags vom Standbild über den Eröffnungssatz in der Audiofassung – der mit "Gewalt gegen Frauen in Partnerschaften" beginnt und stimmungsetzend eine Frau zeigt, die von einem Mann verprügelt wird – bis hin zur einseitigen Auswahl der Gesprächspartnerinnen, die Sätze raushauen wie: "Wir müssen einfach feststellen, dass es den Vätern oft nicht darum geht, wirklich ne qualitativ gute Beziehung zu den Kindern aufzubauen oder überhaupt wiederaufzubauen, sondern, dass es ihnen darum geht, rauszufinden wo die Frau ist und weiterhin Macht und Kontrolle auszuwirken". Die werte Frau Ministerin benennt zwar im Weiteren auch Formen psychischer Gewalt, aber vor allem solche, die der Leser, gerade im Kontext von Vorrede und Aufmachung, nur mit dem Mann verknüpft – nämlich "Beleidigungen und Bedrohungen".

Zur Sicherheit, damit auch der letzte weiß, von wem die Gewalt wirklich ausgeht und warum das Kind leidet, äußert sie zudem:

"Wir müssen klar im Gesetz festschreiben: Bei Gewalt gegen den anderen Elternteil kann auch der Umgang mit dem Kind beschränkt oder sogar ausgeschlossen werden. Denn das Kind leidet ja mit, wenn der Vater die Mutter verprügelt."

Dass ein Kind leidet, weil die Mutter manipuliert und beschämt ("Wegen dir bin ich krank"), es emotional erpresst (Liebesentzug), übermäßig kontrolliert und überwacht, es als Werkzeug gegen den Vater benutzt, es existentiell bedroht ("Wenn du mich nicht liebst, verlasse ich dich" / "Wenn du deine Hausaufgaben nicht machst, kommst du ins Heim"), es öffentlich (etwa vor seinen Freunden) bloßstellt und demütigt, seine Bedürfnisse ignoriert, es sonstwie vernachlässigt, instrumentalisiert oder anderweitig missbraucht – nee, solche Gewaltformen kennt man im Justizministerium und bei der ARD wohl einfach nicht. Frauen sind nämlich nicht nur Opfer, sondern obendrein die besseren Menschen und würden so etwas nie tun. Dass eine Mutter vor den Augen des Kindes den Vater angeht, tritt, beißt, mit der Küchenschere sticht oder ihm mit einem glühenden Zigarettenstummel die Haut verbrennt – solche Szenarien existieren nur in den irren Tagträumen fieser Maskus und als Hirngespinst dubioser Männerrechtler. (Alle hier aufgelisteten Beispiele habe ich übrigens entweder selbst erlebt oder im Verwandten- und Freundeskreis mitbekommen.)

Es zeigt sich somit mal wieder, wie weit der Weg für die "fiesen Maskus" und "dubiosen Männerrechtler" ist und warum noch extrem viel Kärrnerarbeit ansteht.


All die gewalttätigen Übergriffe, die mein Leser schildert, haben auch deshalb leichteres Spiel, weil bestimmte Akteure bösartiges und destruktives Verhalten fast ausschließlich Männern zuschreiben. Auch das wohlfeile Männer-Bashing begünstigt häusliche Gewalt. Wir brauchen dringend einen differenzierteren, nicht-sexistischen Blick, der die Wirklichkeit genauer erfasst.



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