Mittwoch, Dezember 19, 2018

Nordrhein-Westfalen: Gewaltstudie der Regierung soll sogar männliche Opfer erfassen – News vom 19. Dezember 2018

1. Wie Genderama mehrfach berichtete, werden in Nordrhein-Westfalen unter anderem dadurch, dass dort die FDP an die Regierung gekommen ist, männliche Opfer häuslicher Gewalt nicht mehr ausgeblendet. Heute erfahren wir darüber Interessantes in der "Welt":

Die in Berlin können es einfach nicht – so scherzte jüngst ein Kabinettsmitglied aus NRW. Die Spitze zielte auf Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD). Sie hatte im November eine Untersuchung zu Gewalt in Beziehungen vorgestellt. Und vermeintlich neue Erkenntnisse präsentiert – zu deren Ausmaß, zum eher niedrigen Ausländeranteil, zur kleinen Gruppe männlicher Opfer und zur Gewalt unter Homosexuellen als eher zu vernachlässigender Größe.

In den NRW-Ministerien für Frauen, Familien und Inneres schüttelten derweil die Experten ihre Köpfe. Und erklärten, kaum eine von Giffeys angeblichen Erkenntnissen treffe in dieser Form zu. Denn: Giffey bezog ihre Informationen aus einer BKA-Auswertung der polizeilichen Kriminalstatistik. Die aber erfasst nur das sogenannte Hellfeld, also angezeigte Straftaten. Gleichzeitig räumt das BKA aber ein, dass man bei Gewalttaten in Partnerschaften von einem immensen Dunkelfeld ausgehen müsse, das bei allemal 80 Prozent liege.

Erst wer Licht in dieses Dunkelfeld bringe, werde fundierte Aussagen treffen können – zu Ausmaß, Tätern oder Opfertypen. Davon sind die Fachleute in NRW überzeugt. Weshalb Frauenministerin Ina Scharrenbach und Innenminister Herbert Reul (beide CDU) Anfang Januar die bundesweit erste repräsentative und alle Opfertypen umfassende Dunkelfeldstudie zum Thema starten werden, wie WELT vorab erfuhr. Die Untersuchung soll Opfer männlichen Geschlechts ebenso in den Blick nehmen wie solche aus schwulen oder lesbischen Beziehungen. Denn bei diesen Opfergruppen vermuten deren Vertreter eine besonders ausgeprägte Scheu, Leiderfahrungen bekannt zu machen, also ins Hellfeld zu treten. Außerdem möchte das Land sicherstellen, dass auch Migrantengruppen ihrem Bevölkerungsanteil entsprechend unter den Befragten zu finden sind, damit auch über Menschen mit Zuwanderungsgeschichte als Opfer und Täter verlässliche Aussagen möglich werden.

(...) Doch die Ergebnisse zu Migranten als Tätern und Opfern bereiten den Fachleuten im Ministerium schon jetzt Sorge. Immerhin wird die Studie eine der Streitparteien in einem erbitterten Dauerkonflikt um Zuwanderer als Täter munitionieren – ein Streit, der sich kürzlich auch wieder im Landtag andeutete. Da behauptete die AfD, der Anstieg häuslicher Gewalt sei wesentlich auf die Zuwanderung seit 2015 zurückzuführen. Dagegen setzen andere Fraktionen ihre Überzeugung, die Zunahme sei eher mit abnehmender Tabuisierung von Beziehungsgewalt und damit zu erklären, dass von Jahr zu Jahr mehr Delikte unter den Begriff "Gewalt in Partnerschaften" gefasst werden. Außerdem, so erläuterte FDP-Gleichstellungspolitikerin Susanne Schneider, seien ja "überwiegend nicht Ausländer, sondern Deutsche tatverdächtig".

(...) Ein anderes Ziel der Studie ist dagegen unstrittig: Der Anteil männlicher Opfer soll verlässlicher erforscht werden. FDP-Politikerin Schneider sagte dieser Zeitung, man müsse hier von einem besonders hohen Dunkelfeld ausgehen, weil alles darauf hindeute, "dass Männer sich besonders schämen, als Opfer einer Frau zu gelten". Dass laut der von Giffey zitierten Kriminalstatistik nur 18 Prozent der Opfer männlich seien, gebe nicht die tatsächlichen Ausmaße wieder, so Schneider.

Dem stimmt auch Arne Hoffmann vom Männerrechtsverband MANNdat zu. WELT sagte er, die öffentliche und politische Unterstützung für männliche Opfer sei deutschlandweit unterentwickelt. Umso löblicher, dass sich dies in NRW nun erstmals ändere. Giffey hingegen hatte jüngst gesagt, Männer stellten nur eine eher kleine Opfergruppe dar, deshalb werde die vom Bund unterstützte Telefon-Hotline für Opfer häuslicher Gewalt auch weiterhin unter dem Titel "Gewalt gegen Frauen" firmieren.

Noch ein weiteres vernachlässigtes Thema greifen CDU und FDP mit ihrer Studie auf: die Gewalt in lesbischen, schwulen und transsexuellen Beziehungen. Dieses Phänomen ist in Deutschland weitgehend unerforscht, aussagekräftiges Zahlenmaterial fehlt. Anders in den USA. Dort haben Studien gezeigt, dass Gewalt in homosexuellen Beziehungen häufig vorkommt, auch wenn die Schätzungen zwischen 25 und 75 Prozent schwanken. Für die hiesige Zurückhaltung, diese Form der Gewalt zu erforschen, gibt es viele Gründe, glaubt man beim lesbischen Anti-Gewalt-Netzwerk Broken Rainbow. Zumindest ein wichtiger Grund bestehe in der Furcht, Zahlen und Fakten über Frauen als Täterinnen könnten „aus dem Zusammenhang gerissen werden und damit die Auswirkungen von Männergewalt auf Frauen“ verharmlosen.

Gleichwohl wirbt Broken-Rainbow-Expertin Constanze Ohms seit Jahren dafür, diese Tabuisierung aufzubrechen. Denn betroffene Schwule und Lesben stünden oft unter hohem Leidensdruck und würden damit allein gelassen. Auch Beratungsstellen mieden dieses Thema allzu oft. In NRW, sagt FDP-Expertin Schneider, werde diese Not nun nicht mehr ignoriert – anders im Bund.


Hier findet man den vollständigen Artikel von Till-Reimer Stoldt – einer der wenigen deutschen Journalisten, der beim Thema "häusliche Gewalt" die Darstellungen der Bundesregierung nicht einfach ungeprüft übernimmt und als Tatsachen verkauft.



2.
Eine Apothekerin aus dem US-Bundesstaat Illinois muss sich derzeit gegen schwere Vorwürfe ihrer Belegschaft zur Wehr setzen: Sie habe über Jahre ein Regime sexueller Ausbeutung in ihrer Offizin etabliert, werfen ihr mehrere PTA vor. Ihre Lohnschecks hätten sie nur gegen Küsschen erhalten und bei Fehlverhalten habe sie ihnen regelmäßig den Hintern versohlt. Eine PTA, die sich wegen des psychischen Stresses in medizinische Behandlung begeben hatte, sei nach ihrer Rückkehr deshalb gekündigt worden. Sie verklagte die Apothekerin.


Hier geht es weiter.



3. Zahlreiche Medien geben unkritisch die Behauptung eines "Global Gender Gap Report" wieder, dem zufolge die Gleichberechtigung in Deutschland stagniere. Die Arbeit, die bezahlte Journalisten verweigern, müssen wieder einmal unbezahlte Blogger leisten: Christian Schmidt hat sich genauer angesehen, wie manipulativ der Bericht aus schwarz weiß macht und die Dinge auf den Kopf stellt.



4. MeToo und kein Ende: Nach Sexismus-Vorwürfen hat das schottische Parlament "Lebkuchen-Männer" verboten. Jetzt darf es nur noch "Lebkuchen-Personen" geben. Die verantwortlichen Politiker verstehen dies als eine Maßnahme gegen sexuelle Belästigung.



5. Ein männerfreies Musikkonzert in Schweden (Genderama berichtete) ist jetzt der Diskriminierung schuldig befunden worden.



6. Die kanadische Tageszeitung "Globe and Mail" diskutiert das negative Männerbild von Kanadas feministischem Premierminister Trudeau.



7. Mehrere bekannte Namen ziehen sich von der Spenden-Sammel-Plattform Patreon zurück, weil Patreon Menschen sanktioniert, die sich in den sozialen Medien auf missliebige Weise geäußert haben. In dem verlinkten Artikel hinterfragt Julie Mastrine solche Tendenzen der Zensur durch Internet-Giganten: "Wenn Facebook, Twitter, YouTube, Instagram, Apple, Spotify, Patreon and PayPal Sie verbannen, wohin gehen Sie dann? Sollten Banken und Lebensmittelgeschäfte sich ebenfalls weigern, Menschen zu bedienen, die 'böse' Dinge sagen?"



8. Die Post. Gerade habe ich den vorhergehenden Beitrag in die heutige Medienschau eingetippt, schreibt mir dazu ein Leser:

Bei folgendem Thema bin ich mir nicht sicher, ob es noch auf Genderama gehört. Interessant dürfte es aber für Sie als Medienwissenschaftler sein.

Vor ein paar Tagen wurde ein relativ großer Youtuber namens "Sargon of Akkad" von Patreon gebannt. Sargon ist mir unter anderem aufgrund seiner kritischen Beiträge zu Themen wie Religion und Feminismus bekannt. Er wurde "deplatformed", weil er vor einiger Zeit mal das Wort "Faggot" gebraucht hat. Das Problem ist, dass er das Wort nur im Rahmen einer Argumentation nutzte, um einen eigentlich absurden Standpunkt zu demonstrieren. Das Zitat wurde also aus dem Zusammenhang gerissen und vermutlich gezielt dazu verwendet, ihn zu denunzieren. Hinzu kommt, dass er dieses Wort weder auf Patreon noch auf Youtube verwendet hatte. Gerade den letzten Punkt finde ich geradezu erschreckend. Dass Patreon glaubt, seine eigene Policy auch dann durchsetzen zu müssen, wenn das Vergehen nicht auf der eigenen Plattform stattfand, ist schon ein ziemlich starkes Stück.

Das Ganze schlägt jetzt Kreise im Internet. Unter anderem Sam Harris, Rubin und Peterson (die drei größten Umsatzbringer von Patreon) haben anfangen, laut darüber nachzudenken, sich um Alternativen zu bemühen bzw. ggf. sogar selbst eine zu schaffen. Eine gute Zusammenfassung findet man bei: Sargon of Akkad, Rubin und Tim Pool.

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